Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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den Kiesweg entlang, auf zehn Schritt Distance gefolgt von Ramo. Kein Wort fiel zwischen den beiden, und als sie an das Gitter kamen, das die Grenze von Monrepos bildete, löste sie ihren Arm aus dem seinen.

      »Sie haben jetzt Ihrer Pflicht genügt, Baron,« sagte sie kühl, »Gute Nacht!«

      »Ich sagte bereits, ich würde Sie bis zum Falkenhof begleiten,« entgegnete er ruhig. »Sie werden also bis dahin meine Gegenwart ertragen müssen.«

      Er sah es, wie ein stolzer, abweisender Strahl in ihrem Auge aufblitzte und ihr schönes Gesicht in dem hellen Mondschein blässer wurde.

      »Zu welchem Zweck?« fragte sie.

      Falkner zauderte einen Augenblick.

      »Die Prinzeß wünscht es –«

      »Sie hätte es nicht gewünscht, wenn sie wüßte, daß ein Tete-a-tete mit Ihnen mir nur Insulten bringt, gegen die ich wehrlos bin,« unterbrach sie ihn stolz, sich zum Gehen wendend. Aber schon beim nächsten Schritt stand er neben ihr.

      »Ich würde dennoch eine Nichterfüllung der mir auferlegten Pflicht vor der Prinzeß nicht verantworten können,« sagte er unbewegt.

      Dolores unterdrückte das Wort auf ihren Lippen, und schweigend schritt sie vorwärts, in den träumenden, nachtdunklen Park hinein, und schweigend schritt Falkner neben ihr her.

      »Glauben Sie nicht, Donna Dolores,« begann er nach einer Weile, »daß ich hier neben Ihnen gehe, um Ihnen neue Kränkungen zu bereiten. Im Gegenteil, ich benutze die einzige, mir günstige Gelegenheit zu einem Tete-a-tete mit Ihnen, um – um Sie zu fragen, ob Sie daran glauben, daß Frauen, schwer beleidigte Frauen vergeben können?«

      »Was soll diese Frage?« klang es abweisend zurück.

      Es ward jetzt so dunkel unter den Bäumen, daß sie einander nicht mehr erkennen konnten, aber sie hörte, wie sein Atem schwer ging, gleichsam als müsse er die zu sagenden Worte aus tiefster Brust gewaltsam heraufholen.

      »Ich habe Ihnen manches böse, kränkende Wort gesagt,« begann er endlich, »und ich will mich darum nicht entschuldigen, weil Sie vielleicht auch all' diese Dinge, wie Vorurteile, getäuschte Hoffnungen, beleidigter Stolz nicht verstehen und als mildernd gelten lassen würden. Aber die Erkenntnis ist ein Gast, vor dem ein Ehrenmann die Thür nicht schließen darf, und darum stehe ich jetzt hier und frage Sie: wollen Sie mir vergeben, womit ich Sie gekränkt?«

      Es war sehr still geworden unter den im Nachtwind flüsternden Bäumen, denn Dolores antwortete nicht – sie hätte kein Wort über die Lippen gebracht. Und weiter schritten sie nebeneinander, und doch getrennt wie von einem reißenden Strom – dann wiederholte er seine Frage:

      »Wollen Sie mir vergeben, Donna Dolores, und wollen Sie vergessen, womit ich Sie gekränkt?«

      Sie atmete tief auf.

      »Sie haben eine für Ihren Stolz schwere Frage gethan,« erwiderte sie leise, »aber bei Gott, glauben Sie mir, es ist auch nicht leicht, mit einem aufrichtigen Ja zu antworten. Doch es sei, ich will's versuchen, ob ich vergeben kann, was Sie mir angethan – aber vergessen – nein, Herr von Falkner, es hieße meine Würde als Weib außer acht lassen und mich selbst in Ihren Augen wie in den meinen herabsetzen, wenn ich dazu bereit wäre. Verstehen Sie das?«

      Sie waren herausgetreten aus der dunklen Allee, und nun stand sie vor ihm im hellen Mondlicht, die schlanke Gestalt im dunklen Gewande und schwarzen Schleier, durch den es von ihrem Haupt goldig schimmerte, und sie glich der Norne, der Schicksalsgöttin mit dem rätseltiefen, dunklen Auge in dem weißen Antlitz.

      »Ja, ich verstehe es,« sagte er resigniert. »Verzeihen Sie also meine Frage, die Sie vielleicht aufs neue beleidigt hat.«

      »Nein,« erwiderte sie kurz und fügte mit leichtem Spott hinzu: »Denn Sie meinten es gut und dachten vielleicht, wenn die Sonne Ihrer Gnade mir leuchtete, so genügte das, alle Schatten zu verscheuchen!«

      Falkner wandte sich ab.

      »Ich habe mich vor Ihnen gedemütigt, und Sie verspotten mich dafür,« sagte er bitter. »Ich hätte das wissen können!«

      »Nein,« entgegnete Dolores mit tiefem Ernst, »ich spotte nicht über Sie, das wäre unedel, aber Sie müssen auch mir eine leichte Bitterkeit verzeihen – nach allem, was geschehen! Ist es Ihnen aufrichtig ums Herz mit Ihren Worten, so soll mich's freuen!«

      »Es ist aufrichtig gemeint,« erwiderte Falkner, »mein Wort darauf!«

      Da hemmte sie ihren Schritt und wandte ihm ihr schönes Antlitz voll zu.

      »Ich glaube Ihnen,« sagte sie, »aber,« fügte sie stockend hinzu, »aber Sie müssen mir noch einen Beweis geben, wollen Sie?«

      »Und welchen meinen Sie?«

      »Nehmen Sie den Falkenhof zurück!« bat sie, fast schüchtern, stockenden Atems.

      Falkner wich einen Schritt zurück und streckte abwehrend die Rechte aus.

      »Kein Wort davon, Donna Dolores,« sagte er hart. »Sie würden mich nur beleidigen!«

      »Aber der Falkenhof gehört von Rechts wegen –«

      »Ihnen,« vollendete er ruhig und bestimmt. »Sie sind die rechtmäßige Erbin des Lehens, und keine Macht der Welt kann Ihnen das bestreiten. Daß man mich in völliger Ignoranz dessen erzogen hat, fällt auf die zurück, die es besser wußten – mich müssen Sie für sehr – berechnend halten, daß Sie mir aufs neue anbieten, was ich nie anders, als auf dem legalen, naturgemäßen Wege annehmen kann und werde.«

      »Ich sagte es nicht in diesem Sinne,« erwiderte Dolores leise.

      »Nein, vielleicht nicht,« entgegnete Falkner, wieder neben sie tretend, »ich will es als einen Beweis nehmen, daß Sie mir vergeben – aber bitte, sprechen Sie davon nicht wieder – niemals, Donna Dolores, ich bitte Sie im Namen des Friedens zwischen uns, den ich gern erhalten sehen möchte. Wollen Sie meine Bitte gewähren?«

      »Ja,« sagte sie kurz.

      »Und wird es Ihnen möglich sein, mir fernerhin mit milderen Gefühlen zu begegnen?«

      »Vielleicht!«

      Es fiel kein ferneres Wort zwischen beiden – schweigend erreichten sie endlich den Falkenhof.

      Vor der Thür stand Doktor Ruß. Er rauchte eine Cigarre und genoß die schöne, warme Nacht. – Als er Dolores an der Seite seines Stiefsohnes, gefolgt von Ramo, daherkommen sah, machte er sehr erstaunte Augen.

      »Ei, schönen guten Abend,« rief er ihnen entgegen. »Nun, liebe Dolores, Sie kommen unter guter Bedeckung heim. War dieselbe gegen die Bosheit der Menschen oder gegen die Waldgeister berechnet?«

      »Gegen die Geister, natürlich,« erwiderte Dolores lächelnd.

      »Nun, es giebt im Schlosse wie im Dorfe Leute, die ihre Seligkeit für die Existenz von Geistern in der alten Ruine und am Hexenloch verwetten würden,« sagte Falkner. »Ich selbst glaube daran, seit ich vor ein paar Tagen dicht an dem unheimlichen Tümpel eine blondhaarige Gestalt sitzen sah, die einen Vergißmeinnichtstrauß band.«

      »Ei, wie poetisch,« lächelte Doktor Ruß.

      »Sie sahen die Gestalt natürlich um Mitternacht,« spottete Dolores.

      »Nein, es war bei Sonnenuntergang, drunten im Dorfe läuteten sie das Ave, und in den Glockenklang hinein sang die Erscheinung ein seltsames, halb trauriges, halb verklärtes Lied.«

      »Und dieses Lied hat es dir natürlich angethan, wie es im Volkston heißt?« sagte Doktor Ruß, der den Sinn in dem Abenteuer seines Stiefsohnes nicht recht ergründen konnte, indes Dolores sich bückte, ein paar schillernde Steinchen aufzuheben – es blitzte dabei verständnisvoll in ihren Augen auf.

      »Ja, das Lied hat es mir angethan,« wiederholte Falkner fast träumerisch.

      Da