Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Stellung. — Was mich betrifft,« fügte er nachdenklich und ernster hinzu — »ich liebe die Preußen nicht, — wir Hannoveraner vom alten Schlage haben keine Sympathie für das preußische Wesen — ich bedauere, daß man unserer Armee die alte hannöverische Uniform ausgezogen und viel Preußisches bei uns eingeführt hat, ich bedauere noch mehr, daß jetzt der Herr von Bennigsen und seine Nationalvereinler uns ganz unter die preußische Spitze bringen wollen — aber ich möchte doch, daß wir auf vernünftig gutem Fuß mit dem großen und gefährlichen Nachbar stehen, und uns nicht in gewagte Unternehmungen mit dem Oesterreicher einlassen, zu dem ich kein Vertrauen habe und von dem uns und Deutschland noch nichts Gutes gekommen ist, — vor Allem möchte ich nicht, daß wir uns in unserer gefährlichen exponirten Lage zwischen zwei Stühle setzen, — und — — Doch,« fügte er sich unterbrechend hinzu, »das ist die Sache der Herren da oben. Unsern auswärtigen Minister, den Grafen Platen, kenne ich nicht, ich habe ihn einmal in Hannover gesehen und da schien er mir ein artiger, angenehmer Mann zu sein — aber Bacmeister, den kenne ich und verehre seinen Geist und Charakter hoch — was sagt denn der zu der neuen Maßregel?«

      Der Regierungsassessor räusperte sich und erwiederte: »Diese Sache geht in ihrer politischen Bedeutung das Ministerium des Auswärtigen und in ihrer Ausführung das Kriegsministerium an, und ich weiß nicht, ob das Gesammtministerium in Betreff der Frage zusammengetreten ist, — jedenfalls habe ich von meinem Chef eine Ansicht über dieselbe nicht aussprechen hören — wie er denn überhaupt sehr vorsichtig in seinen Aeußerungen ist. Uebrigens glaubt man in Hannover noch durchaus nicht an den wirklichen Ausbruch des kriegerischen Konflikts.«

      »Gebe Gott, daß man Recht hätte,« rief der Pastor Berger mit einem tiefen Athemzuge — »ein deutscher Krieg, welch' ein gewaltiges Unglück wäre das — und ich wüßte in der That nicht, wohin sich meine Sympathieen wenden sollten, denn der Krieg möge ausfallen wie er wolle, so wird einer der mächtigen deutschen Rivalen die Oberhand in Deutschland bekommen. Ich kann dieß für das papistische Oesterreich mit seinen Kroaten, Panduren und Slaven nicht wünschen — meine unwillkürliche, persönliche Sympathie zieht mich zu unseren nordischen Brüdern, mit denen wir so viel gemein haben — aber daß der preußische Einfluß in Deutschland ohne Gegengewicht mächtig werde, kann ich wahrlich auch nicht wünschen, ist uns doch von Berlin der Nationalismus gekommen und bedroht doch die Union die ganze protestantische Kirche mit gefährlichem Indifferentismus. Gott erhalte, was wir haben, und erleuchte unsern König, daß er das Rechte wähle, um der reinen lutherischen Kirche eine sichere Stätte im lieben Hannoverlande zu erhalten!«

      »Ja, Gott erhalte uns den Frieden! darum bete ich täglich,« sagte die Frau von Wendenstein mit einem besorgten Blick auf ihren jüngeren Sohn, dessen fröhliches Lachen eben aus der in der Nähe des Fensters etablirten Gruppe der jungen Leute herübertönte — »welches Elend, welchen Jammer bringt der Krieg in alle Familien, — und was ist am Ende der Gewinn? Ein Gewicht mehr auf der politischen Wagschale der einen oder der andern Macht. — Ich dächte, wenn Jeder darauf sinnen würde, in seinem Hause glücklich und zufrieden zu sein und Diejenigen glücklich und zufrieden zu machen, welche sein Wirkungskreis berührt, so würde die Welt besser bestellt sein, als wenn man sich um Dinge stritte und schlüge, die dem wahren menschlichen Glück doch so unendlich fern liegen.«

      »Da haben wir meine liebe Hausfrau,« lachte der Oberamtmann — »was ihr Haus, ihre Küche und ihren Keller nicht berührt, das ist unnütz und schädlich, und ginge es nach ihr, so würde das ganze Staatsleben ein großer Familienhaushalt und die ganze Politik würde in eine abgelegene Polterkammer zurückgelegt.«

      »Und hat meine verehrte Freundin nicht ganz Recht?« sagte der Pastor mit freundlichem Lächeln gegen Frau von Wendenstein — »ist es nicht der Frauen Aufgabe, des Friedens Werke zu üben und die Saat, die wir im Tempel des Herrn ausstreuen, im Hause zu pflegen und zu Blüte und Frucht zu treiben? Gott gab den Gewaltigen der Erde das Recht, das Schwert zu gebrauchen, das er in ihre Hand legte — die müssen thun, was ihre Pflicht ist und was sie dereinst verantworten können — aber ich muß glauben, daß der Ewige mehr Freude hat am friedlichen Glück eines einträchtigen Hauses, als an den kunstreichen Schöpfungen der Politik und den blutigen Lorbeeren der Feldschlachten.«

      »Nun,« sagte der Oberamtmann, »wir werden in dem Gange der Dinge nichts ändern, also denken wir vorläufig an uns und unseres Leibes Nahrung, die uns Allen gewiß gut thun wird.«

      Der alte Diener war an einer Seitenthür des Salons erschienen und hatte deren beide Flügel geöffnet, so daß man den daran stoßenden Speisesaal erblickte, in welchem sich eine weit und geräumig gedeckte Tafel, von schweren silbernen Armleuchtern erleuchtet, zeigte. Der kräftige Duft einer guten Küche drang zu den Versammelten und war so würzig und einladend, daß er unwillkürlich alle Blicke nach der offenen Thür lenkte.

      Der Oberamtmann stand auf. Der geistliche Herr bot der Dame des Hauses die Hand und führte sie in den Speisesaal, der Oberamtmann und die übrige Gesellschaft folgte und bald saß man in dem einfachen, mit Hirschgeweihen und Rehkronen dekorirten Zimmer um die große gesellige Tafel und ließ der vortrefflichen Küche des Amtshauses und den edlen Proben der Schätze seines Kellers unter traulichen und fröhlichen Gesprächen, an denen dießmal die Politik keinen Antheil hatte, volle und allseitige Gerechtigkeit widerfahren.

      Während die Gesellschaft des Oberamtmanns bei Tisch saß, herrschte in einem der größten und bedeutendsten Bauernhäuser des halbkreisförmigen Dorfes gegen die sonstige stille Gewohnheit dieser Gegenden ein reges Leben. Die große Diele des Hauses, welche noch weit offen stand, war hell erleuchtet und man sah dort verschiedene Gruppen junger Bursche und Mädchen in ihrem kleidsamen Sonntagsstaat; die kräftigen jungen Bauernsöhne in Jacken und pelzverbrämten Mützen, die Mädchen in kurzen, anschließenden Röcken und weißen Tüchern, die dichten Flechten der vollen Haare mit bunten Bändern durchwunden.

      Immer kamen noch mehr junge Bursche und Mädchen aus dem Dorfe und schlossen sich den bereits auf der Diele Versammelten an, während andere Dorfbewohner, ältere Bauern, Frauen und Kinder vor dem Hause auf und ab gingen und dem geschäftigen Treiben im Innern zusahen.

      Der alte Bauermeister Deyke, einer der Ersten an Besitz in Blechow, der, seit Jahren verwittwet, mit seinem einzigen Sohne Fritz den großen Hof bewohnte, ging auf der Diele von einer Gruppe zur andern in freundlicher Würde, und sein altes, starres, scharf markirtes Gesicht mit den schlauen, stechenden, dunkeln Augen unter den buschigen Brauen zeigte, wie es fähig war, den verschiedenartigsten Ausdruck anzunehmen. Bald sah man auf demselben scherzhafte, muntere Gemütlichkeit, wenn er dem Sohne eines reichen Großbauern die Hand drückte und ihm einen jener derben Späße in's Ohr raunte, zu denen der kräftige Alte aus seinen jüngeren Jahren sich Lust und Neigung bewahrt hatte, bald war es vornehm wohlwollende Herablassung, die seine Züge ausdrückten, wenn er einem der Geringeren ein freundlich aufmunterndes Wort im Vorbeigehen zurief, bald kalte und stolze Zurückhaltung, wenn er dem Bauernsohn eines Hauses, das nicht in ganz klarem Rufe stand, den Abendgruß bot, den die Gastfreundschaft seines Hauses nothwendig machte.

      Mit weniger diplomatischer Würde bewegte sich sein Sohn Fritz unter den Gruppen, — ein schlanker, kräftiger Bursch mit guten, treuen blauen Augen und militärisch kurzgeschnittenem flachsblondem Haar, — er scherzte mit den Mädchen, und lustige Dinge mußten es sein, die er ihnen sagte, denn sie steckten die Köpfe zusammen und flüsterten und kicherten, daß sie dunkelroth im Gesicht wurden, noch lange nachdem der muntere Sohn des alten Großbauern sich längst zu einer andern Gruppe gewendet hatte, — und wenn er zu den Burschen trat und sie, zwei von ihnen unter die Arme greifend, zu dem langen Tische führte, der, am Ende der Diele mit weißem Leinen bedeckt, Bierflaschen, Schinken, Brod und kaltes Rindfleisch in reicher Menge trug, so sah man in den Mienen Aller nur herzliches Wohlwollen und aufrichtige Freundschaft für den Sohn des gastlichen Hauses.

      Es war eben auch ein prächtiger Junge, beliebt bei Jung und Alt, dieser einzige Sohn des alten reichen Deyke, der Erbe des schönsten Hofes im Dorfe, da war keines von all' den blühenden Mädchen aus den besten Bauernhäusern, das nicht mit Herzklopfen und stillen Hoffnungen nach ihm hingesehen hätte, da war kein Vater, keine Mutter im Dorfe, die ihn nicht mit tausend Freuden zum Schwiegersohn genommen hätten.

      Er aber, der junge Erbe, ging