Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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den freien Ton, das Kokettieren, den ungebundenen Verkehr verwies, da lachte sie ihm ins Gesicht und nannte ihn einen Philister, doch als er ihr die vornehme, ruhige und würdevolle Art und Weise vorstellte, mit der Dolores ihre Einquartierung empfangen hatte und mit ihr verkehrte, da flammte sie plötzlich auf in heller Eifersucht und verbat sich einen Vergleich mit der »Komödiantin« und trieb es nur noch toller wie bisher. Falkner mußte sich gestehen, daß der Charakter der »Satanella,« dem er so unsympathisch gegenüber gestanden hatte, sich nun in seiner Frau entwickelte und unter seinen Augen wuchs, ohne daß er ihm steuern konnte. So stand er unter diesem lauten, lustigen Treiben in seinem Hause allzeit auf dem Posten als liebenswürdiger und aufmerksamer Wirt, aber ernst und unbefriedigt im Herzen die drohende Frage: Was soll das werden? So standen die Dinge in Monrepos, so begann Falkners junge vielbesprochene Ehe.

      ***

      Im Falkenhof war Dolores nach den Hochzeiten der Prinzessinnen wieder eingezogen. Der schöne Besitz war ihr so lieb, so traut, aber sie hätte ihn trotzdem gerne bald verlassen wegen Falkners Nähe und hielt sich doch durch ihre dem Rußschen Ehepaare gegebene Zusicherung, bis zum Herbst zu bleiben, für gebunden durch die Bande der Gastfreundschaft und der Rücksicht auf Falkners Mutter, in welcher sie ihn mit feinem Takt zu ehren gedachte. Daß er sich mit seiner Frau nur in den seltensten Fällen im Falkenhofe sehen ließ, dankte sie ihm von Herzen und verstand es voll und ganz, und so lebte sie hin in der schönen Einsamkeit dieser Sommertage, ganz versenkt in ihre Musikstudien, in ihre Träumereien, welche ihr manch stimmungsvolles Lied, manche wehmütige Weise in den Griffel diktierten. Und da sie ihre Gastfreundschaft nach englischem Muster übte, das heißt ihren Gästen die persönliche Freiheit gewährte und sie nicht in ein geselliges Joch spannte, so war sie am Tage meistens allein und nur zur Dinerzeit mit Doktor Ruß und seiner Frau zusammen. Die beginnende Manöverzeit überraschte sie und störte sie widerwillig auf aus ihrer Zurückgezogenheit, denn sie hatte gar nicht daran gedacht, daß sie Einquartierung bekommen könnte, ungewohnt dieses Zustandes des »Kriegs im Frieden,« den sie im Auslande nicht kennen gelernt hatte. Und als zum erstenmal ein Quartiermacher vor ihr stand, seinen Zettel in der Hand, verstaubt, hungrig und wild aussehend, da bedauerte sie schmerzlich, daß sie nicht dennoch fortgereist war. Aber die Bildung des deutschen Offiziers und die Bescheidenheit und Gutmütigkeit der Leute machten ihr die gefürchtete Sache doch leichter, als sie gedacht hatte. Sie nahm die ungebetenen Gäste mit allem Komfort auf, erschien selbst als Wirtin präsidierend an der allgemeinen Mittagstafel, plauderte wohl noch ein Stündchen mit auf der Terrasse und zog sich dann zurück, es den Herren völlig freistellend, zu bleiben oder ihre eigenen Zimmer aufzusuchen.

      Als dann die Husaren auf drei Wochen eingezogen und der Stab, sowie die Offiziere von drei Schwadronen in den Falkenhof gelegt wurden, da ward es fast noch gemütlicher als bei dem ewigen Kommen und Gehen, und sie saß wohl abends nach dem Diner noch ein wenig länger mit Herrn und Frau Ruß in dem angenehmen Kreise der verheirateten Offiziere, während die Junggesellen nach dem »Gesegnete Mahlzeit« meist hinübergingen nach Monrepos, nachdem sie entdeckt, daß Dolores ein Bild ohne Gnade sei und mit einem Kokettieren pour passer le temps hier nicht zu reüssieren war. Wohl entflammten sich ein paar leicht entzündliche Herzen an ihrer unleugbaren Schönheit, aber es wurde von ihrer Seite auf diese Herzensflammen so gar kein Öl gegossen, worauf das Strohfeuer knisternd erlosch und sich drüben in Monrepos neu entzündete. Und es kamen auch Söhne des Mars, welchen die Manichäer hart auf den Sohlen saßen und welche Dolores für eine »verflucht gute Partie« erklärten und besiegen wollten, aber leider merkte sie die Absicht und wurde verstimmt, und als wirklich jemand ein ernstes Werben um sie zeigte, da war die Manöverzeit fast vorüber und Dolores mußte schweren Herzens einen Korb flechten und ihn vergolden, so gut es ging, trotzdem ihr sein Empfänger leid that und ganz leidlich gefiel. Aber aus Mitleid ist nicht gut heiraten und das bloße Ganz-gut-gefallen thut's auch noch nicht.

      Jedenfalls aber hätte selbst die böseste Zunge dieser jungen Schloßherrin in ihrem Benehmen gegen die Einquartierung auf dem Falkenhofe nicht den leisesten Vorwurf machen können.

      Denn eine Würde, eine Hoheit

       Entfernte die Vertraulichkeit.

      Mit Doktor Ruß stand sie nach wie vor auf einem angenehmen Konversationsfuße und sie warf es Engels oft vor, daß er den belesenen, klugen Mann falsch beurteile, denn was dieser ihm nachsagte – Eigennutz und Falschheit – das glaubte sie ganz und gar nicht in ihm zu finden, je näher sie ihn kennen lernte, obgleich ihr manchmal der Gedanke kam: »Meint er es ehrlich?« – Doch sie glaubte diese Frage nicht verneinen zu dürfen – hatte er ihr doch noch keinen Beweis vom Gegenteil gegeben! Dagegen war sie überzeugt, daß Frau Ruß es nicht gut mit ihr meine. An die kurze, absprechende Art derselben hätte sie sich mit der Zeit gewöhnt, aber der kalte, musternde, scharfe Blick dieser hellen Fischaugen, welchen sie oft auf sich ruhen fühlte, verursachte ihr ein Unbehagen, das sie sich gar nicht erklären konnte, dessen Vorempfindung schon so stark in ihr war, daß sie sich oft unter einem Vorwande der Gesellschaft dieser unliebenswürdigen und seltsamen Frau entzog und es gar nicht mehr versuchte, Zuneigung zu erringen. Ihr erschien es eine Sisyphusarbeit, das Vertrauen der Frau Ruß zu gewinnen, denn jedes freundliche und entgegenkommende Wort prallte ab an dem schroffen Felsen dieses unzugänglichen Frauenherzens.

      Dieses Zurückweisen ihrer selbst betrübte Dolores mehr, als es sie verletzte, denn Frau Ruß war ihr nicht sympathisch, aber sie hätte ihr gern Liebe erwiesen um ihres Sohnes willen. Mehr noch aber als das verursachten ihr die Nachrichten aus Monrepos thatsächlich Qual, denn die Berichte von dem rastlos tollen Treiben der jungen Frau, und ein gelegentlich aufgefangener müder, doch angstvoller und dann wieder drohender Blick Falkners erzählten ihr von einem traurigen Beginn dieser Ehe, die nichts Gutes verhieß. – –

      Es war am Tage vor dem Einrücken der Husaren im Falkenhof. Dolores war am Nachmittage bei Engels in dessen Turmwohnung erschienen, nach langer Zeit zum erstenmal wieder, stürmisch begrüßt vom Teckel Knieper und der Katze Ida.

      »Daraus sieht man, wie lange Sie nicht hier waren,« meinte Engels, als Knieper sein Freudengebell etwas gemäßigt und Ida sich auf dem Schoß von Dolores niedergelassen hatte.

      »Ja, ja, Sie haben ganz recht mit Ihrem Vorwurf,« erwiderte sie, »aber es ist so manches andere auch noch anders geworden.« – Und sie seufzte.

      »Das weiß der Kuckuck!« bestätigte Engels. »Besonders Sie selbst sind anders geworden.«

      »Hoffentlich zum besseren,« sagte sie mit schwachem Lächeln.

      »Kommt auf die Anschauung an,« meinte Engels. »Mir waren Sie früher lieber – sprühend vor Lebenslust und Laune, die ganze liebe, warme, leuchtende Gottessonne im Herzen, im Blick – – das bißchen ›Teufelin,‹ das Sie darein mischten, kleidete Ihnen gut, sehr gut. Heut' – du lieber Gott! Heut' sind Sie eine Frau, der das Leben irgend etwas Schweres angethan zu haben scheint, und was von Ihrem alten, sonnigen Wesen geblieben ist, das leuchtet nur noch schwach, wie die Abendsonne. Was ist Ihnen eingefallen, daß Sie vom Morgenrot zur Abendsonne übergesprungen sind? Es giebt im Leben doch auch noch einen Mittag und einen Nachmittag! Da haben Sie die Wahrheit!« –

      »Ja, aber sie stimmt nicht ganz,« entgegnete Dolores. »Wer sagt Ihnen, daß es wirklich nur noch Abendsonnenglanz ist, was Sie aus mir leuchten sehen? Es giebt Tage, an denen die Sonne um Mittag so schwach und nichtssagend leuchtet, als stände sie schon tief im Westen. Und wenn es Abend wäre – – es wäre das beste, denn dann kommt die Nacht, und in der Nacht ist Ruhe und Schlaf –

      Bis zum jüngsten Tag

       Soll mich kein Hahnenschrei wecken,

      sagte Irrgang, als er sich in den Schnee schlafen legte.«

      »Gott erbarm' sich!« sagte Engels erschrocken und aus tiefstem Herzensgrunde heraus, und als Dolores schwieg, stand er auf und trat dicht an sie heran, beugte sich tief zu ihr herab und flüsterte:

      »Der Kerl drüben, der Ruß, hat über Ihren Unfall am Hexenloch eine Andeutung, ein Wort eigentlich bloß fallen lassen, das man sich hätte deuten können, als ob Sie selbst – – Sie verstehen mich. Ich hab's aber nicht glauben wollen, Fräulein Dolores – und es ist auch nicht wahr, nein?«

      »Nein!«