Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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ein, ich bitte dich!«

      Hochfelden klopfte erst seine kleine, eben ausgebrannte Pfeife aus, steckte sie sorgfältig in ihr Futteral und sagte dann bedächtig: »Nein, ich werde das nicht tun. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Mag unser liebes Mündel ihre jungen Schwingen probieren, wie weit sie tragen. Werden ihr die Flügel matt und wollen die vielgerühmten Dornen des Heiderösleins nicht mehr ordentlich stechen, dann mag das kecke Vöglein zurückfliegen in unser Nest, wir wollen es stets mit offenen Armen empfangen!«

      Rose trat mit glänzenden Augen vor Hochfelden hin und reichte ihm beide Hände.

      »Herzlichen Dank!« sagte sie fast fröhlich, »herzlichen Dank für die guten Worte! Aber fürchtet nichts, ich bin nicht so zag, daß der erste beste Windstoß mich zurückführen könnte ins warme Heim.«

      »Ei wie tapfer, Heideröslein.«

      »Tapfer?« sagte sie lächelnd, »nun, ich bin ja meines Vaters Tochter! ›Nulla me terrent‹ ist der Wahlspruch unseres Wappens. Nein, nein, gewöhnliche Widerwärtigkeiten des Lebens werden mich nicht verscheuchen – es müßte etwas sehr, sehr Ernstes sein.«

      »Wenn mein Kranz verblüht,

       Wenn mein Herz gebrochen,

       Dann hab' ich Wiederkehr versprochen,«

      zitierte Frau von Hochfelden leise und setzte schnell hinzu: »Nun, soll es nur unter dieser Bedingung geschehen, dann mag ich dich niemals wiedersehen, liebes Heideröslein.«

      Indes näherte sich ein Diener der Gartenhalle mit eben angelangten Postsachen. Hochfelden nahm ihm gleich die Zeitung ab und las daraus rasch hintereinander vor.

      »Gesucht werden Bonnen, Kindergärtnerinnen, Kutscher, verheiratet und unbeweibt, Gärtner, Erzieherinnen, Köche, Kammerjungfern, Küchenjungen – das ist nichts für dich, Rose. Alles nichts. Wir müssen dich in die Zeitung rücken lassen: Eine junge Dame von angenehmem Äußeren usw.«

      »Muß das dabei stehen?« fragte Rose verwundert.

      »Hm, ja, ich denke,« sagte Hochfelden und rief dann aus: »Ah, ah, hört, hier steht's mit gesperrter Schrift: »Für eine ältere Dame wird unter vorteilhaften Bedingungen eine Gesellschafterin gesucht, welche neben der Kenntnis der englischen und französischen Sprache auch angenehm vorzulesen versteht. Persönliche Vorstellung bei Frau von Willmer in St. erwünscht.«

      »Das ist was für mich,« rief Rose lebhaft.

      »Willmer – Willmer –,« sagte Hochfelden sinnend, »wo habe ich denn den Namen gehört? Ein Willmer stand bei meinem früheren Regiment, es müßte seine Witwe sein, denn er ist tot. Nun, meinetwegen, Rose, versuche es mal damit.«

      * * *

      Es war zwei Tage später; der Ort der Handlung ist eine kleine, aber elegante Wohnung der schönen Residenzstadt St« zwar nicht prunkvoll, doch hübsch eingerichtet, und die wenigen, aber wertvollen Stiche und Gemälde an den Wänden, sowie die reichen Topfgewächse auf eleganten Blumentischen machen sie ausgesucht behaglich.

      Die Inhaberin dieses angenehmen Heims war Frau von Willmer. Ihr Taufschein gab ihr dreißig Lebensjahre, aber ihr Aussehen ließ höchstens auf fünfundzwanzig schließen, – eine schlanke, große Gestalt, ein blasses, regelmäßiges Gesicht, von glattem, tiefschwarzem Haar umrahmt, tiefdunkle Augen, sanft und madonnenhaft, das war der erste Eindruck ihrer Erscheinung. Um den etwas zu schmalen Mund fliegt mitunter ein hochmütiger Zug, aber sonst ist alles an ihr wellenförmig, anschmiegend und sanft. Seit drei oder vier Jahren Witwe, lebte Frau von Willmer in St. und gern versammelte sie die bedeutendsten Künstler, Gelehrten und Diplomaten um sich.

      Man kam gern zu ihrem Empfangsabend, denn sie verstand die Kunst, eine liebenswürdige Wirtin zu sein, sie war sogar beliebt bei den Frauen, was viel sagen will, denn unsere lieben Mitschwestern vertragen es schwer, wenn es einem weiblichen Wesen einfällt, für etwas anderes Interesse zu haben als für selbstgestopfte Strümpfe, Küchengeheimnisse und Klagen über Dienstboten. Es war sogar unter den Damen bekannt, daß Frau von Willmer heimlich ästhetische Aufsätze schrieb, die in gelesenen Zeitungen gedruckt wurden – und doch war sie in Frauenkreisen beliebt, also ein noch blaueres Wunder als das andere.

      Eine Frau, die schreibt, ist für andere weibliche Wesen ein Gegenstand mindestens des Mißtrauens; eine, die sich den ganzen Tag putzt, reitet, über alle Hecken setzt, bis zum Wahnsinn tanzt, malt, Flügel spielt, singt, raucht und vielleicht sogar das Cello streicht, ist ein wahrer Engel gegen eine Frau, die schreibt. Man sieht sie von der Seite an, forscht, ob sie Schuhe mit niedergetretenen Absätzen trägt, ob die Nähte ihrer Handschuhe und Kleider geplatzt sind, ob der Mittelfinger ihrer rechten Hand den bedeutungsvollen Tintenfleck zeigt, und trifft dies alles einmal zu, dann zuckt man die Achseln – es ist einmal so und nicht anders. Ist aber ganz das Gegenteil der Fall – dann wehe dir erst recht, armes Opfer!

      Frau von Willmer besaß, wie gesagt, trotz aller Ungewöhnlichkeiten den Vorzug, bei ihren Mitschwestern beliebt zu sein, selbstverständlich mit Vorbehalt, denn in den Kaffeekränzchen, dem Eldorado aller Klatschbasen, behauptete man auch mitunter, Frau von Willmer kleide sich allzu elegant, und die madonnenhafte Sanftmut, in die sie sich hülle, sei auch nur »so so«.

      Olga von Willmer saß in ihrem Wohnzimmer und las. Sie stützte den klassisch kleinen Kopf in ihre weiße, wohlgepflegte Hand, und nur ein kurzer Aufblick verriet hin und wieder, daß sie über das Gelesene nachdachte. Das Buch, das ihre Aufmerksamkeit fesselte, war kein Roman, auch keine ästhetische oder wissenschaftliche Abhandlung – es war einfach ein Kontobuch mit Linien und Ziffern und schien auf mehrere Jahre zurückzuführen; die Posten, Ziffern und Tage waren von Olgas eigener zierlicher und runder Handschrift eingetragen. Sie las langsam Zeile für Zeile dieses zur Unterhaltung wenig geeigneten Buches, und mit der größten Genauigkeit prüfte sie die deutlichen Ziffern. Zuweilen machte sie auch mit einem Stift einzelne Vermerke und war gerade damit beschäftigt, als sich leise die Tür öffnete und ihr Stubenmädchen hereintrat und meldete, daß eine Dame sie zu sprechen wünsche, »von wegen der Anzeige in der Zeitung«. Olga nickte mit dem Kopf und erhob sich.

      Während das Mädchen hinaus ging, schloß Frau von Willmer ihr Buch in ein Fach ihres Schreibtisches und blieb davor so lange stehen, bis ein erneutes Auf- und Zugehen der Zimmertür ihr verriet, daß sie nicht allein sei. Nun wendete sie sich mit einer unbeschreiblich hochmütigen Bewegung des Kopfes um und stand der in Schwarz gekleideten Gestalt eines jungen Mädchens gegenüber – Rose von Fels.

      »Ich komme, um mich für die von Ihnen ausgeschriebene Stelle einer Gesellschafterin anzubieten, gnädige Frau,« begann Rose etwas beklommen, denn Olga musterte sie so von oben herab, daß sie am liebsten wieder umgekehrt wäre.

      »Nicht ich suche eine Gesellschafterin,« sagte Frau von Willmer, »sondern ich bin beauftragt, eine solche für meine Tante, Frau van der Lohe, zu verpflichten. Leider konnte ich keine der bisherigen Bewerberinnen annehmen, ihr Französisch war schlecht und ihr Englisch abscheulich. Sie sprechen beides?«

      »Ja,« entgegnete Rose einfach.

      »Bitte, lesen Sie mir etwas vor,« fuhr Olga fort und reichte Rose das erste beste Buch, das auf dem Tische lag.

      Rose öffnete es, las den Titel und die ersten Sätze der ersten Seite, etwas leise anfangend, aber dann sicherer werdend, bis sie unterbrochen wurde.

      »Gut, recht gut,« sagte Frau von Willmer, »ich möchte nun aber auch Ihr Englisch hören.«

      Rose nahm stumm das ihr dargereichte Lederbändchen entgegen – Longfellows Gedichte, schlug das Buch aufs Geratewohl auf und fand das reizende Gedicht: »The open window«»das sie bis zum Schluß vortragen durfte.

      Olga von Willmer fand es für gut, diesmal ihren Beifall nicht auszusprechen. Sie nickte anerkennend und fragte: »Sie haben jedenfalls Empfehlungen bei sich, Fräulein – wie war doch gleich Ihr Name?«

      »Ich heiße Rose Eckhardt.«

      Sie war mit ihrem Vormund übereingekommen, den Mädchennamen ihrer Mutter anzunehmen.

      »Und was meine Empfehlungen