Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
war jedoch wie gewöhnlich nicht dazu zu bringen, sich klar und bestimmt zu äußern; doch war es wohl bemerkbar, daß seine Verstimmung gegen Oesterreich bedeutend sei und daß er den wiener Hof einer großen Unzuverlässigkeit anzuklagen habe.«

      »Und haben Sie ihm die Distrikte von Nordschleswig versprochen, wenn er Ihren Ideen zustimmte?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Er mag es glauben« — erwiederte Herr von Bismarck mit leichtem Lächeln — »indeß da er sich auf Zuhören und Kopfnicken beschränkte, so hielt ich es nicht für nöthig, bei meinen Bemerkungen aus einer allgemein objektiven Haltung herauszugehen.«

      Herr von Manteuffel neigte schweigend den Kopf und Herr von Bismarck fuhr fort:

      »Bei Gelegenheit des Vertrages von Gastein fanden einige Erörterungen statt, ohne daß es mir gelang, positivere Erklärungen zu bekommen, und ich ging im November 1865 nach Biarritz, aber auch dort war es unmöglich, den schweigsamen Mann aus seiner absoluten Reserve zu bringen. Ich wußte, daß damals sehr ernstlich mit Oesterreich negoziirt wurde, um einen Abschluß der italienischen Frage zu erreichen, vielleicht lag daran der Grund der kalten Zurückhaltung gegen mich, vielleicht auch — Sie kennen den Grafen Goltz?«

      »Ich kenne ihn,« sagte Herr von Manteuffel mit feinem Lächeln.

      »Sie werden also auch wissen, daß man damals in gewissen Kreisen das Gerücht zirkuliren ließ, Graf Goltz werde mich ersetzen — was damals in Paris vorging, war mir nicht klar; indeß es ging Etwas vor oder vielmehr es ging nicht wie ich wollte und wie es sollte. Ich handelte selbst. Auf der Rückkehr von Biarritz sprach ich den Prinzen Napoleon.«

      »Ernstlich?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Ganz ernstlich,« erwiederte Herr von Bismarck, indem ein leichtes Lächeln über seine Lippen spielte, »und ich sah, daß Italien der Punkt war, an welchem die kaiserliche Politik gefaßt werden mußte. Der gute Prinz Napoleon wurde Feuer und Flamme, ich ließ in Florenz agiren und binnen Kurzem gestalteten sich feste Negoziationen, deren Resultat ich Ihnen heute vorlegen kann.«

      Herr von Manteuffel drückte durch eine Bewegung seine große Gespanntheit auf diese Mittheilung aus.

      Herr von Bismarck blätterte leicht in einem kleinen Fascikel von Papieren, die im Bereich seiner Hand auf dem Schreibtisch lagen, und fuhr fort:

      »Hier ist der Vertrag mit Italien, den der General Govone verhandelte und der uns den Angriff gegen Oesterreich von Süden her mit aller italienischen Land- und Seemacht sichert.« —

      »Und Frankreich?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Der Kaiser gesteht zu,« erwiederte Herr von Bismarck, »die Erwerbung von Holstein und Schleswig ohne die nordschleswig'schen Distrikte, er erkennt die Notwendigkeit an, die beiden Hälften der preußischen Monarchie zu verbinden, wozu Theile von Hannover und Kurhessen erworben werden müssen, und wird sich nicht dem preußischen Kommando über das 10. Bundesarmeekorps widersetzen.«

      »Und was verlangt er?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Venetien für Italien.«

      »Und für sich, für Frankreich?«

      »Für sich« — erwiederte Herr von Bismarck — »Nichts.«

      »Nichts?« sagte Herr von Manteuffel — »Nichts? Sollten Sie nicht Vermuthungen über seine vielleicht nicht ausgesprochenen Gedanken haben? So viel ich mich erinnere, hatte er auch nichts verlangt, als er nach dem italienischen Krieg Savoyen und Nizza nahm.« —

      »Was seine Gedanken betrifft,« sagte Herr voll Bismarck, »so glaube ich vermuthen zu dürfen, daß ihm die Erwerbung von Luxemburg höchst wünschenswert ist und daß vielleicht in weiterer Perspektive ein näherer Anschluß Belgiens an Frankreich eine Rolle in seinen Kombinationen spielt. Sie wissen, daß etwas orleanistische Lust in Brüssel weht.«

      »Und was hat Napoleon über Ihre Stellung zu diesen seinen Gedanken Grund zu glauben?« fragte Herr von Manteuffel weiter.

      »Was er will,« warf Herr von Bismarck ziemlich leicht hin. »Wenn er nichts verlangt, habe ich doch keinen Grund, ihm etwas zu versprechen, und seine Wünsche — nun, — diese als thöricht und unerfüllbar zu bezeichnen, ist gewiß nicht meine Aufgabe.«

      »Ich verstehe,« nickte Herr von Manteuffel.

      »Hannover soll für die Abtretung seiner Gebietsteile in Lauenburg und Holstein entschädigt werden,« fügte Herr von Bismarck hinzu.

      »Hat das der Kaiser Napoleon verlangt?« fragte Herr von Manteuffel etwas verwundert.

      »Durchaus nicht,« — erwiederte Herr von Bismarck. »Nach der Tradition seiner Familie liebt er die Welfen nicht und, Sie sehen es, die Basis des ganzen Arrangements ist ja die preußische Suprematie in Norddeutschland; was also dort geschieht, ist ihm gleichgültig — nein, unser allergnädigster Herr legt den größten Werth darauf, daß Hannover in dem bevorstehenden Kampfe auf unserer Seite steht und daß die alten Familienbande, welche zwischen den beiden Häusern bestehen, in der Zukunft erhalten bleiben.«

      »Und Sie selbst,« forschte Herr von Manteuffel, »wie denken Sie über die hannöverische Frage?«

      »Stelle ich mich auf den rein objektiv politischen Standpunkt« — entgegnete Herr von Bismarck mit Offenheit — »so muß ich wünschen, daß Hannover gar nicht existirte, und muß bedauern, daß es unserer Diplomatie auf dem wiener Kongreß nicht gelungen ist, das englische Haus zur Abtretung dieser Sekundogenitur zu bringen — was vielleicht hätte gelingen können. Hannover ist ein Nagel in unserem Fleisch und selbst bei der besten Gesinnung lähmt es uns gewaltig. Herrscht aber dort, wie seit langer Zeit, böser Wille, so wird es uns geradezu gefährlich. — Wäre ich so sehr Macchiavellist, wie man es mir zuweilen vorwirft, so müßte ich mein ganzes Augenmerk darauf richten, Hannover zu erwerben. Und vielleicht wäre das so schwer nicht, als es scheint« — fuhr Herr von Bismarck, wie unwillkürlich einer in seinem Geiste auftauchenden Gedankenreihe folgend, fort — »weder die englische Nation noch das königliche Haus dort möchte sich viel darum kümmern und — doch wie Sie wissen, unser allergnädigster Herr ist sehr konservativ und hat eine tiefe Pietät für die hannöverisch-preußischen Traditionen, welche durch Sophie Charlotte und die Königin Louise verkörpert werden — und ich — nun, ich bin nicht minder konservativ und mir sind jene Traditionen nicht minder heilig, und ich gehe von Herzen und mit Ueberzeugung auf die Ideen des Königs ein, die Zukunft jenen Traditionen gemäß zu gestalten und die dauernde Existenz Hannovers möglich zu machen. Aber so wie bisher geht es freilich nicht, Garantieen müssen wir haben, und je mehr sich das Leben der Staaten in seiner Eigentümlichkeit accentuirt und konzentrirt, je mehr sich der Verkehr entwickelt und in seinen reichen Lebensadern zu einem Faktor, ja zur Basis der Politik wird, um so weniger kann Preußen dulden, daß in seinem Körper, seinem Herzen so nahe, ein fremdes, bei jeder Krisis vielleicht feindliches Element bestehe. — Ich kann Ihnen also mit vollem Ernst erwiedern: ich strebe ehrlich und aufrichtig darnach, Hannover zu gewinnen und ihm, wenn es seinerseits die alten Traditionen achtet und treu zu uns steht, eine sichere und ehrenvolle, ja glänzende Stellung in Norddeutschland zu schaffen. — Aber freilich muß man dort aufhören, uns fortwährend fühlen zu lassen, daß man ein Hinderniß ist.«

      »Und haben Sie Aussicht, zur Verständigung mit Hannover zu gelangen — zum ernsten, festen Bündniß?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Ich hoffe es,« antwortete Herr von Bismarck nach einer augenblicklichen Pause. »Graf Platen war hier — Sie kennen ihn?«

      Herr von Manteuffel lächelte.

      »Nun,« fuhr Herr von Bismarck fort — »man hat nichts gespart, man hat ihn überschüttet mit Liebenswürdigkeit aller Art, man hat ihm das Großkreuz vom rothen Adler gegeben.«

      »Nicht den schwarzen?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Bah, — man muß immer noch Pulver behalten — er war ja überglücklich; und dann — ich habe ihm eine Familienverbindung vorgeschlagen, die von Seiner Majestät selbst lebhaft gewünscht wird und durch welche vielleicht die ganze Frage mit einem