Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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günstig,« erwiederte Herr von Bismarck, »und in Norderney sowohl als auf der Marienburg — doch das wird sich zeigen, für's Erste lege ich allerdings mehr Gewicht auf die Politik. — «

      »Und was hat Graf Platen in dieser Beziehung versprochen?«

      »Die Neutralität — wie er es bereits früher gegen den Prinzen Ysenburg gethan —«

      »Und der Vertrag darüber ist geschlossen?«

      »Graf Platen konnte das natürlich nicht allein, auch schien er Geheimhaltung der ganzen Sache zu wünschen, um nicht vor der Zeit in Frankfurt und Wien Susceptibilitäten zu erregen; indeß hat er mir die bestimmtesten Versicherungen gegeben und sich zugleich persönlich so beißend über Beust und die wiener Staatskanzlei ausgesprochen, daß ich ihm glauben muß.«

      »Verzeihen Sie mir,« warf Herr von Manteuffel ein, »daß ich diese hannöverische Frage — auf welche ich einen gewissen Werth lege, kurz — wenn Sie wollen, etwas skeptisch resümire. Dieselbe beschränkt sich, wie mir scheint, auf Verhandlungen ohne ein bestimmtes Resultat — auf Versicherungen und Versprechungen des Grafen Platen — wäre es nicht vielleicht besser gewesen, in Hannover selbst ernstliche Schritte zu thun — Georg V. ist kein Louis XIII. und Graf Platen — kein Richelieu.«

      »Ich habe auch daran gedacht,« bemerkte Herr von Bismarck, — »Sie wissen, daß der hier von Hannover akkreditirte Herr von Stockhausen mit den Baudissins verwandt ist — der eine Baudissin, Schriftsteller, Feuilletonist etc., den Sie vielleicht haben nennen hören, hat den jungen Stockhausen, den Sekretär seines Vaters, mit Keudell in Verbindung gesetzt — vielleicht gelingt es ans diesem Wege, direktere Einwirkung in Hannover zu ermöglichen — ich kann jedenfalls nur wiederholen, daß ich alles Ernstes eine feste und definitive Freundschaft mit Hannover und die Erhaltung des dortigen Thrones wünsche und Alles aufbieten werde, um zu diesem Resultat zu kommen — gegen die Ansicht vieler Preußen, wie Sie wissen. — Mit Hannover hängt Kurhessen innig zusammen, der Kurfürst scheint den Weg des Königs von Hannover gehen zu wollen, übrigens macht mir diese Frage wenig Sorgen; sie ist keine dynastische, die Nachfolger sind uns sicher.«

      »Und« — fragte Herr von Manteuffel weiter, »halten Sie es für möglich, im Falle eines Krieges gegen Oesterreich die Neutralität von Bayern und Württemberg zu erlangen?«

      »Nein,« erwiederte Herr von Bismarck, »die österreichische Partei ist allmächtig in München, und der Prinz Reuß schreibt mir, daß namentlich seit dort etwas von der italienischen Allianz verlautet habe, eine bayerische Neutralität absolut unmöglich sei. Das Einzige, was sich vielleicht erreichen ließe, sei eine laue Kriegführung. Nun, ich glaube, die wird sich schon von selbst ergeben, der ganze Schwerpunkt wird immer in Böhmen liegen. — Da habe ich Ihnen nun im Wesentlichen so ziemlich die ganze Lage entwickelt. Wollen Sie über irgend einen Punkt noch aufgeklärt sein, so fragen Sie mich, — und nun bitte ich Sie um Ihre Meinung en connaissance de cause.«

      Herr von Manteuffel sah einige Augenblicke schweigend zu Boden; dann erhob er sein Auge zu dem äußerst gespannten Antlitz seines Gegenübers und begann mit jener sanften, ruhigen Stimme und jenem leichtfließenden, eindringenden Ton, der ihm, obgleich er durchaus niemals ein öffentlicher Redner war, im persönlichen Verkehr eine so eigentümlich wirkungsvolle Beredsamkeit verlieh:

      »Ich sehe allerdings, daß Sie alle Punkte in's Auge gefaßt haben, welche bei dem großen Kampfe in Betracht kommen, und daß Vieles geschehen ist, um die Chancen des Erfolges auf Ihre Seite zu bringen — allein ich sehe nur in einem einzigen Punkte etwas wirklich Fertiges, Vollendetes und Sicheres: dieser Punkt ist die preußische Armee. — Alles Uebrige in dem Gebäude ist unsicher und schwankend. Frankreichs Stellung ist keine vollkommen klare und feste, Deutschland scheint mir feindlich, denn — aufrichtig gesprochen — ich glaube nicht an Hannover, die Politik der Sicherheit und Vorsicht liegt nicht im Charakter des Königs und, ich wiederhole es, Hannover kann sehr gefährlich werden. Bedenken Sie, daß die Brigade Kalik noch in Holstein steht, bedenken Sie, daß Hannover und Hessen eine ziemlich starke Macht aufstellen können und daß Sie nicht viel übrig haben, um dorthin zu operiren. — Italien? — Seine Allianz ist sicher, wie Sie mir sagen; nun, ich will auch glauben, daß man dort Wort hält — glauben Sie, daß die italienische Armee auf Erfolge rechnen kann? Ich glaube es nicht. Mag Oesterreichs Militärverfassung so mangelhaft sein, wie sie will, auf dem italienischen Kriegstheater, in den Gebieten des Festungsvierecks wird Oesterreich die Italiener immer schlagen, jene Gebiete kennen die österreichischen Generalstäbe wie ein Schachbrett, und dort zu schlagen, dazu werden sie erzogen, darauf werden sie — wenn Sie wollen — dressirt — ich sehe also nur eine Niederlage für Italien voraus.«

      »Aber,« warf Herr von Bismarck lebhaft ein, »schon der Umstand, daß Oesterreich gezwungen wird, auf zwei Kriegstheatern zu schlagen, wiegt wahrlich schwer genug. Wie viel Truppen wird man uns denn noch entgegenstellen können? Oesterreich wirft an den verschiedenen deutschen Höfen, wie man mir mittheilt, mit 800,000 Mann um sich — ich weiß aber bestimmt, daß bei Weitem nicht die Hälfte davon da ist.«

      »Nun,« sagte Herr von Manteuffel, »lassen wir die Erörterung der Chancen, ich gebe zu, daß sie vorhanden sind, wesentlich aber in der Tüchtigkeit der Armee. — Aber eine zweite, ernste Frage. Ist der Krieg nöthig? Ist die Lage so, daß alles schwere Unheil, alle großen, großen Gefahren eines so gewaltigen Kampfes heraufbeschworen werden müssen? Sie wissen, auch ich will Preußen an die Spitze von Deutschland bringen, ich wünsche das als Preuße, ich will es aus Ueberzeugung als Deutscher und ich habe dafür als Minister gearbeitet, so viel ich es vermochte. Aber ich habe geglaubt, daß solche Entwicklungen durch die Zeit in organischem Wachsthum gereift werden müssen, und ich habe als den größten Feind preußischer Führung in Deutschland das Mißtrauen der Deutschen gefunden; dieß Mißtrauen, die Furcht der Fürsten für ihre Souveränetät und die Zukunft ihrer Dynastieen, die Furcht der Volksstämme für ihre autonomische Besonderheit stemmt sich Preußen entgegen und wird von Oesterreich stets geschickt benutzt, welches durch seinen fast zu großen Komplex gegen ein gleiches Mißtrauen gesichert ist. Ich habe es für die Aufgabe Preußens gehalten — und habe meinerseits darnach gestrebt, — uns das Vertrauen der Fürsten und Völker in Deutschland zu gewinnen. — Gelingt das, so ist die Führung unser und die Rolle Oesterreichs ausgespielt, denn ohne jenes Mißtrauen wendet sich der deutsche Geist, der Geist der Bildung und Aufklärung, der Geist des fortschreitenden nationalen Lebens uns zu. — Außerdem habe ich meine bestimmte Ansicht über preußische Kriege. Unsere Macht ist groß, — aber sie ist besonders und eigenthümlich, denn sie stellt, wenn sie voll entfaltet wird, das ganze Land auf das Schlachtfeld, und bei einer unglücklichen Wendung stehen wir der äußersten Katastrophe näher, als irgend ein anderer Staat. So lange unsere Macht droht, ist sie sehr stark; sie nimmt ab, wenn sie wirklich in Aktion tritt. Stehen wir Gewehr bei Fuß, so muß man immer mit uns rechnen und« — fügte Herr von Manteuffel mit dem Ausdruck einer gewissen ruhigen Befriedigung bei, — »der Pariser Frieden spricht ein wenig für diese meine Maxime. — Wo ist nun die Notwendigkeit, jenes Vertrauen, das schon durch die neue Aera erschüttert ist, tief zu zerstören, wo ist der Zwang, die mächtige reservirte Stellung Preußens durch das ungewisse Würfelspiel des Krieges schwer zu gefährden? — Sie werden,« fuhr er mit einem trüben Lächeln fort, »mich vielleicht für einen furchtsamen, engherzigen Pedanten halten, — aber da Sie mich um meine Meinung gefragt, dringend gefragt haben, so bin ich wohl berechtigt, meinerseits diese Fragen zu stellen.«

      Herr von Bismarcks Gesicht hatte, während Herr von Manteuffel sprach, eine nervöse Bewegung gezeigt, eine steigende Ungeduld zitterte über seine Züge, ohne daß er jedoch eine Miene oder eine Bewegung der Unterbrechung gemacht hätte.

      Als Herr von Manteuffel geendet, stand der Ministerpräsident lebhaft auf, näherte sich seinem Gaste und rief, indem er dessen Hand ergriff:

      »O mein verehrter Freund, ich kenne ja diese Ihre Ansichten, ich kenne die edlen Gesinnungen, welche Sie bewegt und geleitet haben, so lange Sie das Ruder des preußischen Staates führten, ich kenne Ihre Gewissenhaftigkeit und Vorsicht, — glauben Sie mir, auch ich bin weit entfernt, leichtsinnig mit den Schicksalen des preußischen Staates, dieser kunstvollen Schöpfung jahrhundertelangen Fleißes, zu spielen! Glauben Sie mir, nicht ich bin es,