Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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einen Blumenstrauß aus seines Vaters sorgfältig gepflegtem Garten, ein Band oder ein Bild aus dem Kasten eines herumziehenden Hausirers, dessen ausgebreitete Herrlichkeiten die Wünsche der blechower Schönheiten rege machten, — aber näher trat er Keiner und noch nie hatte er merken lassen, daß er die freundlichen Blicke der Mädchen, die aufmunternden Bemerkungen der Väter und Mütter irgend zu verstehen und zu berücksichtigen geneigt sei. Darum war keiner der jungen Bursche auf ihn neidisch — kam er doch keinem in's Gehege, benutzte er doch auch jede Gelegenheit, um mit ihnen im Wirthshause auf seine Kosten einen kameradschaftlichen Trunk zu nehmen, verwendete er doch die Thaler, die sein Vater ihm reichlich zukommen ließ, ebensoviel zum Vergnügen der Anderen, als zu seinem eigenen.

      Die Gruppen der jungen Leute ordneten sich und ließen die Mitte der Diele frei, als der Schullehrer des Orts, ein alter einfacher Mann in schwarzem Rock und breitkrämpigem schwarzen Hut, in das Haus trat.

      Der alte Bauer Deyke begrüßte den Lehrer mit der Manier eines Mannes, der den Stand und Charakter seines Gastes achtet, aber sich doch viel vornehmer und größer fühlt, als dieser, — sein Sohn sprang dem Lehrer rasch entgegen und rief, indem er ihm die Hand schüttelte: »Wir sind Alle fertig, Herr Niemeyer, und es wird Zeit, daß wir zum Schlosse gehen, es ist schon fast eine halbe Stunde, daß der Oberamtmann sich zu Tisch gesetzt hat, und bis wir hinkommen und uns aufstellen, geht noch eine halbe Stunde hin, — also vorwärts, vorwärts!«

      Und mit rascher Geschäftigkeit ordnete er die jungen Burschen und Mädchen paarweise, — die Burschen voran, gab Jedem eine Pechfackel, deren eine große Anzahl an der Seite der Diele bereit lag, und nachdem er sich mit Feuerzeug zum Anzünden derselben versehen hatte, ergriff er den Arm des Lehrers und stellte sich mit diesem und seinem Vater an die Spitze des Zuges, der schweigend nach dem Schlosse aufbrach, während in einiger Entfernung die neugierigen Dorfbewohner leise flüsternd folgten.

      Im Speisezimmer des Oberamtmanns war indeß das fröhliche, gesellige Abendessen seinem Ende nahe. Der alte Diener öffnete auf einem Seitentische den Deckel der alten mächtigen Bowle von meißner Porzellan, aus welcher das liebliche Aroma des scharzhofberger Moselgewächses, vermischt mit dem Duft der reichlich darin schwimmenden Ananas, durch das Zimmer drang. Er entkorkte einige Flaschen Champagner, goß deren Inhalt in die Bowle, legte den großen silbernen Schöpflöffel in dieselbe und stellte das Gefäß mit seinem köstlichen Inhalt auf die Tafel vor den Oberamtmann, der die großen Kristallgläser für seine Tischgenossen füllte, nachdem er die Mischung nochmals versucht und durch eine Geberde der Zufriedenheit dem Getränk seine endgültige Genehmigung ertheilt hatte.

      Der geistliche Herr erhob sein Glas, sog langsam und mit einem gewissen Respekt den würzigen Duft ein, blickte einen Augenblick sinnend in die goldgelbe Flüssigkeit und sprach dann mit einer Stimme, welche die Mitte hielt zwischen der feierlichen Salbung des Geistlichen und dem Tone der freundschaftlichen Unterhaltung im geselligen Kreise: »Meine lieben Freunde! Unser verehrter Oberamtmann, um dessen gastlichen Tisch wir heute wie so oft traulich beisammen sitzen, tritt morgen ein neues Jahr seines thätigen und gesegneten Lebens an. Wir werden morgen dieß neue Jahr begrüßen — lassen Sie uns heute von dem vergangenen Abschied nehmen. Die Sorgen und Mühen, die es unserem Freunde brachte, sind vergangen und zu gutem Ende geführt, die Freuden und guten Stunden, die es so reichlich in seiner Hand trug, werden in freundlicher Erinnerung fortleben zur Stärkung und Erquickung in trüben Augenblicken, welche die Zukunft auch ihm bringen wird, wie allen Bewohnern dieser Erde, auf der Licht und Schatten mit einander ringen. So bleibe denn das Andenken des vergangenen Jahres im Segen und sei für uns Alle eine Mahnung, treu zu einander zu halten in Liebe und Freundschaft — weihen wir dem scheidenden Lebensjahre unseres lieben Oberamtmanns dieß stille Glas.«

      Und indem er sein Glas an den Mund setzte, leerte er es bis auf den Grund.

      Alle folgten seinem Beispiele — Frau von Wendenstein und die Mädchen nicht ausgenommen, denn diese Damen, in gesunden, kräftigen und natürlichen Verhältnissen lebend, scheuten vor einem Glase edlen Weines nicht zurück, wie jene krankhaft zarten Repräsentantinnen des schönen Geschlechts in den Kreisen der städtischen Gesellschaft.

      »Gott gebe, meine Freunde, daß wir am Schlusse des nächsten Jahres, das etwas wolkenschwerer heraufzieht, eben so froh und gemüthlich hier beisammen sein mögen als heute,« sagte der Oberamtmann, indem eine tiefe Rührung über seine kräftigen, heitern Gesichtszüge hinzog und in seiner Stimme wiederklang — »doch nun,« fügte er munter hinzu in dem Gefühl, daß die Tischunterhaltung nach diesem Scheidegruß an sein vergangenes Lebensjahr nicht wieder in Gang kommen könne — »lassen Sie uns aufstehen und die Friedens-Cigarre rauchen — Johann, nimm die Bowle mit, denn mit ihr wollen wir noch ein ernstes Wort reden.«

      Die Gesellschaft stand auf und begab sich in das große Familienzimmer zurück.

      Hier waren die Thüren nach dem durch mehrere große Leuchter erhellten Flur weit geöffnet, und ebenso standen die mächtigen Flügel der Hausthür offen, so daß man aus dem Wohnzimmer den Hof, mit dem alten Lindenbaum in der Mitte, sehen konnte.

      Der ganze Hof glühte in dunkelrothem Flammenschein und man unterschied zwischen den hie und da von Dampf unterbrochenen Lichtwellen Gruppen von Menschen, denen die Bewegung der Flammenreflexe ein phantastisches Aussehen gab, und das Geräusch flüsternder Stimmen drang von dort herüber.

      Der Oberamtmann blieb erstaunt, ja erschrocken stehen, denn sein erster unwillkürlicher Gedanke war eine Feuersbrunst auf seinem Hofe, — der alte Diener aber trat zu ihm heran und sagte halbleise: »Es sind die jungen Leute aus dem Dorf, welche dem Herrn Oberamtmann zum Vorabend seines Geburtstags eine Nachtmusik bringen wollen.«

      Der Oberamtmann hielt in der Bewegung, die er schon gemacht hatte, um sich eilig auf den Hof zu begeben, inne und eine freudige Rührung leuchtete aus seinem Auge. Der geistliche Herr, der wohl etwas von dieser Ueberraschung gewußt haben mochte, lächelte zufrieden der Dame des Hauses zu und die jungen Leute sahen neugierig nach dem Schauspiel im Hofe.

      Kaum war jedoch der Oberamtmann in dem Wohnzimmer sichtbar geworden, so trat ein sekundenlanges tiefes Schweigen draußen ein. Unmittelbar darauf aber erklang, von kräftigen und reinen Stimmen intonirt, die einfache, ergreifende Weise: »Wer nur den lieben Gott läßt walten«, und durch den weiten alten Flur drangen mit den glühenden Flammenlichtern der Fackeln die reinen vollen Töne des Chorals in das Wohnzimmer der Familie, während durch die großen Fenster der Gartenterrasse der helle Vollmond vom dunkeln Nachthimmel hereinschien und trotz des weißen Lichtes der Lampe helle Streifen auf dem Fußboden erscheinen ließ.

      So stand der Oberamtmann da, im milden Licht seines wohnlichen Zimmers von den Seinen umgeben, während der sanfte Mondglanz wie ein Gruß des versinkenden Lebensjahres vom stillen Garten hereinfiel. War es ein Bild des künftigen Jahres, dieses unstäte, blutrothe Licht, welches den Hof erfüllte? — Doch aus diesem Feuerschein heraus tönt ja die trostreiche Weise des alten frommen Liedes, das schon so viele Menschenherzen gestärkt und getröstet hat, — mag die Zukunft kommen — bringt sie Kampf und Trübsal, so wird sie auch Trost und Stärke bringen.

      So dachte der Oberamtmann, indem er sinnend hinausblickte.

      Seine Gattin hatte sich an seine Seite gestellt, unwillkürlich hatten sich ihre Hände gefaltet und ihr ehrwürdiges Haupt sich leicht geneigt.

      »Den wird er wunderbar erhalten

       In aller Noth und Fährlichkeit.« —

      — erklang es von draußen herein. Die alte Dame warf einen Blick auf ihren Sohn, den Offizier, der mit strahlendem Auge hinaussah auf das wunderbare und eigentümliche Bild der vom Fackelschein beleuchteten Gruppen auf dem Hofe. — Fester falteten sich ihre Hände, ihre Lippen bewegten sich wie im stillen Gebet und eine Thräne rann langsam über ihre Wange. Dann neigte sie das Haupt tiefer und hörte unbeweglich und andächtig den Choral zu Ende. —

      Nachdem die ernsten Töne verklungen waren, löste sich die bis dahin unbewegliche Gruppe im Saale auf. Der alte Bauer Deyke und der Schulmeister traten ein. In ehrbarer, würdiger Haltung näherte sich der Bauermeister seinem Oberamtmann und sprach, während der Schullehrer, sich tief verneigend, hinter ihm stand: »Die jungen Leute da haben dem Herrn Oberamtmann