Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Aufsätze. Thomas Wolfe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Wolfe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075830562
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… und immer war etwas um ihn gewesen, das fremd und unirdisch erschien. Sie betrachteten das graue Gehäus, sie standen furchtbar bestürzt vor einer Erkenntnis, wie jemand bestürzt ist, dem plötzlich ein vergeßnes Zauberwort einfällt, oder wie Menschen bestürzt sind, die eine Leiche anzusehen wähnen und einen dahingegangnen Gott schauen.

      Lukas, der am Fußende des Betts stand, wandte sich an Eugen und stotterte in einem unwirklichen Flüstern, voll Verwunderung und Unglauben:

      »Mich d-d-d-deucht, Ben ist t-t-tot.«

      Gant war sehr ruhig geworden. Er saß vornübergebeugt, auf seinen Stock gelehnt im Dunkel am Fußende des Betts. Die Zwangsvorstellung seines eignen herannahenden Todes war von ihm geglitten, er blickte zurück in die Wüstenlandschaft der Vergangenheit, schmerzlich-trauervoll beging er die Spur seiner verlornen Jahre, die zur Geburt dieses sonderbaren Sohns geführt hatten.

      Helene saß im Dunkel in der Nähe des Fensters, die Augen aufs Bett gerichtet. Aber ihr Blick heftete sich nicht auf Ben, sondern auf das Gesicht ihrer Mutter. Es schien, als wären sie alle stillschweigend übereingekommen, in den Schatten zurückgetreten, damit Eliza sich wieder in den Besitz des Fleisches setzen könne, dem sie Leben gegeben hatte.

      Und Eliza, nun, da er es ihr nicht länger wehren konnte, nun, da er seine hellen, fiebrigen Augen nicht länger von ihr wenden konnte, saß neben dem Bett und umklammerte seine erkaltenden Hände mit ihren rauhen, abgenutzten Fingern.

      Sie schien nicht zu wissen, was um sie vorging. Sie saß übermächtig gebannt, sehr steif und aufrecht auf dem Stuhl, das Gesicht versteint, die stumpfen, schwarzen Augen unentwegt starr auf das graue, kalte Antlitz des Sohns gerichtet.

      Sie saßen und warteten. Es wurde Mitternacht. Ein Hahn krähte. Eugen trat leise ans Fenster und blickte hinaus. Die Nacht, ein großes, schwarzes Biest, schlich ums Haus. Die Wände und Fenster schienen nach innen eingebogen vom Druck der Dunkelheit. Das leise Geräusch aus dem verzehrten Körper hatte fast ganz aufgehört. Es war nur noch ein unregelmäßiges, fast unhörbares, mattschwingendes Aushauchen.

      Helene gab Gant und Lukas ein Zeichen. Sie standen auf und gingen still hinaus. Helene blieb in der Tür stehen und winkte Eugen zu sich.

      »Du bleibst hier bei ihr«, sagte sie. »Du bist ihr Jüngstes. Komm und sag's uns, wenn's vorbei ist.«

      Er nickte und schloß die Tür hinter ihr. Er blieb eine Weile stehen und lauschte. Dann ging er zu Eliza und beugte sich über sie.

      »Mama!« flüsterte er. »Mama!«

      Sie gab kein Zeichen, daß sie ihn gehört hätte.

      »Mama!« sagte er ein wenig lauter. »Mama!«

      Sie saß steif und unbeweglich da, wie ein Kind, das sich ziert.

      Ein schwärmendes Mitleid bemächtigte sich seiner. Verzweifelt, ganz vorsichtig versuchte er, ihre Finger von Bens Hand zu lösen. Ihre rauhe Hand klammerte sich fester an Bens kalte Hand. Und dann, steinern, von rechts nach links, ausdruckslos, schüttelte sie einmal den Kopf.

      Weinend und geschlagen vor dieser unerbittlichen Gebärde ließ er ab. Jäh entsetzt begriff er, daß sie ihren eignen Tod erlebte, daß sie in dem unlöslichen Griff ihrer Hand auf Bens Hand den Akt der Wiedervereinigung vollzog – daß für sie nicht Ben starb, sondern ein Stück von ihr, ein Stück ihres Lebens, ihres Blutes, ihres Körpers, ein jüngeres, lieblicheres, besseres Stück ihres Wesens, ein von ihrem Fleisch geprägtes, begonnenes, genährtes, ein mit soviel Weh vor sechsundzwanzig Jahren gebornes und seitdem vergeßnes Stück.

      Eugen wankte auf die andre Seite des Betts und fiel in die Knie. Er fing an zu beten. Er glaubte nicht an Gott, er glaubte nicht an Himmel oder Hölle, aber er befürchtete, Gott und Himmel und Hölle könnten wahr sein. Er glaubte nicht an Engel mit zarten Gesichtern und hellen Flügeln, eher glaubte er an dunkle Geister, die über den Häuptern einsamer Menschen huschen. Er glaubte nicht an Engel oder Teufel, aber er glaubte an Bens strahlenden Dämon, zu dem er ihn so viele Male hatte sprechen sehn.

      Eugen glaubte nicht an diese Dinge, aber er befürchtete, sie könnten wahr sein. Er hatte Angst, daß Ben wieder verloren gehn könne. Er spürte, daß niemand außer ihm jetzt für Ben beten könne, daß die dunkle Verbindung ihrer Geister lediglich seine Gebete als gültig zuließe. Alles, was er in Büchern gelesen, die kühle Weisheit, die er so glattzüngig in seinem Philosophiekursus bekannt hatte, und die großen Namen Platon und Plotin, Spinoza und Kant, Hegel und Cartesius verließen ihn nun vor dem übermächtigen Anprall seines wilden, keltischen Aberglaubens. Er spürte, daß er wie ein Rasender beten müsse, solange das kleine, sinkende Geflacker des Atems in seines Bruders Brust anhielt.

      In einem wahnsinnigen Singsangton murmelte er, unausgesetzt sich wiederholend: »Wer immer Du seist, sei gut zu Ben diese Nacht … zeig ihm den Weg! … Wer immer Du seist, sei gut zu Ben diese Nacht … zeig ihm den Weg! …« Von Minuten und Stunden wußte er nichts mehr. Er hörte nur noch den schwachen Atemhauch des Sterbenden und sein gleichzeitiges Gebet.

      Das Licht in seinem Hirn losch aus; sein Bewußtsein schwand, Übermüdung und nervöse Erschöpfung besiegten ihn. Er streckte sich halb auf den Boden, die Arme auf die Bettstelle gestützt und murmelte verschlafen weiter.

      Eliza saß starr auf der andern Bettseite und hielt Bens Hände umklammert. Eugen, vor sich hinmurmelnd, verfiel in einen unruhigen Schlaf.

      Er fuhr plötzlich auf. Er wurde sich, zu seinem jähen Entsetzen, bewußt, daß er eingeschlafen war. Er befürchtete, daß der leise, zögernde Atemgang nun aufgehört hätte. Der Körper auf dem Bett war ganz steif. Kein Hauch war hörbar. Dann, uneben und unrhythmisch, kam ein sehr mattes Ausatmen. Er wußte, daß dies das Ende war. Er stand schnell auf und lief zur Tür. In einem kalten Schlafzimmer auf der andern Seite des Gangs lagen Gant, Lukas und Helene erschöpft auf zwei breiten, aneinandergerückten Betten.

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