Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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deßhalb wird er ganz besonders den Krieg mit Oesterreich scheuen, — aber er ist ein Mann, ein Charakter, ein Soldat, — darum wird er den Krieg lieber führen, als rückwärts zu gehen und seine Heeresorganisation, welche er unter so harten inneren Kämpfen durchgeführt hat, zum Gespött der Welt zu machen. — Der König Wilhelm wird schlagen, Majestät, — er weicht vor der Drohung nicht zurück, — deßhalb war die Drohung ein Fehler, und die Unentschlossenheit trägt ihre bösen Früchte.«

      »Wenn aber der Fehler der Unentschlossenheit begangen ist,« fragte der Kaiser, — »wie muß er verbessert werden? Einen Fehler zu machen kann kein Staatsmann vermeiden, die große Kunst ist, ihn zu verbessern. — Was kann jetzt helfen?«

      »Schneller Entschluß und schnelles Handeln!« erwiederte der Staatsrath.

      »— Aber — Sie wissen nicht,« — sagte der Kaiser zögernd, — »Graf Mensdorff —«

      »Ich weiß Alles,« erwiederte Klindworth lächelnd, — »Graf Mensdorff ist krank und kranke Leute entschließen sich schwer.«

      »Würde Metternich — der Mann der Vorsicht und der ruhigen Kombination, sich entschlossen haben?« fragte der Kaiser leise, halb zu sich selbst, halb zu Klindworth sprechend.

      »Metternich würde es vielleicht nie dahin haben kommen lassen,« erwiederte dieser, »würde er aber heute in der Staatskanzlei sitzen, so ständen Eurer Majestät Regimenter in Dresden und Hannover.«

      »Aber Benedek —« sagte der Kaiser.

      »Benedek, Majestät,« unterbrach ihn Klindworth, »steht zum ersten Male vor einer großen Verantwortlichkeit, ohne bis jetzt zu handeln. Das drückt ihn nieder.«

      »Aber er sagt,« entfuhr dem Kaiser fast unwillkürlich, »die Armee sei nicht schlagfertig.«

      »Sie wird es gewiß nicht vom Stillliegen in Böhmen, — lassen Eure Majestät sie schlagen und sie wird schlagfertig sein,« erwiederte Klindworth unerschütterlich.

      Der Kaiser ging auf und ab. Der Staatsrath blieb unbeweglich stehen und nur sein graues Auge folgte lauernd den Bewegungen des Kaisers.

      Plötzlich trat dieser dicht vor ihn hin.

      »Wissen Sie von dem französischen Anerbieten?« fragte er.

      »Eine Allianz gegen Abtretung von Venetien,« sagte Klindworth.

      »Was denken Sie davon?«

      »Ich denke, daß es Eurer Majestät im innersten Herzen widerstrebt — und mit Recht.«

      »Es handelt sich nicht um Neigungen oder Abneigungen, sondern um politische Gründe,« — sagte der Kaiser.

      »Die politischen Gründe sprechen ganz und gar gegen diese Allianz,« antwortete Klindworth.

      »Warum? Graf Mensdorff hat mir Gründe entwickelt, die — ich muß es gestehen, großen Eindruck auf mich gemacht haben!«

      Ein scharfer, blitzender Strahl fuhr aus dem Auge des Staatsraths empor, er richtete sich etwas aus seiner gebückten Haltung auf und während das Spiel seiner Finger schneller wurde, sprach er lebhafter und mit lauterer Stimme, als bisher:

      »Alle politischen Gründe, Majestät, sprechen gegen diese Allianz — auf dieser Basis. — Vielleicht — ich gebe es zu — würde einer solchen Koalition gegenüber Preußen zurückweichen — vielleicht — aber wie weit? Würden Eure Majestät das erreichen, was Sie anstreben? Nein — es würde eine Verkleisterung des Konflikts sein und in solchen Zuständen würde Preußen gewinnen. — Ich glaube indeß nicht, daß man in Berlin nachgeben würde; man würde, wie ich vermuthe, auch der französischen Allianz gegenüber schlagen und dann — was würde geschehen? — Wenn Eure Majestät siegen, so wird wiederum der Preis des Sieges nicht erreicht werden. Glauben Eure Majestät, daß der Kaiser Napoleon die alleinige Suprematie Oesterreichs über ein fest geeintes Deutschland dulden werde? Niemals! Und würden Eure Majestät dann den vollen Preis des Sieges verlangen, so würden Sie ihn nur erreichen können durch einen neuen Kampf mit dem bisherigen Alliirten, welcher schnell dem besiegten Gegner die Hand reichen würde. Also der Nutzen der Allianz ist sehr zweideutig, besonders da ich weiß, daß Frankreich keiner militärischen Anstrengung fähig ist.«

      »Ist das gewiß?« fragte der Kaiser betroffen.

      »Eure Majestät wissen,« erwiederte Klindworth zuversichtlich, »daß ich vorsichtig bin in bestimmten Versicherungen, und daß ich Wege der Information besitze, welche sich immer als zuverlässig bewiesen haben. — Frankreich kann nicht hunderttausend Mann schlagfähige Truppen stellen . . . .«

      Der Kaiser schwieg.

      »Ist aber der Nutzen dieser Allianz,« fuhr Klindworth fort, »ein ungewisser und zweideutiger, so ist dagegen ihr Schaden nach zwei Richtungen sehr groß.«

      Der Kaiser blickte ihn erwartungsvoll an.

      »Zunächst, kaiserliche Majestät, wird die Stellung des Hauses Habsburg und Oesterreichs in Deutschland schwer kompromittirt durch die französische Allianz. — Mögen Eure Majestät Erfolge, — halbe Erfolge immer, — erlangen, sei es durch Nachgeben Preußens, sei es durch den Sieg, — immer wird die öffentliche Meinung in Deutschland in Preußen den nationalen Märtyrer erblicken, der vor dem Erbfeind der deutschen Nation hat weichen müssen. Darin wird eine ungeheure Stärkung für Preußen liegen und der Boden, von welchem aus es später in besserer Lage den Kampf wieder aufnimmt.«

      »Die Stimmung in Deutschland ist aber für mich!« sagte der Kaiser.

      »Zum Theil,« erwiederte Klindworth, »aber nicht für Frankreich. — Majestät,« fuhr er fort, — »ich gehöre nicht zu den Leuten, welche die jetzt so beliebte Nationalitätenpolitik loben — und für Oesterreich ist sie die höchste Gefahr, — ich bin aus jener Zeit, wo man mit kluger Verkeilung der großen und kleinen Staatsbildungen das Gleichgewicht erhielt, — wo man noch der Ansicht war, daß ein geschickt gefügtes Ruthenbündel stärker sei als ein grober Holzklotz — aber man darf dem Nationalgefühl nicht in's Gesicht schlagen, besonders nachdem man dasselbe auch von hier aus — leider, leider — durch großdeutsche Vereine und dergleichen demagogische Mittel, bei denen die Regierungen immer die Düpirten sind, in eine künstliche und fieberhafte Ueberreizung gebracht hat. — Alle jene Personen in Süddeutschland, in Bayern, die jetzt voll Eifer und Erbitterung gegen Preußen schreiben, sprechen und resolviren — ich würde mich nicht wundern, wenn sie bei der Nachricht von der Allianz mit Frankreich in's Lager der Gegner gingen. — Ich kenne den furor teutonicus, Majestät, früher haben wir ihn niedergehalten, jetzt aber ist er künstlich aufgeregt, — wenn eine französische Allianz in diese Stimmung der Gemüther hereintritt, so gehört Deutschland Preußen.«

      Der Kaiser hörte sehr aufmerksam zu. Die Gründe des Staatsraths schienen seiner Neigung zu entsprechen und ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen.

      Dem Blicke des Herrn Klindworth entging dieß nicht.

      »Außerdem aber, kaiserliche Majestät,« sprach er, »würde ich eine solche Allianz im höchsten Grade schädlich halten, wegen des Opfers, durch welches sie erkauft werden soll.«

      »Halten Sie den Besitz von Venetien also für so wichtig?« fragte der Kaiser gespannt.

      »Dem Besitz von Venetien an sich,« sagte der Staatsrath, »würde ich eine so hohe Bedeutung nicht beilegen, — aber es handelt sich um ein großes Prinzip — dem ich die höchste Bedeutung beilegen muß. — Mit der freiwilligen, vertragsmäßigen Abtretung von Venetien würden Eure kaiserliche Majestät nicht nur feierlich anerkennen, was bis jetzt in Italien gegen das Haus Habsburg, gegen die Legitimität und gegen die Kirche geschehen ist, — sondern auch, was noch weiter gegen diese Faktoren, auf denen Oesterreichs Macht und Stärke beruht, geschehen soll, — das heißt den Raub des Patrimoniums Petri, die Säkularisirung des heiligen Stuhles zu Rom. — Das aber wäre die Abdikation Oesterreichs.«

      Der Kaiser rief lebhaft:

      »Dasselbe sagt mir mein Gefühl — aber — glauben Sie denn, daß ich überhaupt, — daß ich