Dolores, welche ein Gespräch mit Falkner fürchtete und erhoffte, sah sich getäuscht, denn er fand oder suchte keine Gelegenheit mit ihr zu sprechen.
Auch am anderen, dem Hochzeitstage, wechselten sie nur wenige Worte. Das war nach der Trauung in der Schloßkapelle, deren Altar Ihre Durchlaucht die Prinzeß Eleonore von Nordland hoch erhobenen Hauptes, die Augen zwar nicht feucht vor innerer Bewegung über den Ernst des Augenblickes, sondern sehr munter leuchtend und lachend als Freifrau von Falkner verließ. Das Brautpaar nahm in einem Salon, bevor das Frühstück serviert wurde, die Glückwünsche der wenigen Anwesenden entgegen, und so mußte auch Dolores sich bezwingen, beiden ein Glück zu wünschen, das ihr nicht vergönnt war. Sie trat auf die kleine, reizende, spitzenumrieselte, atlasumrauschte Braut zu und reichte ihr die Hand.
»Glück auf, Cousine,« sagte sie. »Hie guet Falkner alleweg! Und,« setzte sie hinzu, ein Etui aus der Tasche ziehend, »was ich der Prinzeß von Nordland wohl kaum bieten durfte – die Verwandte bitte ich's freundlich anzunehmen.«
Die junge Frau nahm lächelnd das blaue Samtetui entgegen und öffnete es – da funkelte, leuchtete und blitzte auf weißem Kissen eine Brosche von Brillanten in Form einer graziös geschlungenen Schleife, welche eine Kaiserin geschmückt hätte, so groß waren die Steine, so rein ihr Wasser, so mächtig ihr Feuer, so reizend die Form der Fassung und so wahrhaft fürstlich die Größe des nach einer »Rokoko-Corsage« modellierten Schmuckes. Lolo Falkner stieß einen Schrei der Bewunderung aus, das verwöhnte Fürstenkind war geblendet. In ihrer stürmischen Art fiel sie der Geberin freudestrahlend um den Hals.
»Nein, wie reizend von Ihnen – von dir! Wir nennen uns doch jetzt ›du,‹ nicht wahr? Ich hab' es ja aber immer gesagt, du bist eine famose, urnette Rübe, Dolores! Nein, diese Diamanten! Selbstgewachsene, was?«
»Wenigstens bei mir in Brasilien teilweise selbstgefunden,« erwiderte Dolores amüsiert, als die weichen, zarten Arme sie freigaben und der kleine rosige Mund einen Moment still stand. Und während die Braut mit ihrem Schatz zu den anderen flog, um ihn zu zeigen und ihn bewundern zu lassen, stand Dolores neben Falkner, stumm, nach dem Worte suchend, das sie ihm sagen sollte.
»Ich wollte, ich hätte am heutigen Tage auch ein gutes Wort von dir mit auf den Weg nehmen können,« sprach er endlich leise.
Da sah sie auf zu ihm mit ihrem klaren, reinen Blick und reichte ihm die Hand.
»Ein Wort, Alfred?« wiederholte sie. »O, ein ganzes, langes Gebet für dein Glück, das hat Gott gehört!«
»Ich danke dir,« sagte er mit einem tiefen Atemzuge, »das wiegt den Wert deiner Gabe für meine – meine Frau so reichlich auf, weil es unschätzbar ist.«
Das waren die einzigen Worte, welche sie wechselten, denn nach dem Hochzeitsfrühstück reiste das junge Paar sogleich ab.
Prinzeß Alexandra wollte nichts von einer sofortigen Heimkehr Dolores' nach dem Falkenhofe wissen und behielt sie in Nordland zurück bis zu ihrer eigenen Vermählung, welche zehn Tage später mit großem Pomp und der ganzen Entwicklung fürstlicher Etikette stattfand. Als das Jawort am Altar gesprochen war, trat Dolores an die Seite der fürstlichen Braut, welche wunderschön, weil ganz verklärt, aussah, denn in ihrem Patent war sie zur Palastdame der Großherzogin Alexandra ernannt und übernahm mit dem Augenblicke des Ringwechsels auch alle Funktionen ihres Amtes. Daß aller Blicke sich dabei, wie vorher auch, auf sie richteten, war natürlich vermöge ihrer außergewöhnlich schönen Erscheinung, welche heute, umrauscht von der weißen, golddurchwirkten Courschleppe, zur vollsten Geltung kam, und was das on dit dabei von ihrem Reichtum, ihren Talenten und ihrer kurzen, siegreichen Künstlerlaufbahn sagte, glich schon einem ganzen Roman, da Frau Fama den Mund dabei recht voll nahm, und die gewohnheitsmäßigen bösen Zungen, welche natürlich »Allerlei« wußten, wurden einfach überstimmt und mußten sich auf eine günstigere Gelegenheit vertrösten, wo sie ihren Tropfen Gift loswerden konnten, der, wenn er auch »leider« keine Aussicht hatte, den moralischen Tod der Begeiferten zu verursachen, doch mindestens einen Flecken oder eine Narbe hinterlassen mußte. Ja, ja –
Die Disteln und die Dornen, die stechen gar sehr,
Die falschen, falschen Zungen aber viel, viel mehr! –
Jedenfalls war die demonstrative Freundschaft der nunmehrigen Großherzogin für die junge, interessante Erbherrin vom Falkenhof ein Schild, daran viele der giftigen Pfeile abprallten, denn die Welt verträgt es nun einmal nicht, wenn Schönheit, Reichtum und Genie sich in einer Person, besonders einer weiblichen, vereinen. Und es waren auch vielleicht einige darunter, welche sich einer sehr festen, entschiedenen und unzweideutigen Ablehnung ihrer Huldigungen aus der Zeit erinnerten, da Dolores als Doña Falconieros die Satanella sang – – nun war die Gelegenheit vielleicht gekommen, Rache zu nehmen für diese Abweisungen beleidigender Huldigungen, denen eine schutzlose Frau so leicht ausgesetzt ist. Aber wie gesagt, die Stimmen der Verleumdung und hämischer, vieldeutiger Worte verhallten in dem Chor der Bewunderung für die »Brasilianerin,« deren natürliche, ungemachte Würde, deren reiner, stolzer Blick ihrem Siege auf dem glatten Parkett des Hofes einen sehr soliden Hintergrund verlieh, durch das »noli me tangere,« welches daraus sprach.
Der Hochzeit wohnte natürlich auch der Freiherr von Falkner mit seiner jungen Frau bei, welche in Rosa mit Silber, die Brillantschleife von Dolores an der Brust, rosa Federn und Brillantsterne im Haar, einen Watteau entzückt hätte durch ihre jugendfrischen Reize, welche sie einem Figürchen von Sèvresbiskuit ähnlich machte, und deren sie sich auch voll bewußt war.
Das sah Falkner, und er sah sie auch mit ihrer Jugendschöne kokettieren. Sein Blick suchte unwillkürlich Dolores, auf welche er einst, befangen von Vorurteilen, als auf eine »Komödiantin« verächtlich herabsehen zu müssen geglaubt und deren von jeder Gefallsucht freies, natürliches Auftreten er nicht nur bemerken und anerkennen, sondern auch bewundern mußte. Da war nicht ein Hauch von Koketterie in ihrem Wesen und war es auch auf der Bühne nicht gewesen, weil es ihrem Charakter fern lag, weil ihr Stolz sich dagegen sträubte, die Bewunderung der Welt durch künstliches Hervorheben und Aufmerksammachen auf ihre Schönheit zu provozieren, aber sie war sich auch bewußt, daß ihre Schönheit siegend war ohne diese Mittel und durch das Unbewußte, Keusche, mit dem sie sich gab. Aber der Blick, mit welchem er hinübersah nach ihr, wie sie im weißen Spitzenkleide, die schimmernde, golddurchwirkte Courschleppe zu ihren Füßen, um den wunderschönen, alabasterweißen Hals eine einzige, schlichte Rivière von Diamanten, einen Halbmond von Diamanten im leuchtenden, wie poliertes Kupfer glänzenden, hochaufgesteckten Haar, am Altar stand neben der knieenden Gestalt der hohen Braut, dieser Blick wurde aufgefangen von der jungen Freifrau und erweckte sofort ein heißes Gefühl von Eifersucht in ihrem jungen Herzen. Und als dann die Trauung vorbei war und alles zur Cour sich begab, da trat sie dicht an ihn heran.
»Du!« sagte sie mit halbem Lachen, aber dem Weinen doch näher, »du, ich sage dir, kokettiere nicht mit der schönen Cousine – c'est défendu!«
»Das weiß ich, kleine Weisheit,« erwiderte er freundlich, »aber selbst wenn ich wollte – zum Kokettieren gehören meistens zwei!«
»Ja, ist wahr, du bist ihr riesig gleichgültig,« lachte Lolo Falkner nun wirklich. »Natürlich schmeichelt das deiner Eitelkeit nicht, denn ihr Männer seid doch nun einmal reichlich so eitel wie wir!«
»Auch wie du?« fragte er, auf ihren Ton eingehend.
»O, viel eitler,« protestierte sie. »Aber,« setzte sie flüsternd hinzu, alle Dämonen der Schelmerei und Schadenfreude in den lachenden Augen, »aber, wenn du's etwa nicht glauben willst, wie entsetzlich gleichgültig du ihr bist, so will ich dir ein Geheimnis verraten. Ich habe mir nämlich damals in Monrepos eingebildet, daß du Dolores wegen dem Testament des buckligen Freiherrn heiraten würdest, und habe sie deswegen interpelliert.«
»O, Lolo!« seufzte Falkner auf seinen taktlosen kleinen Tollkopf von Frau herab.
»Ja, da hat sie dich mir mit einer Bereitwilligkeit abgetreten, welche stupend war, sage ich dir. Ergo – du bist ihr ganz Wurscht!« –
Und mit dieser neuesten Errungenschaft