Frau Pauline Brater: Lebensbild einer deutschen Frau. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118198
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Luise und Tante Adelheid habe ich sogleich geschrieben, auch Siegfried und Heinrich und Coloman will ich morgen Nachricht geben. Die Teilnahme hier ist herzlich, Canstat kamen die Tränen ins Aug und er sagte mir, sagen Sie Pauline, wie innig ich mich freue, sie glücklich zu wissen, obschon es mein Wunsch war, sie noch einmal bei uns zu haben, denn ihr Leben bei uns hat mir wirklich wohlgetan. Alles freut sich, bis ihr kommt.

      Nun lebet wohl, geliebte Kinder, Gott segne und erhalte Euch.

      Mit treuer Liebe Eure Mutter.

      Der Bruder Fritz setzt einige Worte unter seiner Mutter Brief; neckend, wie es so der Brüder Art ist, schreibt er: »Wenn man deinetwegen einen Schwager haben muß, so ist der Braters Karl mir noch der liebste.«

      Der Glückwunsch, den die junge Braut von der künftigen Schwiegermutter erhielt, ist auf feinem Postpapier sorgsam geschrieben. Er lautet:

       Meine liebe Pauline!

      Gewiß ist es Dir nicht entgangen, wie ich Dir von jeher mit besonderer Vorliebe zugetan war, und Du wirst Dich nicht wundern, daß es immer ein stiller Wunsch von mir gewesen, daß Du und unser lieber Karl Euch in gegenseitiger Liebe begegnen möchtet! Dieser Wunsch ist nun zu meiner unaussprechlichen Freude in Erfüllung gegangen, ich sehe meines geliebtes Sohnes dauerndes Glück an Deiner Seite begründet, und begrüße Dich mit wahrer Innigkeit als meine teure Tochter! Möge der gnädige Gott den Bund Eurer Herzen segnen und Euer gegenseitiges Bemühen, Euch das Leben zu versüßen! Schenke auch mir künftig eine kindliche Liebe, meine gute Pauline, und erfreue mich schon jetzt mit einem zutraulichen Du! Mit wahrer Freude wirst Du von allen Verwandten als ein neues teures Glied aufgenommen und alle sehen mit Verlangen der nahen Weihnachtszeit entgegen, wo unser Karl Dich uns zuführen wird. Wie schade, daß Dich nicht auch unser Luischen mit uns hier erwarten darf, sie die einen Teil ihres Lebensglückes in Deiner warmen Freundschaft findet; teile ihr nur eiligst die Nachricht von Eurer Verbindung mit.

      Daß Deine gute Mutter mir künftig so nahe befreundet sein wird, sie die ich nebst ihrer ganzen Familie so sehr schätze, ist kein kleiner Zuwachs meiner Freude. Emilie schreibt Euch selbst, Julchen hat geschrieben, Emma Schunck wird wohl schreiben.

      So leb denn wohl, liebes Töchterchen, Du hochgeliebte Braut Deines überseligen Bräutigams, und sei auf das herzlichste umarmt von Deiner mütterlichen Freundin

      Ch. Brater.

      Luischen grüße mir tausendmal, sie bekommt an Weihnachten einen Brief von mir.

      Mit diesem Brief wurde zwischen Schwiegermutter und Tochter ein Verhältnis angebahnt, das nie durch einen Mißton getrübt ward. Mag das auch selten vorkommen und das Wort Schwiegermutter nicht ganz ohne Grund verrufen sein, manchmal gestaltet das Verhältnis sich doch zu einem besonders zarten, beglückenden. Es ist, wie wenn von der Verehrung und Herzensneigung, die die Verlobten sich entgegenbringen, etwas überginge in die Empfindung der Mutter zu ihrem Schwiegerkind. Freilich wird es nicht die fest gegründete, kaum zu erschütternde Liebe sein wie zwischen Mutter und Kind, auf die man unter allen Umständen baut, auch einmal rücksichtslos rechnen kann, vielmehr wird diese Liebe wie die bräutliche bewahrt und gepflegt werden müssen. Das hat Karl Braters Mutter verstanden, ihre Güte und Nachsicht war für Pauline eine köstliche Dreingabe zum ehelichen Glück.

      Rührend ist auch die Freude, die Schwester Luise Sartorius über die Verlobung ausspricht; sie war nicht ganz ahnungslos gewesen von dem, was im Herzen der jüngeren Schwester geschlummert hatte. Sie schreibt aus Schweinfurt:

       Liebste Pauline!

      Als ich diesen Morgen Braters Handschrift auf der Adresse seines Briefs erkannte, erschrak ich so, daß ich am ganzen Leib zitterte, denn ich dachte, er müsse entweder etwas sehr Frohes oder etwas Trauriges enthalten. Gott sei Dank, daß es das erstere war. Nun war ich aber auch ganz außer mir, und seit ich verheiratet bin, habe ich meinen Mann nicht so stürmisch umarmt und geküßt. Wie leid tut es mir, daß ich sonst niemand habe, dem ich mein volles Herz ausschütten kann, denn wenn ich es auch hier meinen Bekannten erzähle, so wissen sie doch nicht, was es für ein kostbarer Schatz ist, den Du davongetragen, und sie freuen sich nicht mehr darüber, als wenn Du den ersten besten Philister heiraten würdest. Liebe Pauline, obwohl wir nie ein Wort über diesen Gegenstand sprachen, so glaube ich doch, daß wir uns verstanden haben, ich mache Dir deshalb gar keine Vorwürfe, daß Du nicht offener gegen mich warst, denn ich selbst vermied es, diesen Gegenstand zu berühren. Nun brenne ich aber vor Begierde, etwas Näheres von Dir selbst zu hören, und ich hoffe, daß ich nicht die Allerletzte bin, an die Du schreiben wirst. – Ach Gott, wie ist es mir so verleidet, daß wir hier so hinausgestoßen sind. Was wird jetzt für eine Freude in der ganzen Familie sein und wir können sie nicht mitgenießen! Doch will ich nicht undankbar sein, denn als ich die Nachricht erhielt, dachte ich, ich wollte nun ganz zufrieden sein und gar nichts mehr wünschen, da mir dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist, und nun drängen sich gleich wieder Wünsche auf. – Nun lebe wohl und ich wünsche nur noch, daß Dir nichts Dein Glück trüben möchte. Die Kinder haben sich sehr gefreut, weil sie sahen, daß ich so vergnügt war, mein Mann natürlich auch und er läßt Dir durch mich die herzlichsten Glückwünsche sagen.

      Deine treue Schwester Luise

      Nur eine Stimme in den Briefen, die uns erhalten sind, klingt anders. Eine treue Tante des Bräutigams, Frau Schunck, führt, wohl nur zum Spaß, eine Äußerung ihres Sohnes an. Sie schreibt an Pauline: Mein Karl aber schüttelt den Kopf und sagt: »Der Braters Karl und die Pfaffs Pauline? Wenn das gut geht, so will ich’s loben!«

      Diesem jungen Vetter kam es demnach nicht vor, als ob die Brautleute zusammenpaßten. Freilich zusammenpassend in dem Sinn, daß sie sich ähnlich gewesen wären, konnte man die beiden sowie ihre Familien nicht nennen und deshalb darf Karl Schunck mit Fug und Recht den Kopf schütteln. Gewiß gibt es auch glückliche Ehen trotz großer Verschiedenheit der Brautleute, aber es ist doch gewagt, darauf zu rechnen. Oft sehen wir, daß zwei an sich gute Menschen doch keine harmonische Ehe führen, weil ihre Naturen und Anschauungen zu verschieden sind. So fühlt sich der eine Teil, der etwa poetisch angelegt ist, verletzt durch den nüchternen, der gesellige gehemmt durch den in sich gekehrten, der mitteilsame bedrückt durch den einsilbigen; der phlegmatische bringt den leichtlebigen zur Verzweiflung, der orthodoxe entsetzt sich über die Ansichten des liberalen, der modern gerichtete hält den altmodischen für rückständig.

      Wo die Ehe zwischen so verschieden Gearteten dennoch eine wahrhaft beglückende wird, kommt es meist daher, daß der eine Teil sein Wesen, seine Anschauungen von der Familie überkommen, aber sich innerlich nicht zu eigen gemacht und bald hineinwächst in die Art des andern oder auch, daß die beiden neben aller Verschiedenheit durch eine Seite ihres Wesens mächtig und dauernd angezogen werden, sich auf diesem Gebiete begegnen, beglücken und dann edel oder klug genug sind, um den andern in seiner Eigenart ungestört zu lassen, nicht zu verlangen, daß er sich ändere.

      Bei den Familien Pfaff und Brater hatte schon die Freundschaft zwischen den Müttern, den Söhnen und den Töchtern bewiesen, daß trotz der Verschiedenheit diese Naturen harmonieren konnten. Mochte auch die Familie Brater eine gewisse Formlosigkeit der Familie Pfaff mißbilligen und wiederum im Haus Pfaff das Gesetzte der Familie Brater als pedantisch empfunden werden, so stimmten sie doch vollständig überein in der idealen Lebensanschauung und der Begeisterung für alles Edle, Große; in lauterer Wahrheitsliebe und bescheidenen Lebensansprüchen.

      So war im tiefen Grund viel Gleichartiges, aber das Verschiedene mochte den Fernstehenden mehr in die Augen fallen, wie wir aus des jungen Vetters Äußerung entnehmen.

      Pauline blieb zunächst noch bei dem Bruder auf der Bleiche. Kleine Liebesbriefe flogen gelegentlich von dort in das Polizeigebäude, wo der Bürgermeister seine Amtswohnung hatte.

      Ein solches Blättchen von der Hand der Braut liegt vor uns, es war wohl ihr erster schriftlicher Gruß an den Bräutigam; er hat weder Anrede noch Unterschrift, beides wollte vielleicht dem jungen Mädchen noch nicht recht aus der Feder; der Bräutigam hat es vermutlich am Morgen nach der Verlobung erhalten. Es lautet:

      »Ob ich’s noch erlebe, daß