STRATTON: DIE GEISEL. Duncan Falconer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Duncan Falconer
Издательство: Bookwire
Серия: Stratton
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352827
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einen nach dem anderen an, riss seine Schuhe und Socken herunter und untersuchte kurz jeden Schuh, bevor er sie zur Seite warf.

      Dann riss er Spinks wieder herum, warf ihn auf den Rücken, packte ihn an der Kehle und drückte zu. »Du weißt, wonach ich suche, Pink, oder? Wo ist es?«

      Spinks griff nach dem Handgelenk des Mannes und versuchte, den Druck auf seine Kehle zu reduzieren. Er schüttelte den Kopf. Der Mann knallte ihm den Lauf einer Pistole so hart gegen die Wange, dass ein Backenzahn abbrach. »Wo ist es?«, wiederholte er. Dann, als hätte er da vergessen nachzusehen, hob er Spinks' Unterhose mit dem Lauf seiner Waffe an und entblößte dessen Penis und Eier.

      »Wenn ich's verdammt noch mal finde, dann schieß ich dir den verfickten Schwanz ab«, sagte der Mann, als er die Waffe Spinks wieder vor die Nase hielt. »Kapiert, Junge?«

      Spinks blinzelte angestrengt, als er wieder klar sehen konnte. Es war der Unbekannte, der vor der Kirche mit O'Farroll gestanden hatte.

      Kapitel 2

      Im Einsatzraum hatte Graham, der Funker, den höchsten Gang eingelegt. Er war klein, überdreht, perfektionistisch und verfügte über einen rasiermesserscharfen Verstand. Diese Generation von Funkern musste überdurchschnittliche Intelligenz besitzen, nicht nur, um die neuesten komplexen Kommunikationssysteme zu bedienen, welche die Einheit einsetzte, sondern auch, um sie ohne Vorbereitung in weniger als 24 Stunden in einem getarnten Wagen zusammen mit anderen Gerätschaften wie Trackern anzubringen und zu verkabeln. Und vor allem mussten sie unter Druck ruhig bleiben. In einer Krise konnte ein fähiger Funker für ein Team vor Ort den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Graham streckte den Arm nach einer Reihe von Funkknöpfen aus und drückte einen davon.

      »Boss!«, rief er.

      Während er auf eine Antwort wartete, sprach er in ein kleines Handset, das ein spiralförmiges Kabel hatte, lang genug, um sich im ganzen Raum zu bewegen. »Four Two Charlie, hier Zero Alpha?«

      Die großen Lautsprecher an der Wand blieben stumm. Über das Intercom kam ebenfalls keine Antwort. Er drückte einen anderen Knopf, »Boss?« Dann wieder in das Handset: »Four Two Charlie, Zero Alpha?«

      Die Wandlautsprecher blieben weiter stumm, aber aus dem kleinen Intercom klang eine Stimme mit britischem Akzent. »Boss hier.«

      »Wir haben einen möglichen Kuttuc.«

      Vom Boss kam keine Antwort, und Graham hatte auch nicht mit einer gerechnet oder darauf gewartet. Der Boss würde im vollen Sprint zum Einsatzraum unterwegs sein. Kuttuc war der Codename für den Fall, den alle in einem Undercover-Einsatzraum in Nordirland am meisten fürchteten. Das hieß, ein Agent war im Einsatz entführt worden. Jede Operation, an welcher der Agent beteiligt war, musste abgeblasen werden. Außerdem war davon auszugehen, dass alles, was die Person über die Einheit wusste und wie sie operierte, kompromittiert war. Darauf würde das politische Chaos folgen. Aber erst später. Für den Agenten waren die Auswirkungen viel unmittelbarer und schrecklicher.

      Graham griff nach dem Telefon und klemmte den Hörer mit dem Kinn ein, während er eine Nummer wählte. Gleichzeitig wiederholte er in das Handset: »Four Two Charlie, Zero Alpha?« Das Telefon an seinem Ohr tutete. Über den Lautsprecher kam keine Antwort. Am anderen Ende nahm jemand ab und eine verschlafene Stimme meldete sich.

      »Hier Camelot. Wir haben einen Op Kuttuc. Verstehen Sie, wovon ich spreche?«

      Der Armeeangestellte im Army-Air-Corps-Hauptquartier eine halbe Meile entfernt hatte keinen Schimmer, wovon Graham sprach, aber er bemerkte die Dringlichkeit in seiner Stimme. »Ich glaube nicht«, sagte er und hängte sicherheitshalber noch ein »Sir« an.

      Graham war kurz davor, sich in einen Atompilz zu verwandeln. »Dann gehen Sie und holen jemanden, der das weiß, vorzugsweise Ihren Boss. Jede Sekunde, die Sie dafür brauchen, ist eine Sekunde weniger im Leben eines Mannes – wenn der stirbt, komme ich persönlich runter und reiße Ihnen die Kehle raus!«

      Graham hörte, wie der Hörer auf dem Schreibtisch aufschlug und die Schritte des Soldaten zum Büro hinaus eilten. Selbstverständlich würde Graham all das nicht wirklich tun. Er war nur ein junger Unteroffizier, ein Corporal, aber wenn es darauf ankam, hatte er gelernt, am anderen Ende der Leitung so zu klingen, als hätte er was zu sagen. Die Jahre als Funker, besonders in dieser geheimnisumwitterten Einheit, hatten ihn gelehrt, welche Macht eine anonyme Stimme haben konnte, die in einen Telefonhörer schrie. Graham hatte das schon öfter gemacht. Wenn die Person am anderen Ende jemals von ihm verlangt hätte, sich zu identifizieren, würde er einfach seinen Boss nachmachen – das konnte er ziemlich gut – oder auflegen. Es war fast unmöglich, einen Anruf zu dieser Einheit zurückzuverfolgen.

      An der Tür zum Einsatzraum ging ein Summer los und hörte nicht auf, weil derjenige auf der anderen Seite weiter den Daumen darauf presste. Graham drückte einen Knopf auf dem Schreibtisch, der die Tür elektrisch entriegelte. Mike, der Boss, stürmte kauend herein, er hatte den Weg von der Küche auf die andere Seite des Grundstücks in Rekordzeit zurückgelegt.

      »Reden Sie mit mir«, bellte er, als er zu einer großen Mappe auf einem niedrigen Tisch vor der Wand ging. Unter einer Glasplatte zeigte die Karte alle relevanten Daten der Agenten, Fahrzeuge und Standorte an, die in der Provinz für die Einheit wichtig waren. Er studierte die beweglichen Markierungen und Wachsnotizen auf dem Glas mit den Details der einzigen Agenten, die momentan vor Ort waren. Er war jung, hatte ein unverbrauchtes Gesicht und sein Spitzname, wenn er nicht im Raum war, lautete »Klassensprecher«, denn dem Aussehen nach hätte er auch als Zehntklässler durchgehen können. Allerdings hörten da die Ähnlichkeiten auf – und jeder, der das nicht erkannte, konnte leicht Schwierigkeiten bekommen.

      »Spinks' Auto wurde geklaut, mit ihm im Kofferraum. One Three Kilo haben die Verfolgung aufgenommen. Sie glauben, es sind zwei. Ich hab seit drei Minuten keinen Kontakt mehr zu Spinks«, informierte Graham, während er ihm das Telefon reichte. Er ging zur Tür und fügte hinzu: »Der Pilot des Hubschraubers in Einsatzbereitschaft sollte jeden Moment am anderen Ende dieser Leitung sein. Versuchen Sie weiter, Spinks zu erreichen – ich meine Four Two Charlie.«

      »Wo ist Stratton?«, rief Mike, als Graham den Raum verließ, ohne ihn zu hören. Mike drückte auf einen Rufknopf. »Steve?«

      Ein paar Sekunden später kam die Antwort: »Boss?«

      »Ich brauche Sie sofort hier drin.«

      »Bin unterwegs«, sagte Steve.

      »Bringen Sie den Rest Ihrer Zelle mit.«

      »Roger«, sagte Steve.

      Mike betätigte einen weiteren Knopf des Intercom. »Jack?«

      »Jo.« Jacks Stimme hörte sich an, als sei er am anderen Ende des Raumes.

      »Bringen Sie jeden verfügbaren Mann vor Ort in Richtung Schwarz sieben. Wir haben einen Kuttuc.«

      »Sofort«, erwiderte Jack und schien diesmal viel näher an seinem Intercom zu sein.

      Mike ließ den Knopf los und dachte darüber nach, ob es noch etwas Wichtigeres zu tun gab als den gefürchteten Anruf, den er machen musste. Ihm fiel nichts ein. Dann stellte er fest, dass eine leise Stimme zu hören war. Sie kam aus dem Telefon in seiner Hand. Er drückte den Hörer ans Ohr.

      »Ja, hier ist Camelot. Ich brauche den Hubschrauber, und zwar sofort, am besten vor fünf Minuten. Wir haben einen Op Kuttuc … ja, genau. Einer unserer Männer wurde gekidnappt.«

      Er drückte auf die Telefongabel und ließ wieder los, um ein Freizeichen zu erhalten, dann atmete er tief durch und tippte eine Nummer ein, von der er hoffte, es würde niemand abnehmen. Mike war ein Captain bei den Husaren, seiner übergeordneten Einheit, und hatte sich schon seine ganze Karriere mit Kommentaren über sein Babyface rumärgern müssen. Sein Aussehen hatte sich vielleicht nicht groß verändert, seitdem er die Uni verlassen hatte, aber er war in den letzten drei Jahren in diesem Job ein gutes Stück reifer geworden. Wenn nichts besonderes los war, wirkte er introvertiert und zurückgezogen. Keine dieser Charakteristiken war auch nur ansatzweise