Die rauhe soldatische Stimme des alten Herrn versagte ihm.
Der König trat lebhaft auf ihn zu und breitete die Arme aus.
»Wir nehmen nicht Abschied, mein lieber Tschirschnitz!« rief er, — »wir sehen uns hoffentlich glücklich und bald nach diesen schweren Kämpfen wieder und Sie werden mir noch lange Ihren bewährten Rath geben!«
Und er drückte den General an seine Brust.
»Nehmen Sie die Ernennung zum General der Infanterie als Beweis meiner Dankbarkeit und Zuneigung,« sagte er weich.
Der General schwieg und verneigte sich.
»Eure Majestät erlauben ,« sagte er dann, »daß ich mich nach Hannover zurückziehe, — dem alten Invaliden wird der Feind nichts thun,« fügte er bitter hinzu.
»Gehen Sie, lieber General,« sagte der König, — »die Königin wird den Rath treuer Diener bedürfen.«
Der Kronprinz trat heran:
»Ich bitte Sie, Mama zu grüßen,« sagte er freundlich.
»Leben Sie wohl, königliche Hoheit,« erwiederte der General, »Sie sehen einen alten Diener Ihres Großvaters und Ihres Vaters scheiden — so sinkt die alte Zeit herab, möge die Zukunft neue Menschen bringen — aber die alte Treue bewahren.«
Und der General verließ ebenfalls das Zimmer.
Der König athmete tief auf.
»So,« rief er, »das Schwerste wäre gethan. — Jetzt die neuen Ernennungen — und Gott gebe, daß die Wahl eine glückliche sei. — General Brandis — wollen Sie die Patente vorbereiten,« sagte er zum Kriegsminister gewendet, »und dafür sorgen, daß der General Arentschildt sich sogleich bei mir zur Uebernahme des Kommandos meldet, ebenso Oberst Dammers, um den Dienst als Generaladjutant anzutreten.«
Der General entfernte sich ernst und schweigend.
Graf Platen näherte sich dem Könige und sagte:
»Graf Ingelheim war soeben angekommen, als Eure Majestät mich rufen ließen und er bittet um Audienz.«
»Er soll kommen!« rief der König lebhaft.
Graf Platen ging hinaus und trat wenige Augenblicke darauf mit dem Gesandten des Kaisers Franz Joseph wieder herein.
Graf Ingelheim, ein großer, schlanker Mann von achtundfünfzig Jahren, kurzem, graublonden Haar und vornehm freundlichen, bartlosen blassen Gesicht, trug einen schwarzen Anzug mit dem Stern des Guelphenordens und dem Maltheserkreuz.
»Es freut mich, mein lieber Graf, Sie hier zu sehen!« rief ihm der König heiter entgegen, — »Sie haben also das Kriegsgetümmel nicht gescheut —?«
»Majestät,« erwiederte der Graf, »mein kaiserlicher Herr hat mir befohlen, Eure Majestät nicht zu verlassen und Allerhöchstdieselben zur Armee zu begleiten, — ein Befehl,« fügte er hinzu, »der mit meinen innigsten Wünschen übereinstimmt, denn abgesehen davon, daß es mich glücklich macht, Zeuge des heldenmütigen Zuges der tapfern hannöverischen Armee zu sein, — so ist hier wie im österreichischen Lager die gleiche Sache — die Sache des Rechts und der deutschen Unabhängigkeit. — Ich bitte Eure Majestät also um die Erlaubniß, in Allerhöchstihrem Hauptquartier bleiben zu dürfen.«
»Mit tausend Freuden, mein lieber Graf, biete ich Ihnen die Gastfreundschaft meines Hauptquartiers,« rief der König, — »Sie werden vielleicht,« fügte er lächelnd hinzu, »bei Ihrer militärischen Campagne die Diners Ihrer diplomatischen Feldzüge entbehren müssen, indeß — à la guerre comme à la guerre! — Wir gehen großen Entscheidungen entgegen,« fuhr er ernster fort.
»Die ohne Zweifel für Eure Majestät zu hohem Ruhm und zu dauerndem Glück ausfallen werden,« sagte Graf Ingelheim lebhaft.
»Glauben Sie, daß es gelingen kann, Süddeutschland zu erreichen?« fragte der König.
»Ich bin dessen gewiß,« erwiederte der Graf, — »nach allen Nachrichten, die mir zugekommen sind, — ich habe soeben noch einen Brief vom Grafen Paar aus Kassel erhalten — ist die Straße frei und die wenigen preußischen Truppen, die dort sein können, werden nicht wagen, Eurer Majestät Armee aufzuhalten.«
»Ich wollte, die nächsten Tage wären vorüber,« sagte der König düster, »die Sorge über den Ausgang des Zuges lastet schwer auf mir, und ich mag nicht daran denken, daß wir von überlegenen Kräften umringt werden könnten —«
»Die brave Armee wird sich durchschlagen, Majestät, wenn es nöthig ist,« rief Graf Ingelheim, »ich zweifle nicht daran, ich habe sie auf der Reise hieher gesehen, — vor Allem aber denken Eure Majestät daran, daß Sie nicht allein stehen, — die große Entscheidung wird auf den sächsischen Schlachtfeldern fallen, und wenn der Kaiser erst dort geschlagen und gesiegt hat, dann werden Eure Majestät im Triumph wieder in Ihre Residenz einziehen!«
Der König schwieg.
»Die Hauptsache ist,« sprach er nach einer Pause, »daß wir die Bayern erreichen, — wenn dieß gelingt, so ist die Armee gerettet und kann an der großen Entscheidung über Deutschlands Geschick frei mitwirken. Wir müßten genau wissen, wo die bayerische Armee steht.«
»Wie ich gestern gehört, sollen die bayerischen Vorposten nahe bei Eisenach und Gotha stehen,« sagte Graf Ingelheim.
»Nun, dann wäre ja die Vereinigung nicht schwer! — wäre es aber nicht zweckmäßig, dem bayerischen Hauptquartier wissen zu lassen, wo wir stehen und wohin wir marschiren, damit sie dort demgemäß ihre Operationen einrichten können?«
»Ohne Zweifel, Majestät,« fiel Graf Platen ein, — »sobald der neue Kommandeur und der Generalstab unseren Marsch werden festgestellt haben.« —
»Mir scheint doch,« sagte der König, »daß der schnellste Marsch und die geradeste Linie die einfache von den Verhältnissen selbst gegebene Vorschrift sei.« —
»Ich weiß nicht,« antwortete Graf Platen, — »es scheinen mir da sehr verschiedene Ansichten und Bedenken vorhanden zu sein, die sich nicht recht vereinigen lassen.«
»Nicht vereinigen, — das verstehe ich nicht!« rief der König, — »doch,« — fügte er mit traurig schmerzlichem Ausdruck halb laut hinzu, — »das muß ich meinen Generalen überlassen! — Sorgen Sie jedenfalls dafür, Graf Platen, — daß vertraute und zuverlässige Personen auf die Straßen nach Süden gesendet werden, um genau zu erkunden, ob dort feindliche Truppen und in welcher Stärke vorhanden sind.«
»Zu Befehl, Majestät!«
»Hat man Nachrichten von Hessen?« fragte der König.
»Ja, Majestät, bis gestern,« sagte Graf Ingelheim, »der Kurfürst ist entschlossen, in Kassel zu bleiben, die Armee ist dem General von Lothberg übergeben und konzentrirt sich bei Fulda.«
»Dorthin müßten wir also auch gehen,« rief der König, denn mit der hessischen Armee vereint bilden wir ein Korps, das schon sehr ernsten Widerstand leisten und nicht so leicht aufgehalten werden kann.«
Der Kammerdiener meldete den Kriegsminister.
»Der General Arentschildt und Oberst Dammers stehen zu Eurer Majestät Befehl,« meldete der General Brandis, — »und hier sind die Ernennungspatente,« fügte er hinzu.
»Lassen Sie die Herren kommen!« rief der König. — »Mein lieber Graf, wir sehen uns bei Tisch,« und er reichte dem österreichischen