Eine kurze Pause, dann hörte man Grahams Stimme: »Eine Sekunde.«
Nach einer weiteren kurzen Pause hörte man Mikes gepflegten Akzent aus dem Lautsprecher. »Hier ist der CO vom Camelot. Können Sie mich hören, Lieutenant … Blane, richtig?«
»Ja, Sir«, antwortete der Pilot, plötzlich ein wenig kleinlaut.
»Ich mache das kurz und leicht verständlich. In dieser Befehlskette gibt es nur noch eine Handvoll Menschen zwischen mir und Gott. Wenn Sie nicht genau das tun, was der Mann neben Ihnen sagt – und das heißt meinetwegen auch, unter Wasser zu fliegen, wenn er es wünscht –, verspreche ich Ihnen, dass ich meinen nicht unbeträchtlichen Einfluss nutzen werde, um Sie vor ein Kriegsgericht stellen zu lassen, weil Sie meinen direkten Befehl und damit den des Commander-in-Chief nicht befolgt haben. Verstanden?«
»Ja, Sir«, erwiderte der Pilot und lief rot an.
»Out.« Mike legte auf.
Stratton sah den Piloten an, um zu prüfen, ob er verstanden hatte. »Nun?«, fragte er.
Der Pilot konnte nicht glauben, dass ihm das passierte. Er war erst seit zwei Monaten in dieser Provinz. Bisher hatte er nicht mehr tun müssen, als ranghohe Offiziere zwischen verschiedenen Kasernen hin und her zu fliegen und ab und an eine Luftüberwachung durchzuführen. Wie der Rest seiner Kollegen wusste er, dass die Truppe von der ›Funny Farm‹ zur Spitze der Geheimdienste gehörte, aber er betrachtete sie als überbewertet und fand, dass sie sich ein bisschen zu wichtig nahmen. Allerdings war ihm auch bewusst, dass sie eine Menge Einfluss hatten und er sich vorkommen würde, als wollte er mit einer Klopapierrolle gegen einen Flammenwerfer kämpfen, wenn er auch nur ein falsches Wort gegen sie sagte. Er umfasste den Steuerknüppel und das Höhenruder fester, kippte die Nase nach vorn und beschleunigte auf das sich kräuselnde Wasser zu.
Graham senkte das Mikro vom Mund, als Mike aus dem Aufklärungsraum kam und in einer Akte blätterte. »Bisschen übertrieben«, sagte er, ohne von der Akte aufzublicken. »Und ich würde mich niemals über Gott stellen … sagen Sie Stratton, er soll Richtung Aughnacloy fliegen.«
Die beiden Funker, die bereitstanden, grinsten Graham an und er zwinkerte ihnen zu, als er das Mikro wieder in die Hand nahm. »Whisky One. Kurs auf Schwarz sieben nehmen.«
»Schwarz sieben«, sagte Stratton, seine Stimme, vermischt mit dem Geräusch des Rotors, donnerte aus den Lautsprechern.
Ein zufriedenes Grinsen breitete sich langsam auf Healys Gesicht aus, als er sich die verschlüsselte Nachricht anhörte. »Das ist ein Geräusch, das sogar du erkennen würdest, wenn du es ein paar Mal gehört hast.«
»Ist das der Helikopter?«, fragte Tommy und behielt die Straße im Auge.
»Sehr gut. Das war der Helikopter. Aber ich meine die Stimme«, sagte Healy und drehte an ein paar Reglern. »Es war eine Männerstimme.«
»Die Stimme kennst du auch, oder?«, fragte Tommy und klang ein wenig skeptisch.
»Oh, ja. Ich nenne ihn Achilles.«
»Das ist aber ein großer Name.«
»Er ist jemand, mit dem man sich nicht leichtfertig anlegt.«
»Ist das 'ne Tatsache?«, fragte Tommy abfällig.
»Ich hab seine Stimme nur ein paar Mal gehört. Zwei Mal ist dabei jemand gestorben … zwei von euren Leuten.«
Healy drückte den Replay-Knopf auf einem Bandrekorder und spielte Strattons letzten Funkspruch noch ein paar Mal ab. Die verschlüsselten Laute hallten durch den Bus. »Ja, das ist Achilles.«
Tommy warf Healy einen Blick zu. Nachdem dieser die Toten als eure und nicht als unsere bezeichnet hatte, mochte er ihn noch weniger. Ein Auto raste raketenschnell an ihnen vorbei, passierte den Bus von rechts nach links, der Fahrtwind ließ die niedrigeren Äste der Bäume erzittern, die über die Straße hingen.
»Das war Sean«, sagte Tommy schnell.
»Mary ist nicht weit dahinter«, sagte Healy.
Tommy ließ den Motor an und reckte sich, um einen Blick in die Richtung zu werfen, aus der das Auto gekommen war. Er trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, ein wenig nervös, was als Nächstes folgen würde, aber gleichzeitig konnte er es kaum erwarten, es hinter sich zu bringen.
Plötzlich sah er Aggys Auto, kaum mehr als ein paar hundert Meter entfernt. Die Büsche erzitterten, als es daran vorbeiraste. »Da kommt sie«, sagte er, als er den ersten Gang einlegte und ein kleines Stückchen vorwärtsfuhr, die Nase des Busses ragte ein wenig aus dem Wald heraus. Er musste das Manöver perfekt timen. Er konnte es sich nicht leisten, dass sie ihn rammte und außer Gefecht setzte. Seine Befehle lauteten, abzuhauen und so schnell wie möglich über die Grenze zu kommen. Und was noch wichtiger war: Er musste Healy und sein Equipment in den Süden bringen.
Als Aggys Auto etwa 80 Meter entfernt war, trat Tommy aufs Gas, bewegte den Bus vorwärts und zwang das rostige alte Vehikel auf die Straße, sodass er ihr das Heck zuwandte. Healy lugte ängstlich aus der dreckigen Heckscheibe, während Aggy auf die Bremse trat, aber trotzdem mit großer Geschwindigkeit näherkam, das Heck schlingerte auf der schmalen Straße. Er hielt sich am Sitz fest, falls sie den Bus rammen sollte.
Es war offensichtlich, dass die Verfolgungsjagd vorbei war, als Aggy und Ed den Bus auf die Straße fahren sahen. Unwillkürlich fragte sich Aggy, wie schlimm das Ende sein würde. Ed rechnete mit dem Schlimmsten. Aggys Verstand raste und versuchte, die wenigen Informationen zu verarbeiten, über die sie verfügte. Ihre Hände drehten das Lenkrad gerade weit genug, damit sie sich nicht sofort überschlugen. Sie verpassten das Heck des Busses auf Eds Seite des Wagens nur um Zentimeter und steuerten schräg auf die Hecke zu. Die kleine Erhöhung wirkte wie eine Rampe, um die Front des Wagens anzuheben, und das Auto verließ die Fahrbahn. Es traf die Hecke in der Aufwärtsbewegung und schlug ein Loch hinein. Als sie hindurchsegelten, zerbarsten die Scheinwerfer. Das Auto war ein paar Sekunden in der Luft, bevor es mit der Front heftig auf einem frisch gepflügten Feld aufschlug. Beim Aufprall verzog sich der Rahmen und die Windschutzscheibe bekam Risse. Aggy klammerte sich am Lenkrad fest und wurde durch den Aufprall wie ein Crashtest-Dummy durchgeschüttelt, ihr Gesicht im Airbag vergraben. Die Hinterräder trafen den Boden und das Auto schlitterte ein Stück zur Seite. Es holperte über die Ackerfurchen und blieb dann qualmend stehen.
Healy wandte sich beim Weiterfahren nach dem Auto um. Er schaute ihm nach, bis sie außer Sichtweite waren. »Bye-bye, Mary«, sagte er.
Tommy sah ihn an und schüttelte den Kopf.
Einen Moment lang saßen Aggy und Ed im Wagen, ohne sich zu bewegen. Ed hatte seine Hände vor den Augen, als wollte er nichts sehen oder als würde er beten.
»Bist du okay?«, fragte sie.
»Halt die Klappe … sag bitte einen Moment mal nichts, okay?«
Sie akzeptierte, dass er sich einen Augenblick sammeln musste, und blickte ringsum durch die Fenster. Niemand war zu sehen. Sie griff nach ihrer Waffe. Die befand sich immer noch in ihrem Schulterholster.
»Wieso ist mein scheiß Airbag nicht aufgegangen?«, frage Ed schließlich.
»Auf deiner Seite ist keiner. Da haben sie den Funkverschlüssler eingebaut.«
»Ist ja brillant«, sagte er.
Sie drückte den Knopf unter dem Sitz. »Zero Alpha, hier ist One Three Kilo, check?«
»Zero Alpha, was gibt's?«, kam Grahams Stimme aus der Einsatzzentrale.
»Wir sind raus«, sagte sie. Die Worte klangen wie ein erbärmliches Schuldeingeständnis, das alle hören konnten.
Stratton nahm die Nachricht mit seiner üblichen stoischen Akzeptanz auf und hakte sie schnell ab. Er studierte die Karte und erwog die Möglichkeiten. Die offensichtliche – und die er selbst wählen würde – war, dass die Kidnapper planten, Spinks direkt über die Grenze