Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Preis ohne Noth das Aeußerste herbeiführen. Aber ich weiß es, daß man in Wien den Krieg will, man will uns unsere berechtigte Stellung nicht einräumen, ja man will uns herunterdrücken und ersticken in der Maschinerie des Bundes — die Sie ja kennen und die auch Ihnen so viel Qual und Sorge gemacht hat. Dieser sächsische Beust und seine Freunde in Wien, der sanguinische Meysenbug, der ehrgeizige Pedant Biegeleben und der blaue Biedermann Max Gagern träumen von einem neuen deutschen Reich, in welchem ein Parlament von ihrer Mache den Kaiser Franz Joseph auf den deutschen Kaiserthron zurückführen soll — und der Kaiser selbst lebt und webt in diesen Ideen; sie haben ihm richtig mit dieser Komödie des frankfurter Fürstentages den Kopf verdreht. Sie bedenken nicht, die Thoren,« rief er lebhafter, indem er einige starke Schritte durch das Zimmer machte, »daß in Frankfurt nicht Der der Kaiser war, der unter dem Jubel des Straßenpublikums den boeuf historique serviren und die armen deutschen Fürsten« — fügte er bitter lächelnd hinzu — »in der Morgendämmerung zu einer matinée politique aus den Betten reißen ließ, bei der man das lauwarme Wasser der Beust'schen Weisheit genoß, — nein — wahrhaftig, Der war nicht der Kaiser, sondern Der war es, vor dessen kaltem Nein, vor dessen einfacher Abwesenheit der ganze Spuk sich in Dunst auflöste. — Und ich sollte ruhig abwarten, bis man einen vielleicht günstigeren Moment findet, um jene herrlichen Pläne auszuführen? — Und dann, mein verehrter Freund,« fuhr er fort, indem er wieder nahe vor Herrn von Manteuffel hintrat, welcher ihm mit unveränderter Ruhe zugehört hatte, »und dann — gibt es nicht Augenblicke, in denen der kühne Entschluß, die rasche That nothwendig sind, um Großes zu erreichen und schwere Gefahren abzuwenden? Weist uns nicht die Geschichte unseres Preußens auf solche Momente mehr als eine andere hin? — Was wäre aus Preußen geworden, wenn Friedrich der Große abgewartet hätte, bis die — den heutigen ganz ähnlichen Pläne Oesterreichs und Sachsens in günstigem Augenblick zur Reife gediehen wären, — wenn er nicht mit dem raschen, gewaltigen Griff seiner kühnen Hand zerstörend in das Gewebe des Neides und der Bosheit gegriffen hätte? — Wohin wäre Preußen gekommen ohne York's kühnen Entschluß? — O mein verehrter Freund!« rief Herr von Bismarck lebhaft, indem seine Gestalt sich breit und hoch ausdehnte, »mein Gefühl sagt es mir und mein Verstand widerspricht nicht, daß der Geist Friedrich's des Großen und der Geist von 1813 der Lebenshauch ist, der durch die preußische Geschichte weht, und daß der Zeiger der großen Weltuhr eine Stunde zeigt, in welcher dieser Geist lebendig werden muß, um Preußen vorwärts schreiten zu lassen — und nicht vorwärts gehen heißt hier rückwärts gehen, rückwärts auf unberechenbaren Bahnen. — Soll ich mit dieser Ueberzeugung im Herzen still sitzen und das Unheil kommen lassen, abwarten,« fügte er leiser hinzu, »bis vielleicht einmal eine Hand, weniger fest als die meinige, ein Sinn, weniger muthig als ich ihn in mir fühle, berufen sein könnte, der Gefahr gegenüber zu treten?«

      Herr von Manteuffel hatte bisher, den Arm leicht auf den Schreibtisch gestützt und die Augen zu Boden geschlagen, unbeweglich seinen Platz behalten.

      Er erhob sich jetzt und blickte dem Ministerpräsidenten, der in lebhafter Bewegung und mit fast ängstlicher Spannung an seiner Miene hing, voll und gerade in's Auge.

      »Herr von Bismarck,« sagte er dann mit ruhiger Stimme, in welcher eine etwas wärmere Nüance leise durchklang, »Sie berühren da eine Saite, die, wie Sie wissen, bei jedem Preußen anklingt und deren Ton auch durch mein Leben zieht; wer wollte es leugnen, daß es Momente gibt, in denen nur die kühne That zum Heil führt, wer wollte es leugnen, daß Preußen durch das große und mächtige Ergreifen solcher Momente zu dem geworden, was es heute ist! — Ob wir in diesem Augenblick vor einem solchen Moment stehen, darüber kann kein Sterblicher mit Unfehlbarkeit entscheiden und ich möchte darüber nicht mit Ihnen rechten, — darüber nach Pflicht und Gewissen zu urtheilen und danach zu handeln ist die Sache Desjenigen, der in solchen Augenblicken an den Stufen des Thrones steht. Sie stehen an diesem Platz — und ich danke Gott, daß ich ihm heute fern bin, Sie haben, was geschehen wird, vor der Geschichte, vor Ihrem Vaterlande und Ihrem Könige zu verantworten. — Sie müssen also entscheiden, was Sie zu thun haben, und ich möchte um keinen Preis der Welt Zweifel in Ihre Entschlüsse werfen. — Nun aber noch eine Frage — erschrecken Sie nicht — es soll die letzte sein, vielleicht ist es die wesentlichste.«

      Und Herr von Manteuffel trat noch einen Schritt näher zu Herrn von Bismarck und fragte, indem er seine Stimme zu leiserem Tone herabsinken ließ und dadurch gerade einen um so tieferen Nachdruck in dieselbe legte:

      »Wenn nun die Würfel des Kriegsspiels gegen Sie fallen, wenn die Berechnung der Chancen sich als falsch erweist — täuschen können wir uns Alle — wenn dann die siegreichen Gegner die Macht gewonnen und zu den lange vorbereiteten Plänen die Erbitterung des Kampfes und der Hochmuth des Sieges hinzutritt, — welchen Plan haben Sie gefaßt, welche Vorbereitungen haben Sie getroffen, um dann Preußen vor den äußersten Gefahren, vielleicht vor dem Untergange zu schützen? Sie wissen, ich habe immer dem Grundsatz gehuldigt, ein guter General müsse zunächst an den Rückzug denken und denselben vorbereiten, deßhalb werden Sie meine Frage natürlich finden und begreifen, welche Wichtigkeit ich auf dieselbe lege.«

      Herrn von Bismarck's bisher so lebhaft gespanntes und bewegtes Gesicht nahm eine stolze und kalte Ruhe an, um seinen Mund zuckte es in seltsamem Nervenspiel und aus seinem Auge blitzte es wie blanke Degenklingen. Mit jenem metallisch vibrirenden Ton der Stimme, der in gewissen Augenblicken durch seine Worte klingt, erwiederte er:

      »Wenn ich es für möglich halten und daran denken könnte, daß die preußische Armee von Oesterreich geschlagen würde, dann wäre ich nicht preußischer Minister!«

      Bei diesen, im Tone innigster Ueberzeugung ausgerufenen Worten trat Herr von Manteuffel langsam einen Schritt zurück und blickte mit dem Ausdruck des Erstaunens und des Nichtbegreifens in das leuchtende und zuversichtliche Antlitz des Ministerpräsidenten.

      Dann wendete er sich langsam zur Seite, ergriff seinen Hut und indem er sich mit ruhiger Höflichkeit gegen Herrn von Bismarck verneigte, sprach er im Tone gewöhnlicher Salonunterhaltung:

      »Ich glaube, der Zweck unserer Unterredung ist erreicht, wir haben das Thema erschöpft und ich darf Ihre so knapp gemessene Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«

      Herrn von Bismarck's lebhaft animirte Züge sanken bis zu dem Ausdruck schmerzlicher Wehmuth herab und er erwiederte mit traurigem Ton:

      »Das Thema ist nicht erschöpft — sagen Sie lieber, daß Sie es nicht weiter diskutiren wollen, — da wir uns, wie ich wohl verstehe, in excentrischen Kreisen bewegen, die keinen Punkt mit einander gemein haben.«

      »Wenn dieß der Fall ist,« sagte Herr von Manteuffel, »so würde ein weiteres Herumbewegen in den getrennten Sphären keinen Zweck und Nutzen haben, und — wie ich glaube,« setzte er leicht lächelnd hinzu, »in einem Punkt sind wir gewiß gleicher Ansicht: daß die Zeit zu kostbar ist, um sie mit unnützen Worten zu verlieren.«

      »So leben Sie wohl,« sprach Herr voll Bismarck ernst, indem er Herrn von Manteuffel die Hand drückte, »Sie lassen mich um eine Hoffnung ärmer, um eine Stütze schwächer.«

      »Sie bedürfen fremder Stützen nicht,« erwiederte Herr von Manteuffel, »und seien Sie überzeugt, was auch geschehen möge, meine innigsten Wünsche werden der Erhaltung und Entwicklung der Größe und des Ruhmes Preußens geweiht sein.«

      Und mit leichter Verbeugung schritt er zur Thüre.

      Herr von Bismarck begleitete ihn schweigend bis zum Vorzimmer und setzte sich sodann vor seinen Schreibtisch, wo er einige Minuten in tiefen Gedanken versunken sitzen blieb.

      »Alle, Alle,« rief er dann plötzlich, indem er aufsprang und mit heftigen Schritten das Zimmer durchmaß, »Alle singen dasselbe Lied, Alle sprechen sie von der Verantwortung, von den Gefahren, von dem Elend des Krieges! — Aber fühle ich denn diese Verantwortung nicht, — sehe ich diese Gefahr nicht — bleibt denn mein Herz kalt bei dem Gedanken an die Kriegsnoth? Aber weil ich die Gefahr sehe, darf ich vor dieser Noth nicht zurückbeben, und weil ich die Ueberzeugung der Nothwendigkeit habe, muß ich die Verantwortung auf mich nehmen. Ich weiß es wohl, warum die Meisten mich von kühner That zurückhalten wollen, jene liberalen Parlamentaristen fürchten das Waffenklirren, ja, vielleicht fürchten sie sogar den Sieg