Immer gedankenvoller schürzte Eliza die Lippe, immer öfter wählte sie den Weg durch die Spring Street.
»Dieses Besitztum wird eines Tages schweres Geld einbringen«, bemerkte sie zu Gant.
Gant klagte nicht. Er muckte nicht einmal auf. Es war ihm klar geworden, daß es vergeblich ist, gegen eine unbezähmbare, eine unerbittliche Leidenschaft aufzubegehren.
»Möchtest Du's kaufen?« fragte er.
Sie schürzte die Lippe.
»Es ist ein sehr guter Kauf«, sagte sie.
»Es wird Dich im Leben nicht gereuen«, sagte Dick Gudger, der Immobilienmakler.
»Es ist ihr Haus«, sagte Gant müde. »Mache den Kaufvertrag auf ihren Namen aus.«
Sie sah ihn an.
»Ich will meine Ruh vor Häusern und Grundstücken haben«, erklärte Gant. »Man hat 'ne verdammte Last damit, und am Ende kriegt der Steuereinnehmer doch alles.«
Eliza schürzte die Lippe und nickte.
Sie kaufte Dixieland für 7500 Dollar. Sie hatte Bargeld genug für die Anzahlung von 1500 Dollar. Der Rest war in jährlichen Raten von 1500 Dollar fällig. Es war ihr klar, daß sie dieses Geld aus dem Haus herauswirtschaften müsse.
Im Frühherbst, als die Ahorne noch vollbelaubt und grün standen, als die Schwalben sich im Schornstein zum Zug sammelten, zog Eliza mit Radau und Aufregung in Dixieland ein. Die Familie war äußerst neugierig auf das Unternehmen, aber niemand machte sich eine klare Vorstellung von der Bedeutung des Vorfalls. Gant und Eliza sprachen sich nicht offen aus. Sie spürten und wußten dumpf, daß ihr gemeinsames Leben nun zu einem Abschluß käme, daß ihre Wege sich scheiden würden. Sie sprachen von Plänen, nannten Dixieland eine »gute Kapitalsanlage«, ergingen sich in Ausflüchten. Eliza kreiste bereits um ihre neue Daseinsmitte, ihr Leben wandte sich ganz der Befriedigung der Besitzleidenschaft zu.
Sie hätte unmöglich den Sinn ihres Unternehmens erklären oder rechtfertigen können, aber sie war überzeugt, daß derselbe blinde Drang, der sie nach St. Louis in Tod und Elend getrieben hatte, sie nun auf die rechte Bahn gewiesen habe. Sie war auf dem Geleis.
So wirr, ungenau und oberflächlich die beiden Gatten auch den Bruch ihrer Lebensgemeinschaft, die Auflösung ihres lärmerfüllten gemeinsamen Hausstands behandelten, als die Stunde der Trennung schlug, fanden sich die Elemente stillschweigend und ohne Zaudern zusammen.
Eliza nahm Eugen mit nach Dixieland. Er schlief noch nachts bei ihr im Bett. Er war das letzte Band, das sie mit ihrem schwierigen Dasein als Frau und Mutter verknüpfte. Sie handelte wie ein Schwimmer, der sich in eine dunkle, verzweifelte See hinauswagen will und der eignen Kraft und dem Schicksal nicht ganz vertrauend sich eine Sicherheitsleine anlegt.
Ohne daß viel Worte darüber verloren wurden, als wäre es von altersher so bestimmt, blieb Helene bei Gant.
Daisy sollte in Bälde heiraten. Ein hochgewachsener, glattrasierter Mann hatte sie mit leidenschaftlicher Werbung belagert. Er war Versicherungsagent von Beruf, trug Gamaschen und 15 cm hohe blendendweiße, gestärkte Stehkragen, sprach mit einer öligen, dunkel klöhnenden Stimme, räusperte sich von Zeit zu Zeit ohne Grund leise und hieß Mister McKissem, Daisy argwöhnte insgeheim, daß er wahnsinnig wäre. Sie nahm allen Mut zusammen und gab ihm einen Korb.
Der Freier, dem sie sich anverlobte, war ein junger Mann aus Süd-Carolina, der in einer ziemlich ungeklärten Geschäftsbeziehung zum Krämereigroßhandel stand. Er trug einen Scheitel in der Mitte, vom Bürzel bis in die niedre Stirn herunter, hatte eine weiche, gedehnte, liebenswürdige Stimme; seine Manieren waren herzhaft, sein Auftreten bestimmt, seine Gewohnheiten großzügig. Anläßlich seiner Besuche brachte er Gant Zigarren und den Buben große Schachteln »Assorted Candies« mit. Alle Welt hielt ihn für einen vielversprechenden jungen Mann.
Was die übrigen Kinder anbetrifft – nun, da waren nur noch Ben und Lukas, und sie schwammen sich selbst überlassen im Limbo, Steve hatte seit seinem achtzehnten Jahr meist fern der Heimat gelebt. Er brachte sich als Vagabund auf der Landstraße, als Gelegenheitsarbeiter in New Orleans, Jacksonville, Memphis durch. Dann und wann fälschte er einen kleinen Scheck auf den Namen seines Erzeugers. Nach längerer Zeit gab er dann gelegentlich Gastrollen im Schoß seiner betrübten Familie. Statt einer Anmeldung pflegten er – oder irgend ein Kamerad, der sich zu diesem Behufe den Doktortitel beilegte – heimzutelegraphieren, daß er schwer krank sei, ja, daß er im Sterben läge und in einem Sarg geschickt werden würde, falls es die Eitern nicht vorzögen, ihm noch bei Lebzeiten Reisegeld zu schicken.
So kam es, daß Eugen, noch ehe er acht Jahre alt war, unter ein andres Dach zog und für immer der lärmerfüllten, unseligen, warmen Daseinsmitte des Heims in der Woodson Street verlustig ging. Er wußte nie ganz genau, wo er von Tag zu Tag Mahlzeit und Obdach suchen solle, obschon er völlig sicher war, daß ihm beides gewährt werden würde. Er aß, wo er gerade seinen Hut an den Nagel gehängt hatte, entweder am Tisch seines Vaters oder bei Eliza in der Pension. Gelegentlich, wenn auch sehr selten, schlief er mit Lukas zusammen im alten Haus in einer abgeschrägten, weißgetünchten Hinterkammer, in der es schmökrig nach in Kisten verpackten Büchern und süß nach Garten roch. Dort standen zwei Betten; der ungewohnte Alleinbesitz einer ganzen Matratze beglückte ihn. Er sehnte die Tage herbei, wenn ihm dieses männliche Recht auf immer zuerkannt sein würde. Aber Eliza gab ihn nur selten eine Nacht frei; er war ihr wie ins Fleisch genietet.
Während des geschäftigen Tags vergaß sie seiner. Abends aber hing sie am Telephon, verlangte, er solle zu ihr kommen, machte Helene Vorwürfe, daß sie ihn dort zurückhalte. Eliza führte einen erbitterten heimlichen Krieg um ihn mit der Tochter. Der Betrieb in Dixieland nahm sie untertags oft restlos in Anspruch; plötzlich fiel ihr ein, daß Eugen zu keiner Mahlzeit zugegen gewesen war. Ärgerlich fordernd war sie am Fernsprecher.
»Wirklich, Mama«, antwortete Helene dann gereizt, »er ist Dein Kind, nicht meines. Aber hungrig herumlaufen lassen kann ich ihn freilich nicht.«
»Was soll das heißen? Was soll das heißen? Er ist hier weggelaufen, als das Mittagessen gerade aufgetragen wurde. Ich habe hier eine gute Mahlzeit für ihn auf dem Tisch, hm, ich sage Dir, eine gute Mahlzeit.«.
Helene legte die Hand auf die Muschel, schnitt dem Kleinen, der katzenhaft grinsend dabeistand, eine Grimasse und ahmte Elizas Pentlandsche Sprechweise nach: »Hm, wieso? Willst Du sofort gehorchen, Kind! Ja, das ist gute Suppe, sehr gute Suppe.«
Eugen bog sich vor unterdrücktem Lachen.
Dann sprach sie wieder in den Apparat: »Also, Mama, das ist ganz und gar Deine Angelegenheit. Wenn Eugen nicht da oben bleiben will, kann ich es nicht ändern.«
Wenn der Ausreißer dann in Dixieland erschien, forschte ihn Eliza aus, tadelte ihn scharf, berief seinen Stolz:
»Was soll das heißen, daß Du so ohne weiteres zu Deinem Vater ins Haus läufst. Ich wäre mir zu gut dafür.« Sie machte eine bitter gekränkte Schnute. »Helene will nicht das geringste von Dir wissen. Du fällst ihr nur zur Last. An Deiner Stelle würde ich mich schämen, sch-ä-m-e-n würde ich mich.«
Aber die Zaubermacht und die Eigenheit, der gute Männergeruch und die heimisch-eindringliche, behaglich-behäbige Gemütlichkeit, die Fülle und die Wärme von Gants baumumstandnem, rebenumranktem Haus lockten ihn immer wieder von Dixieland fort, dieser großen kalten Gruft, die ihm besonders im Winter unannehmbar war, weil Eliza mit Kohlen sehr sparte.
Gant hatte Dixieland »Die Scheuer« getauft. Morgens, nachdem er schwer gefrühstückt hatte, machte er den Umweg über die Spring Street nach seiner Werkstatt. Er