Ritter oder Dame (Historischer Roman - Zeitalter der Aufklärung). Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237432
Скачать книгу
sehr oft,« erwiederte Louise, welche nicht vermochte, ihrer.Verlegenheit Herrin zu werden, — »der Dienst nimmt ihn viel in Anspruch, er ist ein Jugendbekannter von mir, — meine Tante will ihm wohl, — wir plaudern oft von unserer Kindheit.«

      »Er hat einen etwas vertraulichen Ton gegen Sie,« sagte Richelieu mit einer gewissen gutmüthig wohlwollenden Miene, die er vortrefflich anzunehmen verstand, — »Sie müssen das vermeiden, man könnte das übel deuten, — Sie sind keine Kinder mehr.«

      »Mein Gott, Herr Herzog,« rief Louise, — »wie kann man es übel deuten, wenn ich mit einem Freunde meiner Tante plaudere und wenn wir uns zusammen unserer Kindheit erinnern?«

      »Es ist gewiß sehr schön und gut,« sagte Richelieu lächelnd, «wenn man seine Jugendfreunde liebt, — aber es verändert ein wenig die Sachlage, mein Fräulein, wenn diese Jugendfreunde große und schöne junge Männer und Fähnriche bei den grauen Musketieren Seiner Majestät sind, — eine junge Dame Ihrer Stellung muß immer an ihre Zukunft, an ihr Glück denken und ihre Kindererinnerungen vergessen.«

      Louise blickte sich scheu um und sagte, bittend die Hände gegen den Herzog erhebend:

      »O Herr Herzog, — sprechen Sie so nicht zu. meiner Tante, — sie könnte dem armen Gaston verbieten, wiederzukommen, und das würde mich, — — das würde ihn,« verbesserte sie sich schnell, — »sehr traurig machen.«

      »Sein Sie unbesorgt, mein Fräulein,« erwiederte Richelieu treuherzig, — »ich gehöre nicht zu den indiskreten Leuten, ich habe Ihnen nur den Rath eines erfahrenen Mannes gegeben, — haben Sie stets Vertrauen zu mir, — unter meiner Führung werden Sie sicher über das.glatte Parket dieses Hofes dahinschreiten.«

      Das mit niedergeschlagenen Augen vor ihm stehende Mädchen sah den triumphirenden Blick nicht, den er auf ihr ruhen ließ, — es schien, als sei er glücklich, dieses kleine Geheimniß entdeckt zu haben, er war der Mann, um den Faden eines solchen Geheimnisses zu einem unauflöslichen Knoten zu verschlingen, wenn er einen seiner verborgenen Zwecke, dadurch zu erreichen hoffen konnte.

      Lakaien schlugen die Thürvorhänge auseinander, die Herzogin trat ein. Sie war gebeugt vom Alter, aber noch kräftig und energisch in ihren Bewegungen. Ihre welken Züge waren regelmäßig und zeigten noch die Spuren früherer Schönheit, der durch den weißgepuderten Kopfputz gehobene Glanz ihrer dunklen Augen berührte fast unheimlich, da diese Augen so stechend und durchbohrend blickten, als wollten sie die tiefsten Gedanken Desjenigen durchdringen, auf den sie sich richteten. Sie war ganz in schwarze Seide gekleidet, in der Hand trug sie einen Rosenkranz und ein Gebetbuch und blickte bei ihrem Eintreten etwas erstaunt auf den Herzog, der nicht zu den häufigen Besuchern ihres Hauses gehörte.

      Richelieu ging ihr mit der unbefangensten Miene von der Welt entgegen und küßte ihr galant die Hand, während Louise ihr die Mantille und das Gebetbuch abnahm.

      »Ich habe Sie erwartet, Frau Herzogin,« sagte er, »um Ihnen meine Huldigung darzubringen und mich in Ihre wohlwollende Erinnerung zu rufen.«

      Die Herzogin erwiederte seine Begrüßung mit einer leichten Neigung des Kopfes in ziemlich kühler Weise und ließ sich in einen Fauteuil nieder.

      »Geh' auf Dein Zimmer, mein Kind,« sagte sie zu Louise, »und lies in dem Erbauungsbuche, das ich Dir gegeben, — ich hoffe. Du hast die innere Sammlung wieder gefunden, welche Dir heute früh fehlte.«

      »Ich fand Fräulein von Beaumont,« bemerkte Richelieu mit seinem treuherzigsten Ton, während zugleich ein flüchtiger, boshafter Seitenblick zu dem jungen Mädchen hinüberflog, — »in tiefen, frommen und ernsten Betrachtungen, und fühlte mich verpflichtet, sie darauf aufmerksam zu machen, daß eine junge Dame sich nicht zu sehr von den Gedanken an die Welt entfremden müsse, — sie hat noch länger Zeit, sich mit dem Himmel zu versöhnen, als wir,« fügte er seufzend hinzu, »die wir allmälig alt werden, — ich meine mich, Frau Herzogin,« verbesserte er sich schnell, als die Herzogin ihm einen strengen Blick zuwarf.

      Louise erröthete und machte dem boshaften Marschall, während sie sich entfernte, hinter dem Rücken ihrer Tante ein bittendes Zeichen.

      »Ein junges Mädchen kann nie zu viel an den Himmel denken,« sagte die Herzogin salbungsvoll, — »die Jugend verfliegt so schnell —«

      »Das weiß sie am besten,« flüsterte Richelieu, während er durch eine jener anmuthigen Verbeugungen, deren Geheimniß er vor Allen besaß und welche die heutige Gesellschaft nicht mehr kennt, sich von Fräulein von Beaumont verabschiedete, die sich in die inneren Gemächer zurückzog.

      Richelieu und die Herzogin blieben allein.

      Drittes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Richelieu zog ein Tabouret heran, setzte sich neben die Herzogin und nahm den Ausdruck einer gewissen frommen Zerknirschung an.

      »Sie waren in der Messe, Herzogin,« sagte er, — »hoffentlich haben Sie auch für mich gebetet?«

      »Spotten Sie nicht,« erwiederte die Herzogin streng und kalt, — »ich bete für alle Verirrten, die auf den rechten Weg zurückkehren wollen, — ob Sie zu diesen gehören, das müssen Sie selbst am besten wissen.«

      »Ich spotte nicht, Herzogin,« sprach Richelieu seufzend, — »je älter ich werde, um so mehr denke ich über den rechten Weg nach, von dem ich mich leider so lange ferne gehalten, — ich bin nicht mehr leichtsinnig, — ich denke an den Staat, — an das Wohl Frankreichs, — und ich denke an die Kirche,« fügte er mit einem listigen Seitenblick hinzu, — »von der das Alles abhängt —«

      »Sie denken an die Kirche?« fiel die Herzogin erstaunt und spöttisch ein.

      »Ja, Herzogin, oft und ernsthaft,« sagte Richelieu, — »und ich glaube in diesem Augenblick der Kirche und damit Frankreich einen großen Dienst leisten zu können.«

      Die Herzogin schüttelte den Kopf und zuckte schweigend die Achseln, — sie schien wenig Werth auf die Dienste zu legen, welche der skeptische und frivole Marschall der Kirche leisten könnte und möchte.

      »Ein Mann meines Namens,« fuhr Richelieu ruhig fort, indem er die Herzogin von der Seite beobachtete, »darf nicht den leichten Genüssen der Welt allein leben, — ich habe lange nachgedacht und gefunden, daß Frankreich auf dem Weg ist, in das Verderben zu stürzen, — im Innern unterwühlt der Unglaube den Staat und die Gesellschaft — und nach Außen ist unsere Macht tief erniedrigt, — dieser Choiseuil —«

      »Choiseuil?« rief die Herzogin plötzlich aufmerksam, — »was ist's mit Choiseuil?«

      »Dieser Choiseuil,« fuhr Richelieu fort, — »diese Kreatur der Pompadour —«

      »Die, wie ich glaube, Ihre Freundin war,« fiel die Herzogin spöttisch und bitter ein, — »oder es noch ist —«

      »War, Herzogin, — war!« rief Richelieu betheuernd, — »seit ich erkannt habe, wohin sie Frankreich führt, kann sie meine Freundin nicht mehr sein! Was wollen Sie, — ich habe mich gut mit ihr gestellt, — ich wollte ein Kommando, — ich wollte wenigstens die alte Ehre der französischen Waffen retten, — und ich habe dazu wenigstens gethan, was möglich war, — aber vergessen Sie nicht, Herzogin,« sagte er mit selbstbewußter Würde, die er, wenn er wollte, in imponirender Weise hervorzukehren verstand, — »vergessen Sie nicht, daß ich der Erbe des großen Kardinals bin, der die gebietende Größe Frankreichs auf der Macht der Kirche erbaute —«

      »Also Choiseuil,« unterbrach ihn die Herzogin ungeduldig, — »Sie sprachen von Choiseuil.«

      Richelieu beugte sich zur Herzogin hinüber und sagte leise: »Choiseuil muß gestürzt werden!«

      »Ist das Ihr Ernst?« fragte die Herzogin lebhaft, indem sie ihre durchdringenden Blicke auf das Gesicht des Marschalls heftete.

      »Mein Ernst! — auf mein