Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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herab – nein, fragen Sie mich nicht, ich tauge nicht zur Klatschbase,« setzte sie scherzend hinzu. »Ich habe dafür gar kein Talent.«

      »Dafür aber desto mehr, eine Einsiedlerin zu werden,« meinte Keppler, auf ihre Wendung des Gespräches eingehend.

      »O,« rief sie, »ich fange an, selbst daran zu glauben! Es ist so wonnig, die schönen Tage allein mit seinen Gedanken dahinzuträumen und zuzuhören, wie die Bäume rauschen und was sich der Wald erzählt. Und Neigung zum Alleinsein habe ich immer gehabt!«

      »Das wäre aber traurig für Ihre Kunst,« warf Keppler ein.

      »Ich lasse sie nicht rosten,« sagte Dolores lebhaft, »nein, o nein, wie könnte ich auch – ich habe sie ja so lieb, meine Kunst! Nur öffentlich kann und mag ich sie jetzt nicht üben, das stimmt so schlecht zu dem schwarzen Kleid, und sie wissen, lieber Freund, ich hasse alle Mißklänge. Es giebt Dinge, die man eben nicht zu einer Harmonie vereinen kann.«

      »Davon könnte ich ein Lied singen,« meinte der Maler leise, fügte aber schnell hinzu: »Und wenn Sie das Trauergewand abgelegt haben werden –?«

      »Dann ist der Sommer dahin, und alles, alles verblüht,« sagte Dolores traurig.

      »Nur Ihr Lorbeer nicht,« mahnte der Künstler.

      »Wer weiß,« sprach sie abgewandt, »ich las einmal, daß jedes Menschen Kranz verblüht, sei er von Rosen, Myrte, Lorbeer oder Dornen gewunden. Und da war's mir, als höre ich das Rascheln der dürren Lorbeerblätter, die so schnell welken mußten, weil ihr Spender sie auf Draht geflochten –«

      Sie schwieg, kurz abbrechend, und Keppler schüttelte das Haupt.

      »Es ist eine sehr, sehr kurze Zeit, die Sie zur Pessimistin gemacht,« sagte er traurig. »Gott verhüte, daß dies schwarze Trauerkleid zum Bahrtuch für Ihre Kunst geworden wäre!«

      »Nein, o nein,« rief Dolores, »meine Kunst kann nicht sterben, sie überlebt ja alle ihre Jünger, auch die besten, die auserwähltesten –«

      »Und gehören Sie nicht zu diesen? Wer hat Sie an sich selbst zweifeln gelehrt?«

      »Ich zweifle nicht an meinem Können, denn ich bin mir dessen bewußt,« rief Dolores, und ein Strahl echten, rechten Künstlerstolzes flammte in ihren dunklen Augen auf. »Aber,« setzte sie leise, ganz leise hinzu, »aber ich zweifle an meiner Kraft!«

      »Warum?« Und die helle Angst leuchtete bei dieser Frage aus Kepplers Augen. »So müssen Sie nicht reden, Donna Dolores. Sie sind zuviel allein – bei Gott, das ist's nur, was aus Ihnen spricht! Ihre Kraft? Die Kunst hat Sie auf siegreichen Schwingen hinaufgetragen zur sonnigen Höhe des Ruhmes –«

      »Und als Ikaros der Sonne zu nahe kam, versengte sie seine Flügel, und er sank herab ins Meer – des Vergessens,« schloß Dolores seufzend.

      Keppler schüttelte den Kopf.

      »Nein, so darf es nicht mit Ihnen bleiben,« rief er, »Sie dürfen nicht in der Einsamkeit verderben! Laden Sie Gäste zu sich ins Haus, mit denen Sie musizieren und eine gute Unterhaltung führen können –«

      »Ich hab's versucht, Professor Balthasar hierher zu locken, aber er kann erst später kommen, im Herbste –«

      »So suchen Sie Ihre Nachbarschaft auf!«

      »Ich gelobe, morgen bei Gräfin Schinga Besuch zu machen,« rief Dolores jetzt lachend, »ich fürchte nur, daß die Nahrung, die mein Geist da empfangen wird, für meinen schwachen Verstand zu schwer ist.«

      »Nun, und Monrepos?« fragte Keppler gespannt.

      »Monrepos,« wiederholte sie. »O, das ist ein Hof, und zu Hofe muß man befohlen werden.«

      So gingen sie plaudernd auf und nieder, bis nach nicht zu langer Zeit Falkner die Allee wieder heraufkam, denn er mußte sie, um nach Monrepos zu gelangen, wieder passieren.

      Er hatte die Stirne in Falten gezogen und sah finster genug darein, denn sein Wunsch, seine Mutter möchte den Falkenhof verlassen, war auf den hartnäckigsten und entschiedensten Widerstand bei seinem Stiefvater gestoßen.

      »Es liegt ganz und gar nicht in meiner Absicht, die wiederholten, freundlichen Einladungen unserer lieben Dolores abzulehnen und sie damit zu kränken,« hatte Doktor Ruß gesagt. »Sie hat nichts gethan, was uns kränken könnte, im Gegenteil; und daß sie den Falkenhof geerbt, dafür kann sie nichts – sie hat ja auch ihr Bestes gethan, ihn abzutreten. Aber an dem Eisenkopf deines Sohnes, teure Adelheid, scheitern ja alle Fahrzeuge der besseren Einsicht!«

      »Nun, es findet sich vielleicht noch eine andere Lösung dieses Konfliktes,« hatte Frau Ruß mit Beziehung geantwortet und dabei sehr schnell gestrickt.

      »Wohlan denn, thut, wie es euch beliebt – ich betrete den Falkenhof freiwillig nicht wieder,« hatte Alfred erwidert, und finsteren Blickes war er davon geeilt.

      Daß er ihr noch einmal nach der heute erfahrenen Abweisung begegnen mußte, war ihm entsetzlich fatal, und der Grimm, der in seiner Brust wohnte gegen das unbegreifliche Gebaren seines Stiefvaters, gegen Keppler und – sich selbst, machte, daß er die Hände ballte und die Zähne zusammenbiß, als er die wunderschöne Gestalt im schwarzen Kleide wieder vor sich sah.

      »Was hat sie davon, meine Mutter und deren Mann hier zu fesseln?« fragte er sich, denn er wußte ja nicht, daß Dolores die Einladung der ersten Stunde ihres Seins im Falkenhofe ganz und gar nicht wiederholt hatte. »Was bezweckt sie damit? Mich zu demütigen und zu ärgern? Wie kann meine Mutter Wohlthaten aus diesen Händen annehmen!«

      Raschen Schrittes eilte er vorwärts und stand nun, leicht den Hut lüftend, vor Dolores.

      »Ich habe eben zu meinem großen Befremden gehört, Baronin,« sagte er eisig kalt, »daß meine Mutter und mein Stiefvater infolge Ihrer wiederholten Einladungen auf dem Falkenhof zu bleiben gedenken. Es ist mir dies, selbstredend, sehr fatal, und kann nur durch Einrichtung einer eigenen Menage für die Betreffenden, oder aber eine entsprechende Entschädigung –«

      Dolores war sehr blaß geworden und streckte jetzt gebieterisch die Hand aus, fernere Worte abzuschneiden.

      »Nicht weiter, Baron Falkner,« sagte sie, und ihre Augen sprühten Flammen. »Der Falkenhof wird nicht vermietet – niemals, so lange ich hier bin, sei es, unter welcher Form es immer sei. Wollen Ihre Eltern meine Gäste sein, so werd' ich sie stets als solche ehren – an einem Tisch mit mir – oder gar nicht.«

      Damit wandte sie sich ab und schritt die Allee herunter, scheinbar unbewegt, aber in ihrem Innern wogte es auf und nieder in Schmerz, Empörung und Pein.

      Und ein stiller Zorn stieg auch in Keppler auf gegen den Mann, der stumm und blaß neben ihm herschritt, denn er hatte sie gekränkt, und er, der Maler, hatte nicht einmal das Recht, hier für sie einzutreten, wo sie selbst für sich gesprochen hatte.

      Und Falkner? Er hatte sich von seinem heißen Blut hinreißen lassen, und ihre Antwort hatte ihn nicht gekränkt, denn eine wilde Freude in seiner Brust sagte ihm, daß sie ja anders nicht hatte antworten dürfen, daß er sie um einer anderen Antwort willen hätte verachten müssen und doch, und doch – er wollte sie hassen um jeden Preis, hätte er sie nur auch verachten gekonnt!

      Am selben Tage noch sprach ihm Prinzeß Alexandra höchst taktvoll von der Parkangelegenheit, und berührte leicht den delikaten Punkt des Verkehrs mit seiner Cousine.

      »Hoheit verzeihen,« erwiderte Falkner kühl und bestimmt, »wenn ich in dieser Affaire keine Dienste leisten kann. Ich stehe in absolut keinem Konnex mit der Baronin, meiner – nun ja, meiner Cousine, und glaube auch, daß sich dies alles weit besser durch Fremde arrangieren läßt.«

      ***

      Am folgenden Tage um die Stunde, wo man in großen Städten Visiten zu machen pflegt, also gegen fünf Uhr nachmittags, bestieg Dolores ihren leichten, eleganten Brougham und gab dem Kutscher die Order, nach Arnsdorf zu fahren.

      Leicht und leise rollte der Wagen über den gelben Kiesweg hinaus zum Thore