Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943073
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die wenigen Zeilen, die mit einer Maschine getippt worden waren, überlas.

      Man forderte von ihm die Zahlung von einhundert Dollar, versprach ihm dafür ruhige Urlaubstage in Miami-Beach. Die Verfasser dieses obskuren Briefes versicherten ihm darüber hinaus, seinem Cadillac würde ganz gewiß nichts geschehen. Man sei sicher, daß die einhundert Dollar sein Urlaubsbudget nicht gefährlich einschrumpfen ließen. Die einhundert Dollar solle er aus praktischen Gründen in bar entrichten und sie in einem Umschlag auf den Vordersitz seines Cadillac legen. Unterschrieben waren diese Zeilen mit dem gefährlich klingenden Namen: Die Strandhaie.

      Shradon hatte diese Unterschrift noch nicht ganz verdaut, als er das durchaus höfliche Schreiben wütend zusammendrückte und in den Papierkorb warf. Zum Teufel mit solchen Bettelbriefen, dachte er, eine neue Masche, Erpressungen in die Wege zu leiten. Da es sich nur um einhundert Dollar handelte, nahm er den Brief nicht weiter ernst. Irgendein Verrückter mußte ihn geschrieben haben.

      Als Shradon sich ein neues Hemd überstreifte, klingelte das Telefon. Shradon knurrte, griff nach dem Hörer und meldete sich.

      »Haben Sie unseren Brief erhalten?« fragte eine freundlich klingende Stimme.

      »Welchen Brief? Moment mal, haben Sie mir diesen Wisch geschrieben? Sind Sie das, der die einhundert Dollar will?«

      »Sehr richtig, Mr. Shradon. Sie werden doch zahlen, nicht wahr?«

      »Ich denke nicht daran. Ich werde mich an die Polizei wenden, wenn Sie mich noch mal belästigen. Wo leben wir denn, he?«

      »Sie sollten die Banknoten möglichst innerhalb von zehn Minuten in Ihren Cadillac legen, Mr. Shradon. Dieser Brief ist kein Witz gewesen.«

      »Und wenn ich es nicht tue? Ich lasse mich nicht unter Druck setzen!«

      »Nun, dann wäre es doch sehr schade um Ihren neuen Wagen«, antwortete der Anrufer. »Stellen Sie sich vor, er ginge in Flammen auf. Nur so zum Beispiel!«

      »Mich jagen Sie nicht ins Bockshorn«, schnaufte Shradon gereizt. »Sie bekommen keinen Cent von mir.«

      Er warf den Hörer in die Telefongabel und setzte sich. Er hatte sich derart erregt, daß er einen Moment verschnaufen mußte. Er griff nach den Importzigarren und zündete sich eine an. Als sie brannte, schaute er unwillkürlich auf seine Armbanduhr. Innerhalb von zehn Minuten sollte er die hundert Dollar in seinen Wagen legen. Ausgeschlossen! Darauf ließ er sich nicht ein.

      Dann aber dachte er an seinen Cadillac.

      Der Wagen hatte ihn sehr viel Geld gekostet. Er hing an ihm. Und wenn dieser Wagen nun doch angezündet würde? Das alles wegen lumpiger hundert Dollar?

      Herbert L. Shradon, der sich angeblich nicht unter Druck setzen ließ, hatte es plötzlich sehr eilig, sich anzukleiden. Er schaffte es innerhalb weniger Minuten. Er verließ sein Zimmer, rannte zum Lift und fuhr hinunter in die Hotelhalle.

      Ohne nach links oder rechts zu sehen, eilte er auf den Vorplatz, wo sein Cadillac stand. Alles sah unverdächtig aus. Shradon schlängelte sich durch die dicht zusammenstehenden Wagen und öffnete erleichtert seinen Wagen.

      Da ihm ein Umschlag fehlte, legte er fünf Zwanzigdollarscheine auf den Vordersitz. Nachdenklich klinkte er den Wagen zu und ging zögernd zurück zum Hotel. Am Eingang blieb er stehen. Er wollte doch sehen, wie zu seinem Wagen ging, wer die Banknoten abholte.

      »Entschuldigen Sie, Sir, haben wir uns nicht schon mal gesehen?« fragte eine Stimme neben ihm. Es handelte sich um eine Frauenstimme. Sie klang rauchig und aufregend. Shradon, immerhin Junggeselle und recht ansehnlich, wandte sich unwillkürlich zu der jungen Dame um.

      Sie war seiner Schätzung nach etwa fünfundzwanzig Jahre alt, mittelgroß und schlank. Sie trug ein einfaches, aber raffiniert geschnittenes Leinenkostüm. Ihr Haar war tizianrot, Die moderne Sonnenbrille verlieh ihr ein rätselhaftes Aussehen.

      »Oh, entschuldigen Sie«, sagte die junge Dame bestürzt. »Ich habe Sie verwechselt. Jetzt habe ich den Irrtum bemerkt.« Sie grüßte und verschwand in der Hotelhalle.

      Shradon wollte ihr interessiert nachsehen, doch dann erinnerte er sich der fünf Zwanzigdollarscheine in seinem Wagen.

      Hastig wandte er sich um. Am Wagen war kein Mensch zu sehen. Das heißt, der Parkplatzwächter, ein bereits betagter Mann von gut und gern sechzig Jahren, winkte gerade einen abfahrenden Wagen hinaus auf die Straße.

      Shradon ging zurück auf den Parkplatz. Er konnte es kaum erwarten, einen Blick in den Wagen zu tun. Ob die Banknoten noch auf dem Sitz lagen?

      Sie waren verschwunden!

      Sie mußten genau in dem Moment abgeholt worden sein, als die junge, tizianrote Dame ihn angesprochen hatte.

      Handelte es sich um ein abgekartetes Spiel?

      Shradon wußte es nicht genau, doch er kam sich sehr blamiert vor. Er hatte solch eine Wut, daß er mit dem Gedanken spielte, sich an die Polizei zu wenden …

      *

      William McLee saß zusammen mit seinen Freunden in einer kleinen Strandbar in der Nähe des Jachthafens. Er war vor einer Stunde von einer Ausfahrt zurückgekommen. Sie hatten draußen auf See sehr viel Spaß gehabt. McLee war ein großzügiger Gastgeber, der sich Extravaganzen leisten konnte.

      Er sah aus wie ein Playboy, war braungebrannt, sportlich und schien von ehrlicher, harter Arbeit nichts zu halten. Das Gegenteil aber war der Fall. William McLee, erst achtundzwanzig Jahre alt, war der Juniorchef eines großen Chemieunternehmens im Mittelwesten. Er war es nicht nur dem Namen nach. Er leitete praktisch den ganzen Betrieb und hatte sich in der Vergangenheit durch geschickte Vertragsabschlüsse ausgezeichnet. Wenn er allerdings Urlaub machte, wollte er ihn auch vollkommen genießen. Dazu gehörte eine Motorjacht, die ständig in Miami-Beach lag.

      Als er ans Telefon gerufen wurde, winkte er seinen Freunden zu, ging ohne große Eile in die Telefonzelle und zündete sich gelassen eine Zigarette an.

      »McLee. Mit wem spreche ich?«

      »Hier ist Canters, Sir.« Die Stimme seines Bootswartes klang aufgeregt.

      »Was liegt an?« Kurz und knapp kam McLees Frage.

      »Ihre Jacht, Sir …, ich meine … Die Jacht …!«

      »Was ist mit meiner Jacht?«

      »Sie ist … ist … in die Luft geflogen.«

      »Wie war das …?« McLee schnappte nach Luft.

      »Das Heck ist wegexplodiert, Sir. Eben erst … Ich kann von Glück sagen, daß mir nichts passiert ist. Das Boot ist daraufhin abgesoffen.«

      »Warten Sie, ich komme sofort! Haben Sie die Polizei schon verständigt?«

      »Klar, die ist bereits im Anrollen, Sir …!«

      »In zehn Minuten bin ich bei Ihnen, Canters.«

      William McLee legte im Gegensatz zu Mr. Herbert L. Shradon den Hörer fast vorsichtig zurück in die Gabel. Nachdenklich rieb er sich das glattrasierte Kinn. Er wußte plötzlich, warum das Heck seiner Motorjacht in die Luft geflogen war.

      *

      Er hatte nämlich vergessen, zweihundert Dollar in bar für die ›Strandhaie‹ zu reservieren …

      Helen Lockhart war eine attraktive, junge Frau von zweiunddreißig Jahren. Groß, schlank und dunkelblond, war sie der Prototyp eines amerikanischen Karrieregirls. Helen galt in Fachkreisen als ungemein tüchtig. Sie konnte sehr hart sein, wenn es sein mußte. Helen Lockhart war die Vertreterin eines New Yorker Betriebes, der sich auf Damenoberbekleidung spezialisiert hatte. Diese Firma stellte in erster Linie Badeanzüge und Strandmoden her. Miami-Beach war für Helen einer der besten Plätze. Hier tätigte sie Umsätze, die sie zu einer unabhängigen, wohlhabenden Frau hatten werden lassen.

      Sie wohnte im ›Strand‹, einem mittelgroßen Haus. Ihr Caravan stand in der hoteleigenen Tiefgarage. In diesem Wagen befanden sich die Verkaufsmuster, wohlverpackt in geschmackvollen Schrankkoffern.