Ritter oder Dame (Historischer Roman - Zeitalter der Aufklärung). Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237432
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sagte die Herzogin zögernd, — »seit Choiseuil dort herrscht —«

      »Bald wird er verschwunden sein,« rief Richelieu zuversichtlich, »und wir, — wir, Herzogin, werden diesen Hof von Frankreich beherrschen! Erscheinen Sie heute bei dem Empfang des Königs mit Ihrer Nichte, — und lassen Sie mich für alles Uebrige sorgen.«

      »Ich werde dort diese Marquise, diesen Choiseuil sehen müssen,« rief die Herzogin, — »übermüthig auf ihrer Höhe —«

      »Von der wir sie bald herabstürzen werden,« fiel Richelieu ein, — »zum Heile Frankreichs, — zum Heil der Kirche!«

      »Ich werde kommen, wenn mein Beichtvater zustimmt,« sagte die Herzogin.

      »Der Pater Desmarets erwartet die Frau Herzogin in ihrem Kabinet,« meldete ein Lakai, durch die Galerie eintretend.

      »Er kommt zur rechten Stunde,« sprach Richelieu, indem er der Herzogin die Hand reichte und sie zu der Thür nach den inneren Gemächern führte, — »ich gehe, um das Wenige zu thun, denn ich bin sicher, daß er mein dem Himmel wohlgefälliges Werk billigen wird.«

      Er küßte der Herzogin mit tiefer Verbeugung die Hand.

      »Sehen Sie sich vor, Herr von Choiseuil,« sprach er dann triumphirend, »ich halte eine Karte in der Hand, die Ihr Spiel verderben wird, Ihr Bündniß mit dem wiener Hof wird erst geschlossen werden, wenn Richelieu's Hand es knüpft, — Sie wollen mich nicht zum Botschafter machen, — gut — so muß ich mich denn entschließen, Minister zu werden.«

      Und ganz stolz, ganz strahlend eilte er mit der Elastizität eines Jünglings durch die Galerie und stieg in seine vergoldete Karrosse mit den ungeduldig scharrenden Pferden, indem er den am Schlage stehenden Lakaien befahl, zum Könige fahren zu lassen.

      Die Herzogin fand in ihrem Kabinet, in welchem neben vielen sehr weltlichen Dingen ein großes Betpult von Ebenholz aufgestellt war, den Pater Desmarets, eines der eifrigsten Mitglieder jener mächtigen Gesellschaft, welche sich die Soldaten des Heilands nennen, und einer der bittersten Feinde des Ministers und der Marquise von Pompadour. Der Pater Desmarets war ein noch junger, geschmeidig und schlank gewachsener Mann, mit einem sanften und regelmäßig schönen Gesicht, welcher als Beichtvater bei den jungen und besonders bei den alten Damen des Hofes sehr beliebt war. Mit sanftem Lächeln, die großen dunklen Augen, deren Blicke nur selten in durchdringender Schärfe aufleuchteten, bescheiden zu Boden gesenkt, begrüßte er die Herzogin, welche in ihrer heftigen Erregung die fromme, demüthige Miene, die sie sonst zu zeigen pflegte, nicht festzuhalten vermochte.

      Sie theilte ohne Umschweife dem Pater ihre Unterhaltung mit dem Herzog von Richelieu mit, und fragte ihn, ob sie, ohne ihr Gewissen mit einer schweren Schuld zu belasten, auf dessen Pläne eingehen könne.

      Der Pater hörte ihr ruhig, die weißen, wohlgepflegten Hände über der Brust, gefaltet, zu.

      »Es ist freilich,« sagte er, als sie geendet und erwartungsvoll auf seine Antwort lauschte, — »es ist freilich nach den Regeln der einfachen bürgerlichen Moral eine Sünde, was Ihre Nichte nach dem Plane des Herzogs von Richelieu thun soll, aber,« fuhr er, mit dem scharfen Blick seines schnell aufgeschlagenen Auges die Herzogin fixirend, fort, »wo das Wohl vieler Tausende, das Heil des Staates, die heiligen Rechte der Kirche in Frage kommen, da muß man von anderen, höheren Gesichtspunkten aus urtheilen, und was unter den gewöhnlichen, kleinen Verhältnissen des Lebens Sünde wäre, kann unter solchen Umständen zum hohen Verdienste werden. Denn keine That ist an sich gut oder böse; um sie zu beurtheilen, kommt es auf den Zweck und die Absicht derselben an und auf den Glauben, in welchem sie vollbracht wird, und eine That, die in gutem Glauben zu gutem Zwecke gethan wird, kann hoch verdienstlich sein, auch wenn ihre Ausführung unmittelbar gegen die Gesetze des Staats oder die Vorschriften der gewöhnlichen Moral verstößt.«

      Die Herzogin sann einen Augenblick nach.

      »Doch,« sagte sie dann, »Sie selbst haben darauf gedrungen, daß meine Nichte den Schleier nehme, damit sie, als meine einzige Erbin, niemals in die Lage käme, mein Vermögen zu reklamiren und mir dadurch das Verdienst zu rauben, daß ich mein irdisches Gut dem Dienste der Kirche geweiht, — ein Verdienst,« fügte sie mit leichtem Schauder hinzu, »das meiner Seele dereinst viele Qualen des Fegefeuers ersparen könnte.«

      »Seien Sie ganz unbesorgt,« erwiederte der Pater Desmarets ohne Zögern, — »wenn Ihre Nichte an den Stufen des Thrones steht, so wird sie des irdischen Gutes genug haben und kaum ihre Erbschaftsrechte geltend machen, — sollte es aber doch der Fall sein, so wird der Dienst, den sie dem Himmel leistet, indem sie den Geist des Königs im Sinne der heiligen Kirche lenkt und leitet, größer sein, als der Vortheil, den jenes irdische Gut uns bringen könnte, — Ihr Verdienst aber, Frau Herzogin, wird dasselbe bleiben, denn der Himmel lohnt die Absicht, auch wenn ihre Ausführung verhindert wird, und meine und meiner Brüder Gebete werden um so inbrünstiger emporsteigen, um Ihre Seele schmerzlos durch die reinigenden Flammen zur ewigen Glückseligkeit hindurchzuführen.«

      Die Herzogin athmete erleichtert auf.

      »Gut,« sagte sie, »wenn Sie, ein so würdiger und erleuchteter Diener der Kirche, mich darüber beruhigen, und wenn ich das künftige Heil meiner Seele nicht gefährde, so werde ich das Meinige thun und Gott bitten, daß er das schwache Werkzeug stärke, welches zu so großer Sache berufen ist.«

      »Und ich,« sagte der Pater Desmarets, »eile, meinen würdigen Bruder, den Pater Linière, zu benachrichtigen, daß der Plan, den er bereits gebilligt, der Ausführung nahe ist, und ich werde nicht vergessen, auch Ihr Verdienst bei dieser Ausführung ihm zu rühmen, und ihn zu mahnen, daß er auch in seinen Gebeten, die viel wirksamer und Gott wohlgefälliger sind als die meinen, Ihrer täglich gedenke.«

      Er erhob die Hand zum segnenden Zeichen gegen die Herzogin, welche sich demüthig vor ihm neigte.

      Diejenige aber, über deren Schicksal hier die Politische Intrigue unter absolvirender Billigung der frommen Väter Jesu verfügte, — sie hatte keine Ahnung von den Plänen und Beschlüssen, deren Gegenstand sie war, — sie saß in ihrem Zimmer und träumte von ihrem Geliebten, das Gebetbuch, das ihre Tante ihr gegeben, aufgeblättert im Schooß, und als die Herzogin selbst zu ihr hereintrat und ihr befahl, schnell Toilette zu machen, um bei dem Empfange vor dem Meßgange des Königs erscheinen zu können, da jubelte ihr Herz laut auf. Sie sollte inmitten dieses glänzenden Hofes den Freund sehen, der ihre Gedanken erfüllte, und vielleicht würde sich die Gelegenheit finden, den König, der ihr immer so gnädig war, um die Begründung ihres Glückes zu bitten.

      Zitternd vor Ungeduld machte sie ihre Toilette, ohne daß diese Eile dem frischen Reiz ihrer lieblichen Schönheit Eintrag that, und lange schon bevor die Herzogin ihren Wagen befahl, wartete sie in dem Salon, das Herz klopfend vor freudiger, hoffnungsvoller Erregung.

      Viertes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Der kleine Chevalier war in seiner langsam dahinrollenden Miethkutsche von zahlreichen glänzenden Kaleschen mit großen Wappenschildern an den Schlägen überholt worden, welche, von schnaubenden Rassepferden gezogen, von Piqueurs und Stallmeistern begleitet, pfeilschnell auf dem Wege nach Versailles dahinflogen und aus deren Hellen Glasscheiben irgend ein Prinz oder eine Marquise mit flüchtiger Neugier hinüberblickten nach der einfachen Equipage und dem schwarz gekleideten jungen Mann in derselben.

      Aber der Chevalier beneidete heute jene Glücklichen kaum, — mußten sie doch vielleicht unbeachtet unter der Menge bleiben, welche die weiten Vorsäle füllte, während ihm sich heute die Thore zum Allerheiligsten öffnen würden, — er sollte die allmächtige Marquise sehen und von dem gebietenden Minister dem König vorgestellt werden, — ihm war der Weg geöffnet, der so Vielen trotz alles ehrgeizigen Drängens verschlossen blieb, und von dem Eindruck, den er auf diese Personen machen würde, die alle Ehren in Händen hielten, würde sein Schicksal abhängen. Immer und immer wieder stellte er die Worte zusammen, welche er der Marquise sagen wollte und welche er am passendsten auf die Fragen antworten