Ritter oder Dame (Historischer Roman - Zeitalter der Aufklärung). Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237432
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sie gewiß nicht gezögert haben, ihn für einen der geistreichsten Kavaliere in Frankreich zu erklären und seinen Talenten die glänzendste Bahn zu öffnen.

      Alle diese Vorübungen seines Geistes und die daraus geschöpfte Sicherheit eines guten Eindrucks hinderten indeß nicht, daß der Chevalier, als er am Eingange zu den inneren Höfen ausgestiegen war und nun durch das die Treppen und Galerieen füllende so glänzende Gewühl von Garden, Schweizern, Lakaien und mehr oder weniger großen Herren, welche aber alle gleich hochmüthig blickten, nach den Gemächern der Marquise hinschritt, zu denen ihm die Huissiers mit vornehm herablassender Gleichgültigkeit den Weg zeigten, dennoch ein sehr starkes Herzklopfen spürte, stärker noch als da er zum ersten Mal als Advokat eine Sache vor dem Parlamente zu verhandeln hatte.

      Sein Muth aber stieg wieder, als der Thürsteher an dem Eingang zu der Wohnung der Marquise, welcher von einer Wolke von Höflingen belagert wurde, bei der Nennung seines Namens einen Blick auf seine Liste warf und ihm mit artiger Verbeugung sagte: »Treten Sie ein, mein Herr, — die Frau Marquise erwartet Sie.«

      Stolz schritt er an den neidisch ihm nachblickenden Höflingen vorbei und trat, von einem der zum Dienst bereit stehenden Lakaien durch den Vorsaal geführt, in den Empfangssalon der Marquise. Dieser Salon, angefüllt mit allen jenen so reizenden und kostbaren Erzeugnissen der Kunst und des Fleißes aller Länder und Zeitalter, wie sie in solcher Auswahl nur eine Dame vereinigen konnte, deren Laune den unumschränkten Gebieter Frankreichs beherrschte, — war noch leer, die Marquise hatte ihr Toilettenzimmer noch nicht verlassen. Der Chevalier war zufrieden, daß er noch einen Augenblick hatte, um sich zu sammeln und noch einmal in seinem Geiste jene zierlichen und geistvollen Wendungen zu wiederholen, welche er für seine Unterhaltung mit der Marquise ersonnen, — da erblickte er in einem der großen venetianischen Spiegel, welche zwischen den kostbaren Gemälden der ersten Meister die Wände schmückten, sein Bild, — er sah diese schmächtige, knabenhafte Gestalt mit dem weichen Kindergesicht — und all' sein Muth, alle seine Hoffnungen sanken nieder, — ein wehmüthiges Lächeln flog über sein Gesicht, dann aber trat er zornig mit dem zierlichen Fuß auf das spiegelglatte Getäfel des Parkets und eine leise Verwünschung dieser unglücklich unscheinbaren Gestalt drang aus seinen Lippen hervor. Doch hatte er nicht Zeit, länger seinen unmuthigen Gedanken zu folgen, — er hörte seitwärts eine Thüre gehen, — das Rauschen eines seidenen Gewandes, — schnell wendete er sich um, die Marquise zu begrüßen, — aber erschrocken und zitternd blieb er stehen, — es war nicht die Marquise, — er sah vor sich Diejenige, deren Bild sein Herz erfüllte und sich mit allen Träumen seines Ehrgeizes vermischte, — die Gräfin von Rochefort. Sie trug nicht mehr jene einfache Toilette, in welcher er sie im Hause des verstorbenen Grafen gesehen, — sie hatte die Trauer abgelegt, denn am Hofe trauerte man nicht, wenn der König es nicht befahl, — ein Kleid von Brokat mit eingewebten Bouquets von Rosen umschloß ihre schlanke Taille und bauschte sich in weiten Falten über ihren Hüften auf, ein hoher Kopfputz mit Blumen, Edelsteinen und Federn thürmte sich über ihrem reizenden Gesicht mit den von glühender Lebenslust sprühenden Augen empor, Diamanten glänzten auf ihrem weißen schlanken Halse, — sie war schön, hinreißend schön wie eine Göttin der Jugend und der Liebe, aber der Chevalier war fast schmerzlich betroffen, sie so schön zu finden. So hatte sie nicht in seinen Träumen gelebt, so hatten diese Augen früher nicht geblickt, und seufzend schaute er nach dem Spiegel hinüber, welcher ihm seine unscheinbare Gestalt zeigte, die neben dieser so überwältigend schönen Frau ihm noch winziger als sonst vorkam. So sehr er sich auch gesehnt hatte, die Gräfin wiederzusehen, so war er doch peinlich betroffen, ihr gerade so und gerade hier zu begegnen, in dem Augenblick, der den Hoffnungen seines Ehrgeizes gehörte und in welchem er mit kalter Ruhe alle seine Fähigkeiten zu sammeln und zu beherrschen nöthig hatte.

      Auch die Gräfin schien erstaunt, den Chevalier hier zu sehen, — über ihre Lippen glitt ein Lächeln, das der arme junge Mann nicht bemerkte, — glücklicherweise, denn es würde ihn sehr traurig gemacht haben, wenn er es gesehen hätte.

      »Sie hier, Chevalier?« sagte die Gräfin, indem sie ihm ihre schöne Hand reichte, auf welche er mit der ganzen zierlichen Galanterie jener Zeit, aber auch mit der ganzen gefühlvollen Innigkeit seiner Liebe die Lippen drückte, — »wie kommt der zurückgezogene Schriftsteller, der grübelnde Denker hier nach Versailles in den Salon der Marquise von Pompadour?«

      »Wenn ich nun sagte, Gräfin,« erwiederte der kleine Chevalier halb scherzend, halb leidenschaftlich, »daß ich Ihnen gefolgt sei, — daß ich gekommen sei, um Sie aufzusuchen, daß ich keine Ruhe gehabt, seit Sie Paris verlassen —«

      »Sagen Sie das nicht, Chevalier,« fiel die Gräfin ein, — »ich würde es nicht glauben. Sie der Spur einer Dame folgen?« fuhr sie fort, indem sie den Faltenwurf ihrer Schleppe in demselben Spiegel betrachtete, der dem Chevalier seine kleine Gestalt gezeigt hatte, — »Sie mich aussuchen? Diese Anmaßung habe ich nicht! — Ja, wenn ich ein seltenes Manuskript — ein altes Pergament wäre —«

      »Sie spotten, Gräfin,« sagte der Chevalier unmuthig, — »und doch müßten Sie in meinen Augen lesen —«

      »Ich lese niemals, Chevalier,« rief die Gräfin lachend, »weder die Schrift in Ihren Augen, noch die zierlichen Quatrains, die man mir zuweilen zusendete.«

      Der Chevalier schlug erröthend die Augen nieder.

      »Doch nun ernsthaft,« fragte sie neugierig, »wie kommen Sie hieher?«

      »Der Herzog von Choiseuil ist mir freundlich gesinnt,« erwiederte der Chevalier mit wieder erwachendem Selbstgefühl, — »er hat meine Schriften gelesen, er will mich zum König führen, die Marquise will mich sprechen, bevor ich dem König vorgestellt werde, — sie hat mich um diese Stunde herbeschieden, — Sie sehen, Gräfin,« fuhr er mit liebevoll bittendem Blick fort, — »meine Zukunft scheint sich licht und golden gestalten zu wollen und vielleicht würde meine Hand Ihnen den Reiz des Lebens bieten können, — den Sie hier am Hofe gesucht haben,« fügte er mit schüchtern fragendem Ton hinzu.

      »Ich bin hier,« erwiederte die Gräfin, »weil die Marquise, der mein Gemahl, als er noch am Hof erschien, manche Dienste geleistet, da er zu des Herzogs von Choiseuil Freunden gehörte, mich zu sich rufen ließ, als sie erfuhr, daß ich Wittwe geworden, — um mich zu zerstreuen, — und ich muß Ihnen gestehen, Chevalier, daß ich mich vortrefflich zerstreue, denn ich genieße hier zum ersten Mal in meinem Leben die Freiheit, dieses köstlichste Gut, das die eifersüchtigen Mächte des Himmels so selten den Menschen gewähren. Jene alten tugendhaften Damen rümpfen die Nase darüber, daß ich hier in den Salons der Marquise den Duft des frischen, reizvollen Lebens athme, statt mit ihnen zu beten und Anathema zu rufen über die sündige Welt, die den unverzeihlichen Fehler hat, jung zu bleiben, während sie alt werden; — aber ich lache darüber, — ich lasse sie beten und — lästern, ich habe meine Ketten abgestreift und will mir keine neuen anlegen lassen,« sagte sie mit Betonung, — »keine — möchten sie auch,« fügte sie mit leichter Ironie hinzu, »so zierlich, so elegant, so mit poetischen Blumenguirlanden umwunden sein, als diejenigen, mit welchen der Verfasser jener galanten Ouatrains mich fesseln würde. — Doch es freut mich, Chevalier,« sagte sie abbrechend, »daß der Ehrgeiz mehr und mehr in Ihnen erwacht —«

      »Erwacht? — Gräfin,« rief der Chevalier, — »o dem Ehrgeiz gehörte die Arbeit meiner Tage, der Traum meiner Nächte! — vergebliche Arbeit vielleicht,« sagte er, wehmüthig seufzend, mit einem Seitenblick in den Spiegel, — »vergeblich wie die Hoffnungen meiner Liebe —«

      »Liebe — Chevalier? — lassen Sie die Liebe,« unterbrach ihn die Gräfin, — »sie macht weich und kraftlos — ich kenne sie nicht und will sie nicht kennen lernen.«

      »Gräfin,« sagte der Chevalier bittend, — »haben Sie denn keine Erinnerung an jene Zeit mehr, in der Sie Blicke und Worte freundlicher Theilnahme für mich hatten?«

      »Doch, Chevalier,« antwortete die Gräfin mit Herzlichkeit, indem sie ihm die Hand reichte, — »ich habe alle Theilnahme für Sie, — für Ihr Glück und Ihre Hoffnungen, — alle Theilnahme, die man nur für einen Freund, einen Verwandten, einen Bruder haben kann, — ich erinnere mich wohl jener Zeit, in welcher sich einsam an der Seite eines alten kränklichen Gemahls