STRATTON: DIE GEISEL. Duncan Falconer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Duncan Falconer
Издательство: Bookwire
Серия: Stratton
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352827
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Sonst hatte sie heute nichts weiter vor. Ein bisschen Wäsche waschen, ihr winziges Zimmer aufräumen, das kaum groß genug für Bett, Schreibtisch und Schrank war. Dann vielleicht etwas Aerobic, auch wenn sie jetzt noch nicht in Stimmung war. Sie konnte nachsehen, ob es ein paar neue Videos gab, wenn nicht gerade jemand anderes das Fernsehzimmer belegte. Dann fiel es ihr wieder ein. Es war Sonntag. Die Jungs würden wieder den ganzen Nachmittag ihren verdammten Fußball anschauen. Einen Brief an ihre Mutter zu schreiben, schob sie auch schon lange vor sich her. Nicht dass sie Probleme mit ihrer Mutter gehabt hätte, es waren mehr die Briefe an sich. Sie steckten voller Lügen und es wurde immer schwieriger, sie zu verfassen. Sie musste schon angestrengt überlegen, um sich noch was Neues einfallen zu lassen. Aggys Mutter dachte, sie sei in Deutschland mit einem Panzerregiment, aber Aggy war noch nie in Deutschland gewesen. Sie konnte ihrer Mutter nicht sagen, was sie wirklich machte, solange sie diesen Job hatte. Ihre Mutter würde vor Sorge verrückt werden.

      Erneut blickte sie zu Ed, der sich ganz schön Zeit ließ. »Mach schneller, du Idiot«, murmelte sie.

      Jetzt konnte Spinks definitiv ein metallisches Kratzen an der Seite des Autos ausmachen. Ein plötzliches Scheppern ließ ihn zusammenzucken. Sein Atem wurde flach und schnell, Adrenalin strömte durch seine Adern. Er griff nach seiner Waffe und schluckte. Sein Mund stand offen, um das Gehör zu schärfen, er analysierte jedes Geräusch, während sein Daumen auf dem Sicherheitsbügel zu liegen kam.

      Endlich hatte Ed fertig gepinkelt. Er zog den Reißverschluss hoch, wobei er leicht in die Knie ging, und lief zurück zum Auto. »Ich hoffe mal, Spinksy denkt nicht, ich halte an und lass ihn aus dem Kofferraum und vorn sitzen. Der kann bleiben, wo er is', der alte Stinker.«

      Als Ed einstieg, trat Aggy aufs Gas. Er wurde in den Sitz gedrückt und seine Thermoskanne rutschte vom Armaturenbrett auf seinen Schoß.

      »Immer mit der Ruhe«, beschwerte er sich. »Wozu die Eile?«

      Wie, um sich zu revanchieren, kramte er eine Tabakdose hervor, nahm eine Selbstgedrehte raus, zündete sie an und paffte, ohne zu inhalieren, bis das ganze Auto voller Rauch war. Sie kurbelte das Fenster runter, biss sich auf die Lippe und zählte die Minuten, die sie noch mit ihm verbringen musste.

      »Es ist taktisch unklug, mit offenem Fenster zu fahren«, meinte er trocken.

      Womit hab ich das verdient?, fragte sie sich.

      Spinks hörte ein anderes, lauteres Scheppern. Das Auto bewegte sich ganz offensichtlich. Dann ging eine der Türen auf. Der Wagen neigte sich ein wenig zur Seite, als sei jemand eingestiegen. Die Tür auf der anderen Seite öffnete sich und das Auto kippte etwas in die andere Richtung. Er wusste, es war nicht Ed. Ed wäre nie eingestiegen oder hätte sich auch nur dem Wagen genähert, ohne ihn über Funk vorzuwarnen. Spinks versuchte, genau einzuschätzen, was vor sich ging und was er tun konnte. Seine Finger ertasteten den Funkknopf, der aus seinem Ärmel ragte. Er merkte, dass seine Hände zitterten. Er drückte den Knopf und wollte etwas sagen, hielt dann aber inne. Wer auch immer im Auto war, könnte ihn hören. Er betete, dass es nur ein paar Diebe waren, die etwas daraus stehlen wollten. Die würden einen Schock bekommen, wenn sie den Kofferraum aufmachten. Selbst wenn dadurch die Mission gescheitert wäre, würde er sie verhaften. Das war ja nicht seine Schuld. Die Bosse würden es verstehen. Er hielt den Knopf in der einen, die Pistole in der anderen Hand, und machte sich bereit, gegen den Sitz zu treten.

      Plötzlich sprang der Motor an, zwei Türen wurden zugeschlagen, und als das Auto vorwärts schoss, schleuderte es Spinks im Kofferraum nach hinten. Offenbar fuhr man eine Weile über das Gras neben der Straße, denn es holperte furchtbar und Spinks hinten rüttelte es durch, als würde er in einem Fass einen Wasserfall hinabstürzen. Die Gänge wurden schnell hochgeschaltet, der Wagen beschleunigte, kehrte auf die Straße zurück, schlingerte und beschleunigte weiter. Spinks verlor bei dem Gerüttel den Knopf des Funkgeräts und seine Pistole. Er tastete danach, und gerade, als er die Hand darauf gelegt hatte, ging das Auto scharf in die Kurve, holperte über den Randstreifen und er knallte gegen die Heckklappe. Falls die Heckklappe aufging, würde er mit Sicherheit herausgeschleudert werden. Er gab die Suche nach der Waffe auf und fand den Knopf für das Funkgerät, indem er dem Kabel folgte, das aus seinem Ärmel kam.

      »Four Two Charlie …«, mehr konnte er nicht sagen, bevor er wieder flach gegen den Kofferraumdeckel gedrückt wurde, als der Wagen eine weitere Bodenwelle erwischte. »Four Two Charlie, bin in Bewegung! Das Auto wurde geklaut! Wiederhole: Bin in Bewegung und das verfluchte Auto wurde gestooooohlen!«

      Ed und Aggy waren einen Moment sprachlos, als sie die Übertragung hörten. Beide griffen nach dem Sendeknopf, wurden aber gestoppt, als eine Stimme erklang, bevor sie etwas erwidern konnten. Es war der Wachhabende am Funkgerät, der in der Zentrale in 35 Meilen Entfernung Dienst hatte.

      »Four Two Charlie, hier Zero Alpha. Bestätigen, dass der Wagen in Bewegung ist.«

      »Ich bewege mich, verdammt«, brachte Spinks zwischen mehreren heftigen Stößen heraus. »Wir fahren wie die verfluchte Feuerwehr!«

      »Zero Alpha, verstanden«, sagte der Funker und fuhr fort, als würde er ein Bowling-Spiel kommentieren: »One Three Kilo, hier Zero Alpha.«

      Aggy griff nach dem Sendeknopf, aber Ed schob ihre Hand weg und drückte ihn selbst. »One Three Kilo hier. Sind immer noch unterwegs zu Four Two Charlies letzter Position. Ich fahre nicht.« Dass Ed in langsamer, umständlicher Weise sprach, ruhig zu bleiben versuchte und in solch einem Moment nur das Offensichtliche schilderte, fügte Aggy seiner Liste unangenehmer Angewohnheiten hinzu.

      »Da ist es!«, schrie sie plötzlich, als sie sah, dass Eds Auto ihnen auf der Gegenfahrbahn entgegenkam. Als es an ihnen vorbeiraste, konnten sie nur eine Person vorn und möglicherweise eine auf dem Rücksitz sehen.

      Aggy drückte den Sendeknopf. »One Three Kilo, Four Two Charlie ist gerade von Rot vier in Richtung Blau sieben mit knapp 130 an uns vorbeigerast. Vermutlich zwei Personen im Fahrzeug. Nehmen Verfolgung auf.«

      Sie trat auf die Bremse und verlangsamte den Wagen gerade genug, um einen halben U-Turn zu machen, was recht unsauber ablief. Das Hinterrad auf der Fahrerseite drehte im Schlamm auf dem Randstreifen durch, als sie einen Gang runterschaltete und das Gas durchtrat. Der Motor heulte auf. Das Auto kroch vorwärts, bekam endlich wieder Haftung und raste mit quietschenden Reifen die Straße entlang. Ed hielt sich während des Manövers fest, eine Hand an der Unterseite seines Sitzes und die andere gegen das Armaturenbrett ausgestreckt. Seine selbstgedrehte Zigarette fiel ihm aus dem Mund, als er den Fuß fest auf den Boden presste, um ein Bremspedal zu treten, das nicht da war.

      Spinks streckte Arme und Beine aus, um zu verhindern, dass er hin und her geworfen wurde, aber die heftigeren Stöße schleuderten ihn trotzdem herum. Das MPK5 traf ihn hart am Kopf, als es sich seinen Weg durch den Kofferraum bahnte. Er versuchte erneut, seine Pistole zu erwischen, aber es war, als wolle man einen springenden Fisch mit Händen fangen. Dann hörte Spinks ein reißendes Geräusch und wurde von plötzlicher Helligkeit geblendet, als der Rücksitz nach vorn gerissen wurde. Ein kräftiger Arm griff nach ihm, erwischte ihn an den Haaren und zerrte ihn brutal halb ins Auto bei voller Geschwindigkeit.

      »Mal raus da, du kleiner Pink«, sagte der Mann mit irischem Akzent. Er packte Spinks Kehle mit einer Hand und legte sein ganzes Gewicht darauf. Spinks Gesicht schwoll an, während er würgte. Seine Augen füllten sich mit Tränen und er konnte nur noch unscharf sehen, während der Mann sein Gewicht auf ihm hielt, solange er ihn durchsuchte. Er fand das kleine, flache Funkgerät in einem Holster in Spinks' Jacke und riss es mitsamt den Kabeln heraus. Dann steckte er einen kräftigen Finger in Spinks' Ohr, bohrte darin und zog den winzigen kabellosen Ohrhörer heraus. Offenbar wusste der Mann ganz genau, wonach er suchen musste und wo er es finden würde. Er riss Spinks' Hemd auf und sah unter seine Achseln, dann suchte er seinen Körper ab und riss ihm den Gürtel aus der Hose, als würde er einen Außenbordmotor anwerfen, und warf ihn zur Seite. Als er ihm die Hose bis zu den Knien runterzerrte, machte er dabei den Reißverschluss kaputt.

      »Wo ist es?«, schrie der Mann, als er kurz Spinks nackte Beine inspizierte. Er drehte Spinks brutal auf den Bauch, zog sein Hemd hoch, schob die Hand darunter und betastete seine Schultern.