Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Vögel ihn begleiteten.

      Da wendete sich der Weg und plötzlich öffnete sich der Wald breit und ließ in einiger Entfernung einen schloßartigen alten Bau sehen, der, von hohen alten Bäumen umgeben, in den letzten Strahlen der Sonne dalag und von seinen großen Fenstern flammendes Licht auszuströmen schien.

      Am Ende des Waldes begannen die Häuser eines Dorfes, welches sich seitwärts von jenem großen Gebäude in Halbkreisform — wie alle wendischen Dörfer — hinzog.

      Hunde schlugen an. Der junge Offizier erwachte aus seiner langen Träumerei und richtete sich fest im Sattel auf. Das Pferd fühlte diese Bewegung und ohne weiteren Antrieb verließ es seine bisherige Gangart und trabte mit gespitzten Ohren auf dem durch das Dorf sich hinziehenden Wege der Anhöhe des Schlosses zu.

      Die Häuser standen an dem schönen und warmen Frühlingsabende offen. An ihren Giebeln sah man die charakteristischen Pferdeköpfe, welche in allen niedersächsischen Gegenden eine Rolle spielen und deren Kultus von den Wenden hier übernommen, gerade von ihnen besonders gepflegt wird.

      Alte und junge Bauern saßen vor den Thüren mit leichten häuslichen Arbeiten beschäftigt, auf den offenstehenden Dielen der Häuser waren die Frauen beschäftigt, ihre heutige Arbeit am Webstuhle zu beschließen, wobei sie jene eigentümlichen, wehmüthig monotonen Nationallieder sangen, welche überall dem Wendenstamme eigentümlich geblieben sind.

      Der junge Offizier wurde an allen Häusern freundlich begrüßt und erwiederte die Grüße eben so freundlich, indem er einzelne der Bauern bei ihren Namen nannte, in einer Weise, aus der man abnehmen konnte, daß er hier bekannt und heimisch sei.

      An der einen Seite des durch das Dorf gebildeten Halbkreises, nicht weit von dem Wege, der sich nach dem Schlosse hinaufzog, stand eine einfache, alte, aber nicht alterthümliche Kirche, daneben in einem sorgsam eingehegten und bereits sauber bestellten Garten, von einer Baumgruppe umgeben, das stille freundliche Pfarrhaus.

      Ein Fußpfad führte von dem Pfarrgarten nach der großen zum Schlosse hinlaufenden Straße und auf diesem Pfade gingen zwei Personen der Landstraße zu.

      Die eine dieser Personen war ein älterer Herr, der sich den Sechzigern nähern mochte. Sein schwarzer bis zum Halse mit einer Reihe von Knöpfen geschlossener Rock, die blendend weiße Kravate von feinem faltigem Batist, sowie jenes eigentümliche, hohe, viereckige Baret von schwarzem Sammet, welches nach dem Muster der auf uns gekommenen Bilder Luther's und Melanchthon's von den lutherischen Pfarrern in Hannover mit Vorliebe getragen wird, ließ auf den ersten Blick den geistlichen Herrn erkennen.

      Sein stark markirtes volles Gesicht von rother gesunder Farbe trug bei der freundlichen, wohlwollenden Heiterkeit, die es ausstrahlte, den Ausdruck eines energischen Willens, einer festen, in sich abgeschlossenen, überzeugungsvollen Sicherheit, welche, abgetrennt von dem großen Strome des Lebens, sich in der stillen besonderen Entwickelung eine eigene Welt erbaut hat und in dieser Ruhe und Genügen findet.

      Es war der Ortsgeistliche, Pastor Berger, der seit länger als zwanzig Jahren in der Gemeinde lebte.

      Neben ihm ging seine einzige Tochter, welche seit dem vor zehn Jahren erfolgten Tode ihrer Mutter das stille Leben ihres Vaters allein theilte und auf welche dieser alle Sorgfalt liebevoller und ernster Erziehung verwendet hatte, um ihr durch den Aufschluß aller allgemein menschlichen Genüsse des Geistes und Gemüthes einen Ersatz zu bieten für die große Welt, die ihr fern lag, und ihr jenes stille und friedliche Glück zu bereiten, das ihn selbst erfüllte.

      Das junge Mädchen trug einen dunkeln Anzug, der bei aller ländlichen Einfachheit eine gewisse Eleganz zeigte. Ihre nicht große Gestalt war schlank und biegsam, das kastanienbraune glänzende Haar, von einem schwarzen Sammethut überdeckt, umrahmte ein feines ovales Gesicht, dessen leicht geöffneter, frischer Mund lächelnd und freudig die Lebenslust einathmete, während des sinnenden Auges feuchter Glanz wunderbare Tiefen ahnen ließ, aus denen eine reiche und lebensvolle Poesie zum Licht emporsteigen könnte.

      Der junge Offizier bemerkte die beiden Personen auf dem Fußpfade, hielt sein Pferd an und rief, indem er die Hand zum militärischen Gruße an die Feldmütze emporhob: »Guten Abend, Herr Pastor, guten Abend, Fräulein Helene!«

      Der geistliche Herr rief ein fröhliches und lautes »Guten Abend« zurück, indem er zugleich mit der Hand grüßte, seine Tochter neigte leicht das Haupt, ohne mit den Lippen den Gruß zu erwiedern, indeß ein Lächeln, das auf ihren Lippen zitterte, ein lichtvoller Blick, der aus den Tiefen ihres Auges hervorzutauchen schien, zeigten, daß der Gruß von ihr nicht minder freundlich aufgenommen sei, als von ihrem Vater.

      Beide beschleunigten ihren Schritt und waren in wenig Augenblicken neben dem jungen Mann, der sie auf der Landstraße erwartet hatte.

      Als der geistliche Herr und seine Tochter zu ihm herantraten, war der junge Offizier vom Pferde gesprungen und reichte ihnen die Hand.

      »Sie wurden gestern erwartet, Herr von Wendenstein,« sagte der Pastor, »Ihr Bruder ist schon vorgestern angekommen und Ihr Vater begann bereits zu fürchten, daß Ihnen der Urlaub möchte versagt sein!«

      »Ich konnte nicht früher abkommen — da ich gestern noch Dienst hatte,« erwiederte der junge Offizier, »dafür kann ich aber nun zwei Tage länger bleiben — und wieder etwas Unterricht in den Naturwissenschaften bei meiner kleinen Lehrerin nehmen« — fügte er hinzu, indem er lächelnd sich zu dem Mädchen wendete, das inzwischen den Hals und Kopf des Pferdes gestreichelt hatte.

      »Wenn Sie nicht aufmerksamer und fleißiger sind als das letzte Mal, so werden Sie wenig Fortschritte machen,« erwiederte die Tochter des Pfarrers — »jetzt geben Sie mir nur die Zügel von Roland, der sich weit lieber von mir führen läßt, und kommen Sie schnell mit uns nach dem Schlosse hinauf; — wir waren auf dem Wege dahin und werden um so freundlicher empfangen werden, wenn wir Sie mitbringen.«

      Und indem sie die Zügel des Pferdes ergriff, trat sie zur Seite und folgte, das Pferd führend und ihm von Zeit zu Zeit ein freundliches Wort zurufend, ihrem Vater und dem jungen Offizier auf dem Wege zum Schlosse.

      Den Eingang zu diesem alten Gebäude bildete ein großes gemauertes Thor, das in einen gepflasterten Hof führte, der von leichten Mauern umgeben war, die unverkennbar die Stelle älterer verfallener Bollwerke eingenommen hatten. In der Mitte dieses weiten geräumigen Hofes stand ein einzelner uralter Lindenbaum, rechts und links lagen Ställe und Räumlichkeiten der häuslichen Wirthschaft in zwei offenbar in neuerer Zeit erbauten breiten und niedrigen Gebäuden. Im Hintergrunde des Hofes lag das eigentliche Wohnhaus, der Ueberrest eines Baues, der vordem sich in großen Umrissen ausgedehnt haben mußte. Ohne irgend architektonische Schönheit, ohne irgend einen erkennbaren Baustyl, machte dieses Haus dennoch jenen ansprechenden Eindruck, welchen große alte Steinmassen mit weiten mächtigen Dimensionen, in freier Gegend und von großen Bäumen umgeben, stets hervorbringen.

      Die mächtige eichene Hausthür war weit geöffnet und führte in einen großen Flur, mit Fliesen belegt und durch zwei große, rechts und links von der Thür angebrachte Fenster von hellem Licht erfüllt.

      An den Wänden dieses Flurs standen mehrere jener uralten Schränke von schwarz gewordenem Eichenholz, in welchen unsere Vorfahren durch Generationen hindurch ihre häuslichen Schätze an Leinenzeug, Silber und Zinn, ihre Familienpapiere und Alles, was sie Werthvolles und Gediegenes besaßen, zu bewahren pflegten.

      Diese Schränke sprechen zu uns wie eine alte Familienchronik, fast wie eine Sage und verschwinden immer mehr vor der neuen Zeit — sie finden keinen Platz in einem unserer modernen winzigen Salons und in den mit Nippes gefüllten Boudoirs unserer heutigen Hausfrauen. Auch bedarf man ihrer nicht mehr, — denn wer wollte heute noch jene reichen Leinenschätze zur Aussteuer der Töchter von ihrer Geburt an sammeln, — man kauft das ja Alles so hübsch, bequem und vor Allem modern in den Magazinen; — wer bedarf heute noch solcher tiefen und weiten Schreine für das Silberzeug des Hauses — hat man doch das hübsche Christoffle, das man mit den Fassons der neuen Mode wechselt! Zwischen diesen ehrwürdigen alten Schränken, welche hier noch in heimischer Würde sich ausdehnten und nichts ahnen mochten von der Generation der windigen Konsolen und Etagèren, die sich draußen weit in der Welt