Frau Pauline Brater: Lebensbild einer deutschen Frau. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118198
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Dich so schon in ein rechtes Elend gestürzt; übrigens wenn gleich Du es bist, mein lieber Schatz, der von Rechts wegen keine Unüberlegtheiten zutage fördern soll, so scheint mir dieses doch eine Ausnahme von der Regel, daß Du Dich erstens bei -10° R. verlobtest, und zweitens mit einem Individuum, das auf der Bleiche wohnt, doch – ›s’ ist schon so‹, mach eben jetzt gute Miene zum bösen Spiel. Lache mich nicht aus ob diesem Zettelchen, ich hätte Dir gar nicht geschrieben, aber da sind sie gekommen und haben gefragt, ob ich nichts in die Stadt zu bestellen habe, das war mir doch zu verführerisch, deshalb hast Du nun hier meinen Gruß.«

      Zu Weihnachten kamen die Verlobten nach Erlangen, ihr Besuch war wohl ein Höhepunkt des Glückes für beide Familien. Pauline hat dies erste Heimkommen als Braut gelegentlich geschildert: Ihre Mutter wußte, daß sie kommen würde, aber zu Hause war sie dennoch nicht, auch Bruder Fritz nicht, die Wohnung war verschlossen. Frau Pfaff hatte irgend ein Geschäft auswärts, vielleicht mußte sie nach der Wäsche sehen auf dem Trockenboden oder dergl. Dieses zurückzustellen, weil Pauline kam, oder gar für die eigene Tochter irgend welchen Empfang zu richten, wäre ihr gar nicht in den Sinn gekommen. Pauline wußte ja, wo in solchen Fällen der Schlüssel versteckt lag, sie fand Einlaß in die Wohnung und wartete da in Ungeduld, bis die Mutter von ihrem Ausgang heimgesprungen kam und sie sich zusammen an dem kalten Dezembertag einen Kaffee kochen konnten. Manchmal hat sie in späteren Jahren diese Einfachheit, die die Jugend in der Bescheidenheit erhielt, als nachahmenswertes Beispiel gerühmt, wenn sie sah, wie etwa für eine von der Reise heimkehrende Tochter übertriebene Empfangsvorbereitungen getroffen und die eigenen Kinder gefeiert wurden. An so etwas dachte allerdings Frau Pfaff nicht und doch war Pauline ihr Liebling und sie freute sich unsäglich über deren Glück, und ging mit allem Eifer daran, die Vorbereitungen für ihre Verheiratung zu treffen. Dieser Verbindung konnten die beiden Mütter ganz sorglos entgegensehen und Frau Pfaff, die immer unter der Geldnot gelitten hatte und die ihre älteste Tochter mit derselben Not kämpfen sah, empfand es als eine ganz neue und ungewohnte Freude, daß dieses Gespenst hier nicht drohte; eine schöne Carriere war ihrem Schwiegersohn, dem hervorragenden Juristen, sicher, ihre Pauline sollte es gut bekommen, in so jungen Jahren schon Frau Bürgermeisterin werden und eine große Amtswohnung mit Garten beziehen, welcher Reichtum!

      Noch für kurze Zeit kehrte Pauline zu dem Bruder zurück und diese Zeit benützte der Bräutigam, um ein Bild seiner Braut malen zu lassen. Der berühmte Porträtmaler Alexander Bruckmann übernahm den Auftrag und führte ihn zu großer Befriedigung aus. Von diesem Ölbild ist die Photographie abgenommen, die unserem Buch als Titelbild beigegeben ist. Pauline war schon nach Erlangen abgereist, um ihre Aussteuer zu besorgen, als das Bild in schönem Rahmen in die Bürgermeisterswohnung geliefert wurde. Der Bräutigam schreibt ihr darüber:

      »Heute Morgen hat Dein Bild seinen Einzug gehalten. In Gesellschaft betrachtet hat es etwas à la Le Bret an sich, aber wenn ich unter vier Augen mit ihm bin, verwandelt es sich, wie ich heute gesehen habe, und entwickelt so liebenswürdige Eigenschaften, daß Du eifersüchtig werden könntest. Nur etwas zu spröd finde ich seine Haltung, denn aus seinem sanften gemäßigten Lächeln ist es nicht heraus zu schrecken, während das Original doch manchmal in Feuer und Leidenschaft gerät.«

      Da die Hochzeit schon auf Ostern festgesetzt wurde, mußte in Erlangen fleißig an der Aussteuer gearbeitet werden. Aus dieser Geschäftigkeit heraus gab Pauline ihrem Bräutigam eine wenig verlockende Schilderung:

      »In unserem Haus sind nun die Näherinnen und der enge Raum ist voll Unordnung, Dunkelheit, Staub, Bettfedern, und um die Mannigfaltigkeit des Anblicks zu vervollkommnen, eine überall hin verteilte mineralogische Sammlung (von Fritz). Wenn man sich umher bewegt, wird man voll Bettfedern, an meinen Haaren und Kleidern trage ich immer eine halbe Gans herum. Trotz all der Wüstenei, die mich umgibt, bin ich doch eine ganz vereinsamte Kreatur, ich komme mir vor wie einer, der aus der Welt hinausgefallen ist, überall wohin ich schaue ist nichts und gar nichts, du darfst wohl Mitleid mit einem so armseligen verlassenen Menschen haben und ihm einen Brief schreiben.«

      Er läßt auch sein »Herzkind« nicht lange warten und erzählt ihr, wie auch er in Vorbereitungen für den künftigen Hausstand steckt:

      »Unsere häusliche Einrichtung entwickelt sich. Es ist hübsch anzusehen, wie aus der öden Zelle eines Junggesellen sich so ganz allmählich der Wohnsitz einer Familie gestaltet. Die größten Fortschritte hat das Schlafzimmer gemacht und das ist, obwohl nur durch Zufall herbeigeführt, nicht mehr als billig. Denn alle andern Gemächer kann sich ein armseliger Junggeselle in beliebiger Zeit splendid und behaglich herstellen, nur an der Einrichtung des Schlafzimmers ist auf den ersten Blick der merkwürdige Unterschied erkenntlich. Es war mir seltsam vergnüglich zu Mut, wie ich vorhin in der Dämmerung hineintrat und alles fast schon bereit war, uns zu empfangen.«

      Der Hochzeitstermin naht und der Braut wird bange trotz allen Sehnens. »Ich bin gestern abend furchtbar erschrocken«, schreibt sie, »wie ich den Mond wahrhaftig schon beinahe voll gesehen habe, das ist der letzte Termin, das letzte Viertel scheint schon in Nördlingen. Ich hab’s schon lang kommen sehen, daß es jetzt ernst wird!«

      Was sie furchtsam machte, wußte er wohl: es war der Gedanke, den sie ihm gleich bei der Verlobung ausgesprochen hatte, daß sie ihm nicht genügen könne. Er hatte ihr versichert, sie würde bald anders empfinden und erkundigt sich nun darnach:

      »Sage mir jetzt, wie steht es um deine Furchtsamkeit und zweifelsüchtige Selbstpeinigungen. Wie hat unsere grausame Trennung gewirkt, bindend oder lösend? Hast Du die wunderbare Erscheinung noch nicht bemerkt, daß der Raum ohnmächtig gegen uns ist, daß wir uns auf eine Distanz von dreißig Poststunden ununterbrochen in den Armen halten und hast Du nicht daraus gefolgert, daß wir gewiß mit Leib und Seele zusammen gehören? Jeden Morgen und Abend frage ich Dich: Du Kleingläubige und Zaghafte: ›Fürchtest Du Dich noch?‹ Immer hat sie bis jetzt ›ja‹ genickt, aber seit etlichen Tagen leichter und schwächer und es will mir erscheinen, als wollte sich’s allmählich in eine andere Bewegung verwandeln. Komm und gesteh – oder leugne auch, wenn es sein muß, aber komm nur, denn diese Distanzen von dreißig Stunden, wenn sie auch nur Illusion sind, ich kann sie doch nicht vertragen. Gute Nacht! Wenn Du im Schlaf durch ein Rauschen aufgestört wirst, so heiße Deine Nerven sich beruhigen, es ist nur ein Traum von mir, der Dich belauscht.«

      Mehr und mehr drängen sich nun praktische Besprechungen in den Vordergrund des Briefwechsels und unsere Brautleute sind glücklich in der Kirche proklamiert. Der Bräutigam schreibt darüber:

      »Heute abend komme ich von einer Waldpartie nach Hause und will gerade wieder gehen, um Hans und Bruckmann aufzusuchen, da stürzt mir atemlos der Kirchner Brunner nach. Zweimal habe er mich schon umsonst gesucht und es sei jetzt höchste Zeit. Der Herr Stadtpfarrer lassen sich empfehlen und anfragen, mit welchem Titel der Herr Bürgermeister wünschen, daß Ihre Fräulein Braut morgen proklamiert werde – Jungfrau oder Fräulein? Der Herr Stadtpfarrer meine, da die Eltern der Braut dasjenige gewesen sind, was sie gewesen sind, so lasse sich wohl das Prädikat ›Fräulein‹ anwenden. ›So,‹ sag’ ich, ›was ist denn der übliche Ausdruck bei angesehenen Bürgern oder Beamten?‹ ›Ja,‹ sagt der Kirchner achselzuckend, ›Jungfrau‹. ›Also,‹ sag’ ich, ›sagen Sie dem Herrn Stadtpfarrer meine Empfehlung und weil ich glaube, daß meine Braut auf den Titel ›Jungfrau,‹ der mir recht gut gefällt, gleichfalls Anspruch habe, laß ich ihn ersuchen, sich desselben zu bedienen.‹ Hierauf zog sich der Diener der Kirche zurück, bestürzt, daß ein Gnadengeschenk von solchem Wert abgelehnt werden könne und die Jungfrau P. P. ist heute (10.) proklamiert worden.«

      Es folgen hierauf einige praktische Mitteilungen über Schreiner und andere Handwerksleute, aber der Gedanke, daß sie künftig in diesen Räumen leben wird, führt ihn bald wieder zum Ausdruck seiner Liebe: »Der Gedanke, daß auf der Welt ein Wesen ist, das nur für mich lebt und in mir, macht mich, so oft ich ihn fasse (wiewohl ich ihn kaum fassen kann), beinahe schwindeln vor Freude. Wenn ich in Deinen Augen meine Seele sich spiegeln sehe, so ist es wie eine Bürgschaft der Unsterblichkeit, denn ich fühle, daß meine Seele auch außer mir fortleben kann und fortlebt. Das ist die Kraft und Zuversicht, die ich – trotz Deiner Protestationen – durch Dich gewinne.«

      Die Brautzeit geht