Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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um sich in Wälder zu verbergen, die lebhaft an die geradlinigen Alleen des versailler Parks erinnerten, — Familienporträts von alten Herren in Stutzperrücken und Sammetröcken, in längst vergessenen Uniformen und in schwarzen Talaren, von freundlich blickenden Damen mit Halskrausen, mit Fontangen und Reifröcken. — Und all' diese alte Zeit athmete und lebte hier so natürlich und ruhig, als ob es hier immer heute sei, wie es gestern war, und morgen sein werde, wie es heute gewesen.

      Rechts und links von diesem weiten, mächtigen Flur führten einige alte eichene Thüren in die verschiedenen Wohnräume des Hauses, in der Mitte, der Eingangsthüre gegenüber, trat man in ein großes Zimmer, das man heute in den städtischen Wohnungen einen Saal nennen würde und das in seiner gediegenen, einfachen Ausstattung dem ganzen Hause entsprach. Der einzige moderne Gegenstand in diesem Zimmer war ein prachtvoller Flügel, welcher geöffnet dastand und auf welchem zerstreut liegende Notenhefte bewiesen, daß er benützt werde.

      Ein hochlehniges, breites Kanapee stand an der Wand, davor ein mächtiger, auf Säulenfüßen ruhender Tisch von dunklem Mahagoniholz, — eine bereits angezündete Lampe mit großer Kuppel von weißem Milchglas auf hohem, schlankem, grünlackirtem Fuß mit weißen Verzierungen und kämpfte mit ihrem milden Licht gegen die Dämmerung, deren gelbe Reflexe durch zwei große Fenster und eine geöffnete, weite Glasthüre hereindrangen. Durch diese Glasthüre trat man auf eine breite, weitgedehnte Terrasse, die sich nach der Gartenseite längs des ganzen Hauses hinzog und an dessen rechter Ecke in eine runde Plattform auslief, die, auf steinernen Fundamenten ruhend, unverkennbar den Ort anzeigte, an welchem einst ein mächtiger, runder Thurm gestanden haben mußte.

      Hohe Bäume umfaßten diese Terrasse in genügenden Zwischenräumen, um das volle Licht in die Fenster dringen zu lassen, und ein freier Blick in das weite, reiche Land öffnete sich von hier aus nach allen Seiten. Einzelne, mit Buchsbaum eingefaßte Blumenbeete unterbrachen den reinlichen Kies und zeigten bereits buntfarbige Crocus und volle Schneeglöckchen in freundlichen Gruppen.

      So war der alte Amtssitz Blechow, auf welchem seit achtzehn Jahren der würdige Oberamtmann von Wendenstein das Amt verwaltete, in jener alten patriarchalischen Weise der hannöverischen Administration, in welcher früher die Amtshauptmänner zugleich die Pächter der großen Domänen waren und des Lebens goldenen Baum höher achteten, als die graue Theorie administrativer Form.

      Die großen Domänenpachtungen hatte zwar der Herr von Wendenstein nicht mehr, wie seine Vorgänger, ein fester Gehalt hatte dieselben ersetzt und Vieles war anders, strammer, bureaukratischer geworden in der Landesverwaltung, — aber der alte Amtssitz auf dem Schlosse zu Blechow war ihm geblieben, ein nicht unbedeutendes Vermögen setzte ihn in den Stand, auf dem großen Fuße der alten hannöverischen Droste und Amtshauptmänner zu leben, und so hatte er, während er durch seine Kenntnisse und seinen klaren Verstand den neuen Anforderungen nach oben hin genügte, nach unten das alte Verhältniß so viel als möglich erhalten, und die persönliche Würde, das persönliche Vertrauen trug, erhielt und verstärkte bei ihm die dienstliche Autorität.

      In dem großen Familienzimmer saß auf dem breiten Kanapee vor dem großen Tische, der sich bei der tiefer sinkenden Dämmerung immer heller in dem weißen Glanz der geselligen Lampe beleuchtete, die Herrin des Hauses, die alte Frau von Wendenstein, die würdige Lenkerin dieses alten, weiten, hallenden Hauses, mit den mächtigen Thüren, den ungeheuren Schränken und den alten ehrenfesten Bildern.

      Eine einfache weiße Haube von schneeweißem Tüll, mit sorgfältig gefältelter Krause und silbergrauen Bändern umrahmte das feine und etwas bleiche Gesicht der alten Dame, das, obwohl Frau von Wendenstein nur wenige Jahre jünger war, als ihr Gemahl, noch Spuren großer Schönheit um den feingeschnittenen Mund und die großen, mandelförmig geschnittenen blauen Augen zeigte. Das fast ganz graue, aber reiche Haar fiel, oben glatt gescheitelt, an beiden Seiten unter der Haube in einigen sorgfältig gehaltenen grauen Locken hervor, welche die alte Dame häufig mit der feinen weißen Hand leicht zurückstrich und neben der Haubenkrause ordnete. Die Züge dieses Gesichts drückten eine unendliche Milde und Weichheit aus, dabei aber auch eine solch' geordnete tiefe Ruhe, eine solch' gleichmäßige Sicherheit in Blick und Mienenspiel, daß bei dem Anblick dieser Frau, wie sie in dem einfachen, weder modernen noch altfränkischen schwarzseidenen Kleid, mit dem kleinen blendend weißen Halskragen und den schneeigen glatten Manschetten auf dem Sopha saß, die Hände mit der leichten weißen Stickerei auf dem Schooße ruhend und den Blick gedankenvoll, aber freundlich und klar, durch die Scheiben der Fenster auf den Abendhimmel gerichtet, — daß bei diesem Anblick Jedem, der das Haus betrat, ein duftiger Hauch der Häuslichkeit, der Ordnung, der Milde und der herzlichen Gastlichkeit entgegenströmen mußte. In diesem Hause konnte kein unsauberer Fleck sein, kein verdorbenes Gericht und kein Abweichen von der geregelten Zeit und Stunde, — aber es konnte auch kein Kummer das Haupt eines Familiengliedes umwölken, kein Leid das Herz bedrücken, welches das scharfe, treue Auge der Gattin und Mutter nicht erspäht, welches ein freundliches gutes Wort ihres Mundes nicht verscheucht oder erleichtert hätte.

      So war die Herrin des alten Amtshauses zu Blechow. Neben ihr saßen zwei junge Mädchen, ihre Töchter, frische, blühende Gestalten von 18 und 15 Jahren; die eine in der entwickelten Schönheit der erwachsenen Jungfrau, die andere im Uebergang aus dem Kindesalter, Beide mit gleicher Einfachheit in schlichter Haustoilette, welcher die feine weiße und mit großer Sorgfalt gearbeitete und gestickte Wäsche, sowie die schön und geschmackvoll geordneten Haare eine vornehme Eleganz verliehen.

      Bei den Damen saß der Auditor von Bergfeld, welcher dem Oberamtmann als Hülfsarbeiter bei der Amtsverwaltung beigegeben war und in dessen Familie nach der alten Sitte gastfreie Aufnahme gefunden hatte.

      Draußen auf der Terrasse ging der alte Oberamtmann von Wendenstein auf und ab mit seinem ältesten Sohne, der, im Ministerium des Innern in Hannover als Regierungsassessor und Referent beschäftigt, nach Blechow gekommen war, um den auf den nächsten Tag fallenden Geburtstag des Vaters, wie das seit Jahren Sitte war, im Kreise der Familie zu verleben.

      Es war eine würdige und anziehende Gestalt, der alte Oberamtmann von Wendenstein. Das kurzgehaltene, graue, durchaus volle Haar umrahmte eine breite und stark gewölbte Stirn, unter welcher dunkle graue Augen so klug, scharf und streng, aber doch mit einem Anflug jovialer Heiterkeit hervorblickten und ein so lebendiges Feuer ausstrahlten, daß man dem alten Herrn, wenn man bloß seine Augen gesehen, gewiß zwanzig Lebensjahre weniger gegeben hätte. Seine scharf geschnittene lange Nase, sein breiter Mund mit vollen rothen Lippen und wunderbar konservirten Zähnen, seine frische Gesichtsfarbe vereinten sich zu einem lebensvollen Bilde von Willenskraft, Geist, Gesundheit und fröhlichem Lebensgenuß, das auf den ersten Blick Sympathie und Respekt zugleich einflößen mußte.

      Er trug nach alter Sitte keinen Bart, einen einfachen Anzug von grauem Frühlingstoff und eine leichte Hausmütze. Die kräftige Rechte stützte sich auf einen starken Stock mit großer Elfenbeinkrücke, um den durch podagrisches Leiden etwas erschwerten Gang zu stützen, — die einzige Schwäche in der gesunden und lebendigen Erscheinung des alten Herrn.

      Neben ihm ging sein ältester Sohn — dem Vater in den Gesichtszügen unverkennbar ähnlich, — und doch durchaus verschieden in Allem.

      Er trug bis auf den runden Hut einen vollkommen städtischen Anzug, glatt, einfach und tadellos,— sein Gesicht, bleicher als das des Vaters, trug einen stets gleichen Ausdruck höflicher Freundlichkeit und zurückhaltender Wichtigkeit. Sein Haar war glatt und sorgfältig gescheitelt, sein coteletteförmiger Backenbart in genauester Gleichmäßigkeit kurz gehalten und seine Bewegungen waren stets ruhig, vorsichtig, gemessen.

      So war der Vater in seiner Jugend nicht gewesen, das sah man sogleich, aber es war auch eine andere, ganz andere Zeit, die den Vater hatte heranwachsen sehen, als die, welche den Sohn erzogen, der Vater war eine Persönlichkeit — der Sohn ein Typus.

      »Und Du magst sagen, was Du willst,« rief der alte Herr von Wendenstein lebhaft, indem er stehen blieb und sich fester auf seinen Stock stützte, »diese neue Verwaltungsmethode, die immer tiefer einreißt, taugt nichts und führt zu nichts Gutem. Diese ewigen Anfragen zwingen uns zu Berichten, die eine unendliche Zeit fortnehmen und doch selten ein klares Bild der Dinge geben, diese durch alle Instanzen laufenden Reskripte, die oft sehr stark neben den Nagelkopf