Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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hoffe Eurer Majestät Willensmeinung wiedergegeben zu haben,« sagte der Regierungsrath sich verneigend.

      »Willst Du, daß wir Dich allein lassen?« fragte die Königin.

      »Nein!« rief der König, — »euch Alle interessirt diese Sache ebensosehr wie mich. Der Regierungsrath wird die Güte haben, den Entwurf hier vorzulesen. Setzen Sie sich, mein lieber Meding, und lesen Sie.«

      »Zu Befehl, Majestät!«

      Herr Meding setzte sich dem König gegenüber, öffnete das zusammengefaltete Papier und las den Entwurf.

      Der König lehnte sich zurück und bedeckte das Gesicht mit der Hand, wie es seine Gewohnheit war, wenn er aufmerksam einem Vortrag folgte.

      Die Königin und Prinzeß Marie weinten leise, Prinzessin Friederike folgte mit gespannter Aufmerksamkeit und leuchtenden Augen jedem Wort.

      Der Kronprinz spielte mit seinem Dachshund.

      Langsam und mit scharfer Betonung las der Regierungsrath, nach jedem Satz anhaltend, den Entwurf vor.

      Derselbe setzte in sehr ruhigen, gemäßigten Ausdrücken die Gründe auseinander, aus denen der König das auf die Reformbedingungen des Bundes gestützte Bündniß nicht annehmen könne, wiederholte die bestimmteste Versicherung der Neutralität, fügte die Erklärung hinzu, daß der König niemals gegen eine deutsche Macht fechten werde, es sei denn, daß die Grenzen des Königreichs angegriffen und er zur Vertheidigung gezwungen werde, und fügte den Ausdruck der Hoffnung hinzu, daß das so erwünschte bundesfreundliche Verhältniß zwischen Preußen und Hannover auch in diesen Tagen ungetrübt bestehen bleiben werde.

      Schweigend hatte der König bis zu Ende zugehört.

      Als der Regierungsrath geendet, erhob er das Haupt und sagte:

      »Sie haben meine Gedanken auch dießmal vortrefflich wiedergegeben. Ich wüßte nichts hinzuzufügen und nichts davonzunehmen. — Müßte aber nicht,« sagte er nach einem augenblicklichen Nachdenken, »die Ablehnung noch etwas bestimmter und schärfer ausgedrückt werden, damit man nicht etwa auf die Idee kommt, ich wolle noch über jene Reformvorschläge in Verhandlungen treten? Das wäre nicht würdig und nicht ehrlich gegen Preußen!«

      »Ich glaube, Majestät,« erwiederte der Regierungsrath, »daß über diesen Punkt die Fassung der Antwort keinen Zweifel übrig läßt. Den versöhnlichen und ruhigen Ton im ganzen Ausdruck werden aber Eure Majestät gewiß billigen, denn Allerhöchstdieselben wollen ja, wenn es irgend möglich ist, den Frieden erhalten.«

      »Ja gewiß,« rief die Königin lebhaft.

      »Wenn es möglich ist,« fügte der König hinzu, indem er tief Athem holte.

      »Ich bitte, mein lieber Regierungsrath, lesen Sie den Entwurf noch einmal; verzeihen Sie, daß ich Sie so sehr quäle — aber die Sache ist ja wichtig genug, um sie zweimal zu überlegen.«

      »O ich bitte, Majestät,« sagte der Regierungsrath und las die Antwort nochmals langsam vor.

      »Es ist gut so,« rief der König, als er geendet, — »ich habe nichts auszusetzen. — Was sagst Du dazu,« fuhr er fort, sich zur Königin wendend, — »hast Du etwas zu bemerken? — ich bitte Dich — und euch Alle um eure Meinung, — ihr seid ja Alle im höchsten Grade dabei interessirt!«

      »Es muß ja sein« — sagte die Königin mit ersticktem Weinen.

      »Und Du, Ernst,« fragte der König, »hast Du etwas zu bemerken?«

      »Nein!« erwiederte der Kronprinz seufzend, indem er seinen Dachshund auf den Schooß hob und ihm den Kopf streichelte.

      »Und ihr Beiden?« fragte der König.

      »Nein!« erwiederte Prinzeß Friederike, indem sie stolz den Kopf erhob, — und »nein« hauchte schluchzend ihre jüngere Schwester.

      »Nun also ist die Sache erledigt!« rief der König fast heiter. »Ich habe,« fuhr er, sich an den Regierungsrath Meding wendend, fort, »auf den Vortrag meiner Generale befohlen, daß die Armee sich in Göttingen konzentriren soll, um von da nach dem Süden zu marschiren, und werde um zwei Uhr dahin abgehen. Ich bitte Sie, mein lieber Meding, zum General Brandis und zum Grafen Platen zu fahren und dieselben aufzufordern, um zwei Uhr zur Abreise bereit auf dem Bahnhof zu sein. Sie selbst bitte ich, sich ebenfalls bereit zu machen und mich zu begleiten, — ich werde Ihrer bedürfen, — Sie werden wenig Zeit haben?« fügte er freundlich hinzu.

      »O vollkommen genug, Majestät,« erwiederte der Regierungsrath.

      »Ich glaube,« sagte der König zu seinem Sohne, »Du wirst die nöthigen Befehle geben müssen, daß nichts von Deiner Feldadjustirung vergessen wird. — Und Sie, mein lieber Regierungsrath, — geben Sie die Antwort, damit ich sie paraphire.«

      Der Regierungsrath Meding nahm von dem nebenstehenden Schreibtisch der Königin eine Feder, reichte sie dem König und legte dessen Hand auf den weißen Rand des gebrochenen Papiers.

      Mit festem, kräftigen Zug schrieb der König seine Chiffre G. R.

      »Setzen Sie darunter,« sagte er, »die genaue Zeitangabe, damit man später sich erinnern könne, wann ich dieß entscheidende und bedeutungsvolle Schriftstück vollzogen habe.«

      Der Regierungsrath sah nach seiner Uhr. Sie zeigte zwölf Uhr zehn Minuten.

      Er schrieb den Vermerk unter den Namen des Königs.

      »Und nun bitte ich Eure Majestät um die Erlaubnis, zurückzukehren,« sagte er, »denn die Zeit ist gemessen. — Erlauben nun Eure Majestät,« fügte er hinzu, sich an die Königin wendend, »Ihnen meine treuesten und innigsten Wünsche für die schweren bevorstehenden Tage auszusprechen. Gott segne Eure Majestät und führe Alles glücklich vorüber!«

      Die Königin neigte das Haupt, indem sie das Gesicht mit dem Tuch bedeckte.

      »Auf Wiedersehen!« rief der König, und mit tiefer Verneigung verließ der Regierungsrath das Zimmer.

      Im großen Vorsaal begegnete er einem jungen Mann in der Uniform der Garde du Corps, groß und schlank gewachsen, mit freundlichen, lächelnden Zügen und offenen, klaren Augen, — es war der Prinz Georg von Solms-Braunfels, des Königs Neffe.

      Er reichte dem Regierungsrath die Hand und rief:

      »Nun, lieber Meding, ist Alles entschieden, ist der Krieg beschlossen?«

      »Ich trage die Antwort auf die preußische Note zurück!« sagte der Regierungsrath ernst, indem er auf das gefaltete Papier in seiner Hand deutete.

      Der Prinz blickte einen Augenblick nachdenklich zu Boden.

      »Wissen Sie,« sagte er dann, — »wie Sie mir vorkommen? — Wie Dawison, der Sekretär der Königin Elisabeth, der das Todesurtheil fortträgt!«

      Wehmüthig lächelnd antwortete der Regierungsrath: »Allerdings ist es ein schweres Blatt Papier, das da in meiner Hand liegt, — ein Todesurtheil vielleicht für viele tapfere Herzen, die heute noch fröhlich schlagen, — aber Gott sei Dank ist es nicht in meine Verantwortung gegeben, — ich habe nur meine Pflicht zu erfüllen, welche mich schmerzlicher berührt, als irgend Jemand. — Auf Wiedersehen in Göttingen, Prinz,« sagte er, sich mit schnellem Händedruck verabschiedend, — eilte die Treppe hinab und stieg in seinen schnell vorfahrenden Wagen.

      Als er aus dem hellerleuchteten, goldverzierten Gitterthor des äußern Hofes fuhr, begegnete ihm eine lange Reihe Wagen, die nach dem Schlosse zu fuhren.

      Es waren der Magistrat und die Bürgervorsteher der Residenz, welche kamen, um von dem König Abschied zu nehmen. Als die lange Wagenreihe aus der Allee her heranfuhr, dunkel abstechend gegen die Beleuchtung des Thors, machte sie den Eindruck eines langen schwarzen Leichenzuges — und unwillkürlich unter diesem Eindruck zusammenschauernd, lehnte sich der Regierungsrath in seinen Wagen zurück und fuhr in tiefen Gedanken der Stadt zu.

      Während dieß im Schlosse zu Herrenhausen vorging, saß der Staatsminister