Ritter oder Dame (Historischer Roman - Zeitalter der Aufklärung). Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237432
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so daß die den Cortège des Ministers anstaunenden Vorübergehenden ganz scheu und verwundert diesen knabenhaften jungen Menschen in der schwarzen Tracht der Advokaten ansahen, den der stolze Choiseuil durch einen so freundschaftlich herablassenden Gruß auszeichnete.

      Als der Chevalier sich von dem ersten Taumel der Freude erholt hatte, eilte er zur Gräfin Rochefort, — jetzt, da der Schutz des ersten Ministers ihm eine glänzende Zukunft eröffnete, durfte er vor ihr erscheinen, er durfte sie einen Blick in sein Herz thun lassen und er sann auf seinem Wege über die Worte nach, durch welche er am zartesten ihr seine sehnsüchtigen Hoffnungen aussprechen wollte.

      Aber zu seinem Schrecken sagte ihm der Concierge des Hotels, daß die Gräfin schon seit zwei Wochen nicht mehr in Paris sei, — sie habe einen Brief aus Versailles erhalten, dann habe sie ihre Juwelen und ihre Garderobe einpacken lassen und sei nach Versailles gefahren, und ihre zurückkehrende Dienerschaft habe den Befehl gebracht, die Zimmer zu schließen, da die Gräfin vorläufig am Hofe bleiben werde.

      Traurig und niedergeschlagen vernahm der Chevalier diese Nachricht. — Bald aber richtete er sich freudig wieder auf, — er sollte ja auch an den Hof, dieß glänzende Ziel der Wünsche aller Edelleute, die eine Carrière, Ansehen und Vermögen suchten, — dort würde er sie sehen, — sie würde ihn erblicken auf der ersten der Stufen, welche zu den Höhen des Glücks führten, und die Träume seiner Liebe würden zugleich mit denjenigen seines Ehrgeizes Erfüllung finden.

      Noch eine Woche hatte er zu warten, — er durchforschte eifrig noch einmal alle politischen Fragen, die er in seinen Broschüren behandelt hatte, und wollte ungeduldig schon verzagen in der auftauchenden Furcht, daß der Herzog ihn vergessen haben könne, als er endlich ein Billet von dem Sekretär des Ministers erhielt, welches ihm befahl, am nächsten Tage sich in Versailles bei der Frau Marquise von Pompadour und dann bei dem Herzog zu melden, der ihn dem Könige bei dem Empfange vor der Messe vorstellen wolle.

      Schon am frühen Morgen des entscheidenden Tages stand der bestellte Miethwagen mit einem Lohnlakai vor dem alten Hause in der Rue des Saints Pères und der Chevalier legte die letzte Hand an seine Toilette unter dem Beistand seiner alten Aufwärterin, welche ganz stolz dem ganzen Hause verkündet hatte, daß der junge Mann, dessen sorgenvolle Miene sie oft mit theilnehmendem Kummer erfüllt hatte, nach Versailles an den Hof fahre.

      Der Chevalier sah reizend aus in dem zierlich eleganten Anzug von schwarzer Seide mit den duftig gepuderten Locken und dem kleinen, an der schlanken Hüfte sich wiegenden Degen, — aber als er vor den Spiegel trat und einen letzten prüfenden Blick in denselben warf, — als er diese kleine so ganz mädchenhafte Gestalt, dieses weiche Kindergesicht sah, da seufzte er tief auf, — er fürchtete, auch dort auf der neuen Bahn, die er betrat, unter den glänzenden Kavalieren des Hofes dem mitleidigen oder boshaften Spott zu begegnen, der ihm bisher sein Leben und Streben verbittert hatte.

      Doch es war nicht Zeit, darüber nachzudenken, muthig mußte er vorwärts in die neue Welt, die sich vor ihm öffnete, — noch einmal drückte er der alten Aufwärterin, die ihn mit bewundernder Zufriedenheit betrachtete, die Hand und eilte dann schnell die Treppe hinab, um, angestaunt von den neugierig gaffenden Ladendienern, in den Wagen zu steigen und in seiner einfachen Equipage den verhängnißvollen Weg nach Versailles einzuschlagen, wo sich neben den lichten Höhen des Ruhmes und der Größe auch die schauerlichen, finsteren Abgründe der Bastille öffneten, wie im alten Rom neben dem Kapitol die Abhänge des tarpejischen Felsens sich mahnend dem kühnen Ehrgeiz zeigten.

      Zweites Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Während der kleine Chevalier in wechselndem Hoffen und Bangen sich für die über seine ganze Zukunft entscheidende Stunde vorbereitete, gingen in jener eigentümlichen Welt von Versailles, deren auf der Oberfläche so helles und lächelndes Bild so viel gährende Leidenschaften und so viel Haß und Neid bedeckte, die zahllosen großen und kleinen Intriguen dieser, aus so großen Namen und meist so kleinen Persönlichkeiten zusammengesetzten Gesellschaft ihren Lauf. Vor Allem waren es zwei große Parteien, welche sich im heftigen Kampf einander gegenüberstanden: die Partei des Herzogs von Choiseuil und der Marquise von Pompadour, zu welcher alle Diejenigen gehörten, welche Wünsche hegten, die von der Macht der Regierung befriedigt werden konnten, alle jungen und lebenslustigen Kavaliere und alle jungen und schönen Damen, — und sodann die Partei der Jesuiten, der sogenannten Frommen, welche in dem Dauphin ihre Stütze fanden, zu welcher alle Diejenigen gehörten, denen die Regierung die Erfüllung ihrer Wünsche versagt hatte, und welcher sich vorzugsweise alle alten frommen Damen anschlossen, denen die Versuchung zu reizenden Verirrungen vom strengen Tugendpfade nicht mehr nahe trat. Diese Partei, zu welcher der Pater Linière vom Orden der Gesellschaft Jesu, der Beichtvater des Königs, als hervorragendes Mitglied zählte, ließ überall laut ihre frommen Verwünschungen gegen die Marquise von Pompadour erschallen und that alles Mögliche, um dem Könige Furcht vor dem Urtheil der Menschen und vor den Strafen des Himmels einzuflößen. Es gelang dieser Partei zwar niemals, die Stellung der klugen, stets aufmerksamen und durch die öffentliche und ihre Privatpolizei gut bedienten Marquise zu erschüttern, ebensowenig wie diejenige des Herzogs von Choiseuil, andererseits waren diese beiden Verbündeten aber auch nicht im Stande, den Einfluß des Paters Linière auf die leicht zu abergläubischer Furcht erregbare Natur des Königs zu brechen, und so trat oft in den öffentlichen Angelegenheiten, in welchen die Interessen der beiden Parteien sich gegenüberstanden, ein Stillstand ein, da keine der andern weichen wollte und keine die andere überwinden konnte, worüber dann die öffentliche Meinung in Broschüren und Quatrains bitter spottete, während der König sich in tiefes Schweigen hüllte, diese große Waffe, mit welcher er Alles, was ihn zu einer unangenehmen und peinlichen Entschließung drängte, von sich abzuhalten pflegte. So war auch jetzt wieder der Kampf sehr lebhaft; der Herzog von Choiseuil wollte ein erneutes festes Bündniß mit Oesterreich abschließen, — die Marquise, welche anfänglich schwankend gewesen, war durch die sarkastischen Bemerkungen Friedrich's des Großen und durch einen Brief, in welchem die stolze Maria Theresia sie »meine Cousine« nannte, mit Entschiedenheit den politischen Ueberzeugungen des Ministers beigetreten, aber der König schwieg und war zu keinem Entschluß zu bewegen. Obgleich die fromme Partei und insbesondere die Patres vom Orden der Gesellschaft Jesu stets die guten Freunde des wiener Hofes waren, so konnte dieß Zögern des Königs doch nur in dem Einfluß des Pater Linière seinen Grund haben, und die Marquise sowohl als Choiseuil gaben sich vergebliche Mühe, diesen Einfluß zu überwinden, für dessen Anwendung gegen die Wünsche des wiener Kabinets sie keinen andern Grund auffinden konnten, als den Wunsch, die Stellung des Ministers durch das Scheitern eines von ihm offen aufgestellten Planes, das ihn vor den europäischen Mächten kompromittiren mußte, zu untergraben.

      Die Verhältnisse am Hofe waren daher in dem Augenblick, in welchem der Chevalier dort erscheinen sollte, sehr gespannt, die Anhänger der Marquise und des Herzogs begannen unruhig zu werden, und der alte Habitué des Hofes, der Herzog von Richelieu, der klassische Repräsentant jener Zeit der Frivolität und der Intrigue, welche noch von einer leichten Vergoldung chevaleresker Form überzogen war, dieser merkwürdige Mann, über den das Alter keine Macht zu haben schien, der zugleich Kammerherr und Marschall, zugleich bis zur Tollkühnheit tapferer Soldat und bis zur Selbsterniedrigung geschmeidiger Höfling war, — selbst er, der sonst mit jeder Partei kokettirte, um mit jeder die Früchte des Sieges theilen zu können, — begann seit Kurzem, sich ziemlich geflissentlich von der Marquise fernzuhalten.

      Zu dem Kreise der bittersten Feindinnen der Marquise und demgemäß des Herzogs von Choiseuil und der Regierung gehörte die Herzogin von Guéménée, jene alte Tante, bei welcher die Cousine des Chevalier d'Éon, das Fräulein Louise von Beaumont, Aufnahme gefunden. Die Herzogin, von welcher alte Kenner des Hofes und seiner Geschichten behaupten wollten, daß sie in ihrer freilich lange verblichenen Jugend ebenso galant als schön gewesen sei, war jetzt ein Muster strenger Frömmigkeit, die Freundin des Paters Linière und die regelmäßige Besucherin aller Messen und aller Andachtsübungen, in welchen sie so viele Verwünschungen auf das Haupt der verhaßten Marquise, mit ihren Gebeten untermischt, dem Himmel übergab, daß wenn nur die Hälfte derselben Erhörung gefunden,