Ritter oder Dame (Historischer Roman - Zeitalter der Aufklärung). Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237432
Скачать книгу
ihr Vermögen dem Orden der Gesellschaft Jesu vermacht, und der Pater fürchtete, daß wenn ich mich verheirathe, ich, ihre einzige Erbin und Verwandte, — daß dann Streitigkeiten darüber entstehen könnten, — deßwegen sei es besser, sagte er, wenn ich ebenfalls in den Schooß der Kirche aufgenommen werde, damit auf keine Weise der Tante das Verdienst streitig gemacht werden könne, durch das Opfer ihrer weltlichen Güter einst das Heil ihrer Seele zu erkaufen.«

      »O diese frommen Patres,« rief Gaston entrüstet, — »wie sie so freigebig sind mit dem Heil der Seele, wenn man es mit goldenem Preise aufwiegt, — und die Herzogin, — vielleicht dachte sie vor dreißig Jahren anders, — doch meine süße Louise,« sagte er dann wieder ganz heiter, »seien Sie ohne Sorgen, bald vielleicht wird die Stunde unseres Glückes schlagen, — ich bin nicht reich, Sie sind es auch nicht, abgesehen von dem Erbe Ihrer Tante, zwischen dem und Ihnen noch die zähe Gesundheit der Herzogin und die noch zäheren Ränke der hochwürdigen Herren Patres stehen, aber, — ich habe einen mächtigen Schutz gefunden —«

      »Einen Schutz?« fragte Louise erstaunt.

      »Eine Beschützerin vielmehr,« sagte Gaston, — »die Marquise von Pompadour zeigt mir bei jeder Gelegenheit ihr Wohlwollen, sie redet mich an, sie gibt mir kleine Aufträge, und neulich hat sie mich nach meinen Verhältnissen, nach meinen Plänen für die Zukunft gefragt —«

      »Die Marquise von Pompadour?« fiel Louise in gedehntem Ton ein, indem sie befangen die Augen niederschlug.

      »Nun ja,« sagte Gaston, — »kann es eine bessere Beschützerin geben?«

      »Man spricht so viel Böses von ihr,« erwiederte Louise leise, — »die Herzogin verwünscht sie täglich und nennt sie ein Werkzeug des Teufels, — sie beherrscht den König,« — fügte sie mit steigender Verlegenheit hinzu. —

      »Meine theure Louise,« unterbrach sie Gaston, indem er ihr die Hand küßte, »blicken wir nicht hinein in diese goldene Lichtwolke, welche die Majestät umgibt, ein solcher Blick macht die Augen gewöhnlicher Sterblicher erblinden und es zucken aus jener Wolke gefährliche Blitze hervor, vernichtend für Den, der ihr vermessen nahe tritt; mir genügt es, daß die Marquise eine sehr mächtige Dame ist und daß sie mir freundliches Wohlwollen beweist, — sie hat mir gesagt, ich möge mich an sie wenden, wenn ich einmal einen Wunsch habe, — nun,« rief er heiter mit freudiger Zuversicht , — »bei der nächsten Gelegenheit bitte ich sie um ein Regiment in der Provinz, davon und von dem Ertrage Ihres kleinen Erbgutes und meines geringen Vermögens können wir leben, — und dann, meine süße Louise,« sagte er, sanft ihren auf die Brust herabgesenkten Kopf aufrichtend, so daß er in ihre zögernd zu ihm aufgeschlagenen Augen blicken konnte, — »dann, meine süße Louise, werden Sie meine Frau, wenn Sie mit mir diesen Hof von Versailles mit seinen so glänzenden, aber so kalten Galerieen und Sälen verlassen wollen —«

      »O, lieber heute als morgen,« rief Louise in kindlicher Naivität, — »ich fühle mich hier wie ein Vogel in einem goldenen Käfig! — ich habe auch schon im Stillen ähnliche Gedanken gehabt,« fügte sie etwas befangen hinzu, »denn — auch ich habe einen Schutz gefunden, auf dessen mächtigen Beistand ich Pläne für unsere Zukunft baute.«

      »Einen Schutz? Sie?« fragte Gaston.

      »Einen Beschützer vielmehr,« erwiederte Louise.

      »Einen Beschützer?« fragte Gaston gedehnt, — »und ist er so mächtig als meine Beschützerin?«

      »Er sollte mächtiger sein,« sagte Louise erröthend, — »der König hat mir schon bei verschiedenen Gelegenheiten, so oft meine Tante es nicht vermeiden kann, mit mir am Hofe zu erscheinen, sein besonderes Wohlwollen gezeigt, — er redet mich an, er sagt mir sehr freundliche und gnädige Worte —«

      »Der König?« sagte Gaston, nachdenklich zur Erde blickend.

      »Neulich, als ich ihm mit meiner Tante in der Galerie begegnete,« fuhr Louise unbefangen fort, »hat er mir gesagt, wenn ich einmal einen Wunsch hätte, so möge ich mich an ihn wenden; — nun, bei nächster Gelegenheit werde ich Muth fassen und ihn bitten, daß er uns mit einander vereinigen möge, — ihn kostet das ein Wort —«

      »Meine süße Louise,« fiel Gaston mit einiger Verlegenheit ein, — »das ist ja sehr glücklich, — aber — aber — Sie dürfen nicht zu viel auf die Freundlichkeit des Königs geben, Seine Majestät wird von so vielen Seiten mit Bitten bestürmt, — hat so viel zu denken, — lassen Sie mich zunächst versuchen, was ich erreichen kann.«

      Louise war ganz erstaunt, daß ihre Mittheilung einen fast niederschlagenden Eindruck auf ihren Geliebten zu machen schien, — doch ehe sie antworten konnte, wurde die Portière der nach der Galerie führenden Thür zurückgeschlagen und ein Lakai meldete den Herrn Herzog von Richelieu.

      Der Herzog war damals über sechzig Jahre alt, doch war sowohl der Ausdruck seines schönen, zugleich listig feinen und stolz herausfordernden Gesichts wie seiner schlanken, geschmeidigen Gestalt noch völlig jugendlich. Er, der von seiner Jugend an intriguirt und opponirt hatte, selbst gegen den großen Ludwig XIV., der ihn zweimal in die Bastille geschickt, wohin ihm dann die Prinzessinnen von Geblüt Pasteten und Konfekt brachten, befand sich jetzt wieder in der entschiedensten Opposition gegen die Regierung, denn auf Veranlassung des Herzogs von Choiseuil war ihm sein Kommando genommen, nachdem er mit der englisch-hannöverischen Armee unter dem Herzog von Cumberland bei dem Kloster Seven eine Kapitulation geschlossen, statt sie zu vernichten, da er keine Lust mehr hatte, einen angreifenden und langwierigen Feldzug fortzusetzen. Auch den Botschafterposten in Wien, den er verlangte, hatte man ihm abgeschlagen und so war er denn nach Versailles zurückgekommen, voll Zorn über eine Regierung, die seinen Wünschen so wenig entgegenkam. Er hatte sich an den Boulevards von Paris von den Erträgen der ungeheuren Kontributionen, die er in Hannover erhoben, jenes reizende kleine Palais gebaut, das noch heute, wo es industriellen Zwecken dient, den Namen Pavillon de Hanovre führt, und beschäftigte sich damit, alle Maßregeln der Regierung, namentlich auf dem militärischen Gebiet, auf das Schonungsloseste zu kritisiren, während er zugleich dem Könige schmeichelte, der für ihn in der Erinnerung an glückliche Jugendzeiten eine große Schwäche hatte.

      Bei dem Eintritt des Herzogs, der wie immer, wenn er sich in der Opposition befand, die Uniform der Marschälle von Frankreich trug mit dem blauen Bande vom heiligen Geist und dem Ludwigskreuz an rother Schleife, hatte sich Gaston schnell erhoben und war einige Schritte von Louisen stehen geblieben.

      Richelieu warf einen schnellen, forschenden Blick auf den jungen Offizier und das erröthende Mädchen, dann näherte er sich mit seinen leichten, elastischen, kaum das spiegelglatte Parket berührenden Schritten und verbeugte sich artig vor Fräulein von Beaumont.

      »Ich komme, mich nach dem Befinden der Frau Herzogin zu erkundigen,« sagte er mit seiner hellen und klaren, aber durch die Gewohnheit des Hofes fast bis zu halbem Flüsterton gedämpften Stimme, — »und da ich so unglücklich bin, sie nicht zu finden, so kann mich nur die Freude trösten, ihre schöne Nichte zu sehen, — immer schöner,« fuhr er fort, Louisen galant die Hand küssend, — »immer rosiger, immer anmuthiger, — eine frische Knospe unter den vielen welkenden Blumen in dieser heißen Atmosphäre unseres Hofes.«

      »Die Herzogin ist in der Messe,« sagte Louise verlegen, — »sie muß jeden Augenblick zurückkehren — —«

      »Dann werde ich sie erwarten,« fiel der Herzog ein, »wenn Sie mir erlauben wollen, mein Fräulein, einen Augenblick das Glück Ihrer Gesellschaft zu genießen.«

      Er warf einen hochmüthig fragenden Blick auf Gaston von Aurigny.

      Louise sprach schnell:

      »Ich habe die Ehre, dem Herrn Herzog den Chevalier von Aurigny, — einen Schützling der Herzogin, — vorzustellen.«

      Richelieu nickte leicht mit dem Kopf und sah den jungen Mann prüfend an, Gaston verneigte sich tief und sagte dann, sich Louise nähernd:

      »Ich bitte Sie, mein Fräulein, der Frau Herzogin mein Bedauern auszudrücken, daß ich sie nicht erwarten kann, der Dienst ruft mich, — ich habe die Ehre, mich dem Herrn Herzog zu empfehlen.«