Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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      Dritter Band.

       Inhaltsverzeichnis

      Fünfzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Ein heißer Sommerabend lag schwül über der Ebene, welche das stille Dorf Blechow umgab, trübe und schwer hing die glühende Luft vom Himmel herab, welcher, ohne mit Wolken bedeckt zu sein, doch fast grau aussah, und obgleich die Sonne noch ziemlich hoch über dem Horizont stand, malten ihre Strahlen doch einen scharfen, blutrothen Schein auf die trübe Himmelsfarbe. Still war es überall umher. Im Dorfe fehlten die meisten jungen Bursche, welche alle auf die Nachricht, daß die Armee in Göttingen konzentrirt werde, hinausgezogen waren, um die Truppen, sei es dort, sei es auf dem Marsche, zu erreichen, — still war es vor Allem im alten Amtshause, wo der Oberamtmann mit finster gefalteter Stirn im großen Saale auf und nieder ging und von Zeit zu Zeit mit düsterem Blick hinausschaute über den Garten hin in die weite Ebene. Er hatte den Befehl des Königs erhalten, nach welchem die Beamten ruhig auf ihrem Posten bleiben sollten, er hatte durch die Landdrostei ein Schreiben des Ministeriums erhalten, nach welchem die Verwaltung des Landes von dem preußischen Civilkommissär von Hardenburg übernommen worden — und er hatte dann alle Geschäfte dem Auditor von Bergfeld übergeben und ihm gesagt: »Sie haben Geschäftskenntniß genug, um das Alles zu erledigen, und die Befehle, die von Oben kommen werden, auszuführen, — machen Sie Alles ab und wo Sie meine Unterschrift brauchen, bringen Sie mir die Sachen, — ich will auf dem Posten bleiben und unterzeichnen, weil es der König so befohlen, — aber tragen Sie mir nichts vor, — denn ich will von all' dem Elend nichts hören und mein altes Herz, das schon traurig genug ist, nicht noch mit stündlichen Nadelstichen verwunden. — Nur wenn es darauf ankommt, irgend welche Belastung von den Amtseingesessenen abzuwenden, — dann sagen Sie mir, um was es sich handelt, und der preußische Civilkommissär soll die Stimme des alten Wendenstein eben so deutlich hören, wie sie die hannöverischen Herren Referenten zu hören gewohnt waren!« Damit hatte er die Bureauzimmer verlassen, — seinen Namen geschrieben, wo es nöthig war — und wenig Worte waren über seine Lippen gekommen, seit die Okkupationsregierung das Land beherrschte.

      Still und lautlos waltete Frau von Wendenstein im Hause, — sie wartete der Wirtschaft und pünktlich und ordentlich war Alles wie sonst, — zuweilen nur stand die alte Dame in plötzlicher Erstarrung still, den träumenden Blick wie in weite Fernen gerichtet, als folgte sie ihren Gedanken, die da weit hinauszogen über den waldumkränzten Horizont hin, — dann aber nahm sie mit eifriger Hast ihre Thätigkeit wieder auf, ruhelos durch die wohlbekannten Räume eilend, und je rastloser sie schaffte und ordnete, um so mehr schien sie der innern Bekümmerniß Herrin zu werden.

      Still war es auch im Pfarrhause. Niemand fehlte dort, ruhig ging Alles seinen gewohnten Gang, — aber es lag doch die Schwüle der Zeit über dem friedlichen Dach und selbst die Rosen im Garten senkten die Häupter ermattet vom brennenden Strahl der Sonne.

      Der Pastor war ausgegangen, um einige seiner Pfarrkinder zu besuchen, wie er es stets that, denn er meinte, mit der sonntäglichen Predigt sei es nicht gethan, und der Geistliche, der ein wirklicher guter Hirte und Seelsorger sein wolle, müsse das Wort Gottes auch hie und da im freundlichen Gespräch hineintragen in des täglichen Lebens Freuden und Sorgen.

      Helene saß am Fenster und bewegte gleichmäßig die Nadel ihrer Arbeit, — ihr Blick aber richtete sich oft gedankenvoll hinaus in die Ferne und die Hände sanken müde in den Schooß.

      Vor ihr saß der Kandidat Behrmann, schwarz und sauber gekleidet und glatt gescheitelt wie immer, und sein gleichmäßig wie immer zurechtgelegtes Gesicht war heute freundlicher und zufriedener als sonst.

      Sein scharfes, beobachtendes Auge folgte dem Blick, den das junge Mädchen nach dem fernen Horizont warf, und um die stockende Unterhaltung nicht ganz fallen zu lassen, sagte er:

      »Es ist merkwürdig, welche erdrückende Schwüle heute in der ganzen Natur liegt, man fühlt fast mechanisch den Druck dieser dichten, schweren Atmosphäre!«

      »Unsere armen Truppen, — was werden sie leiden müssen bei den Märschen in dieser Hitze!« rief Helene seufzend.

      »Ich bin in diesen Tagen doppelt glücklich und zufrieden,« sagte der Kandidat, »in dem Gedanken an meinen friedlichen und geistlichen Beruf, der mich so unnützen und im Grunde verwerflichen Anstrengungen und Leiden fern hält, wie sie die Soldaten jetzt ertragen müssen.«

      »Unnütz und verwerflich!« rief Helene, ihn mit großen Augen ansehend, — »unnütz nennst Du es, Vetter, für seinen König und für sein Vaterland in's Feld zu ziehen?«

      »Nicht im Sinne der Welt,« sagte er ruhig und salbungsvoll, »alle diese Leute thun gewiß ihre Pflicht nach ihrem besten Ermessen, — aber der Krieg selbst ist verwerflich, und die Opfer, die man ihm bringt, unnütz, denn was wird dadurch gewonnen? — O es ist gewiß ein besserer und Gott wohlgefälligerer Kampf, mit geistigen Waffen für die Veredlung der Menschen zu streiten, gegen Sünde und Unglauben, — wie Dein Vater es thut, Helene,« fügte er hinzu, — »und wie ich es ihm so gern nachthun möchte!«

      »Gewiß ist das ein edler Beruf, schön und heilig, — aber darum ist doch der Soldat auch im Dienste Gottes, wenn er für eine gerechte Sache kämpft,« — sagte das junge Mädchen eifrig.

      »Welche Sache ist die gerechte?« fragte der Kandidat, — »jede Partei ruft im Kriege Gott an — und oft siegt die offenbar ungerechte Sache.«

      »Für den Soldaten,« rief Helene, »ist die Sache die gerechte, welche ihm seine beschworene Pflicht zu vertheidigen gebietet —«

      »Gewiß, gewiß,« sagte der Kandidat wie beschwichtigend, — »aber,« fuhr er fort, — »die Frauen sollten doch mehr Freude an einem friedlichen Beruf, an einer stillen, segensreichen Wirksamkeit finden, — welche Stütze kann z. B. ein Soldat seinem Weibe und seinen Kindern bieten — jeden Augenblick kann er hinausgerissen werden in die Kämpfe der Großen und Mächtigen der Erde, — er läßt sein Leben für eine Sache, die ihn nicht berührt, und die Seinigen bleiben allein in Noth und Elend.«

      »Und tragen das stolze Bewußtsein im Herzen, Den, welchen sie beweinen, einen Helden nennen zu dürfen!« rief Helene lebhaft und mit strahlenden Augen.

      Der Kandidat warf einen lauernden Blick auf seine Cousine und sprach mit etwas gedämpfter Stimme:

      »Ich glaube, der Kampf im Dienste Gottes hat auch sein Heldenthum!«

      »Gewiß,« antwortete Helene unbefangen, »darum soll jeder Beruf seinen Kreis erfüllen, — und wir,« sagte sie lächelnd, »sind da, um zu trösten und zu helfen, wo die Kämpfe des Lebens ihre Wunden schlagen.«

      Und wieder richtete sich ihr Auge träumerisch in die Ferne.

      Nach einigen Augenblicken stand sie schnell auf.

      »Ich glaube,« sagte sie, »draußen wird die Hitze weniger erdrückend sein, — ich will dem Vater entgegen gehen, er muß bald zurückkommen.« Und ihren Strohhut aufsetzend fragte sie: »Gehst Du mit mir, Vetter?«

      »Mit großem Vergnügen,« antwortete er eifrig — und Beide gingen vom Pfarrhause hinab nach der Straße, dem Dorfe zu.

      »Ich habe mich in der kurzen Zeit hier schon so eingelebt,« sagte der Kandidat, nachdem sie einige Augenblicke schweigend neben einander gegangen waren, »daß ich es mir ganz gut vorstellen kann, welchen Reiz diese friedliche, stille Abgeschlossenheit auszuüben vermag und wie man hier allmälig die Genüsse der weiteren Kreise entbehren lernt.«

      »Siehst Du wohl?« sprach sie fast heiter, — »vor Kurzem noch schaudertest Du vor dieser Einsamkeit zurück, — wie ich vor der Unruhe der Stadt. — In Zeiten wie die jetzigen freilich,« fügte sie seufzend hinzu, — »ist es hart, hier so abgeschieden von der Welt zu sein, man hört so gar nichts, —