»Ich danke euch, ich danke euch Allen von Herzen, mein guter alter Deyke!« rief der Oberamtmann lebhaft, indem er dem Bauern die Hand schüttelte — ihr habt mir eine rechte Freude gemacht und solchen Schreck, den verträgt meine Frau schon.« —
»Gewiß,« sagte Frau von Wendenstein, aus deren Augen wieder die gewohnte milde und ruhige Heiterkeit leuchtete, indem auch sie dem alten Bauern die feine weiße Hand reichte, welche dieser mit einer gewissen vorsichtigen Behutsamkeit ehrerbietig ergriff, »ich freue mich von Herzen mit an dem Zeichen der Liebe, das ihr meinem Manne bringt.«
»Aber wo ist denn der Fritz?« rief der Lieutenant lebhaft, »ich müßte mich doch sehr wundern, wenn der nicht dabei wäre, he! alter Deyke, wo ist der Junge, mein alter Spielkamerad?«
»Hier, Herr Lieutenant,« rief die muntere Stimme des jungen Deyke und aus dem dunkleren Theile des Flurs trat die kräftige Gestalt des hübschen Bauernburschen über die Schwelle des Wohnzimmers — »ich freue mich, daß der Herr Lieutenant da sind und sich an mich erinnern.«
Während der Lieutenant dem jungen Bauern entgegeneilte und ihn herzlich begrüßte, trat der Regierungsassessor mit einer gewissen steifen Freundlichkeit zu dem alten Bauern, der ihm ebenfalls derb die Hand schüttelte, und der Oberamtmann rief: »Aber nun für alle Welt zu essen und zu trinken auf den Hof, daß nur das junge Volk vergnügt ist, es soll doch nicht gesagt sein, daß meine Freunde, die mir so große Freude zu machen gekommen sind, trockenen Mundes vom Amtshause zu Blechow gehen!«
Frau von Wendenstein gab ihrer ältesten Tochter einen Wink, diese eilte hinaus und bald sah man die Mägde des Hauses in geschäftiger Eile mit Tischen, weißen Leintüchern, Tellern, Krügen und Flaschen nach dem Hofe eilen.
Der Schulmeister aber flüsterte dem alten Deyke etwas in's Ohr und dieser sagte: »Mit Verlaub, Herr Oberamtmann, der Schulmeister bittet, daß mit der freundlichen Bewirthung möchte gewartet werden, bis sie die übrigen Lieder gesungen hätten, sonst möchte er sie nicht mehr so gut in Ordnung halten können!«
»Also noch mehr wollt Ihr singen?« rief der Oberamtmann vergnügt, »nun dann vorwärts also, Herr Niemeyer, setzt Euch zu uns, lieber Deyke, und trinkt ein Glas mit uns auf die alte Zeit!«
Und indem er einige Lehnstühle in die Mitte des Zimmers rollte, ließ er den Bauern neben sich und dem Pastor Platz nehmen. Der Lieutenant brachte Cigarren und der Regierungsassessor füllte die Gläser, der alte Bauer netzte seine Cigarre mit den Lippen und brannte sie mit weit gespitztem Munde vorsichtig an, stieß sein Glas an das des Oberamtmanns und des Pastors, leerte es zur Hälfte, indem er durch bedächtiges Kopfnicken seinen Inhalt anerkannte, und blieb dann gerade auf seinem Stuhl sitzen mit einer Miene und Haltung, welche ausdrückte, daß er die hohe Ehre wohl zu würdigen wisse, neben dem Oberamtmann und dem Pastor da zu sitzen, daß er sich aber auch wohl bewußt sei, der Mann zu sein, dem solche Ehre zukäme.
Der Schulmeister und der junge Deyke waren wieder hinausgeeilt, und bald drangen in vollstimmigen Chören, richtig und sicher ausgeführt, die schönen einfachen Volkslieder jener Gegenden in den Saal.
Die drei Männer saßen in ihren Stühlen, Frau von Wendenstein hatte ihren Platz auf dem Sopha wieder eingenommen und hörte sinnend auf die melodiereichen Weisen, der Regierungsassessor stand mit dem Auditor von Bergfeld in einer Fensternische, die jüngere Tochter des Oberamtmanns war ihrer Schwester gefolgt, um ihr bei den Anordnungen zur Bewirthung der Sänger zu helfen, und der Lieutenant ging im Zimmer leise auf und nieder, dem Gesange zuhörend, man konnte ihm ansehen, daß er ungeduldig darauf wartete, sich unter die Gruppen draußen zu mischen und mit den jungen Burschen und Bauernmädchen, die er alle von Jugend auf kannte, zu scherzen und zu lachen.
Die Tochter des Pfarrers, von ihren jungen Freundinnen verlassen, war durch die große Thür auf die Terrasse hinausgetreten. Sie stand auf die Brüstung gelehnt und blickte zum Monde hinauf, dessen reiches Licht ihr schönes, sinnendes Gesicht mit silbernem Licht übergoß und ihre klaren Augen seltsam erglänzen ließ.
Nachdem der Lieutenant einige Male seinen Gang durch das Zimmer wiederholt hatte, trat er ebenfalls auf die Terrasse hinaus und sog in vollen Zügen die frische, reine Lust des Frühlingsabends ein, indem sein Auge über die weite so wohl bekannte Ebene hinschweifte, die im hellen Mondlicht vor im dalag.
Da erblickte er die Gestalt des jungen Mädchens an der Brüstung der Terrasse und mit raschem Schritt eilte er zu ihr hin.
»Sie schwärmen im Mondschein, Fräulein Helene,« rief er heiter, »erlauben Sie, daß ich mich daran betheilige — oder wollen Sie ganz allein sein?«
»Ich bin hierher gegangen,« sagte die Tochter des Pfarrers, »weil der Mond mich immer unwillkürlich hinauszieht und auch höre ich den Gesang hier lieber aus der Ferne — übrigens schwärmte ich wirklich ein wenig,« fuhr sie lächelnd fort, indem sie sich von der Brüstung, auf die sie sich gelehnt hatte, aufrichtete, »meine Gedanken waren weit von hier, dort oben bei den Wolken.«
Und sie deutete mit der Hand nach einer großen schwarzen Wolkenschicht, welche finster vom Horizont heraufstieg bis in die Nähe des Mondes, dessen Licht ihre Spitzen mit Silberglanz erhellte — es sah aus wie ein schwarzer Mantel mit lichtglänzendem Saum.
»Das bin ich von Ihnen gewohnt,« rief der Lieutenant, »daß Ihre Gedanken weit hinaus gehen und weit hinauf und ich höre Ihnen so gern zu, wenn Sie etwas schwärmen, das bringt mich in so eine eigene Welt, die ich liebe und die mich anspricht, die ich aber allein nicht finden kann, — es ist wie in den Kindermärchen, wo man in wunderbare Gärten nur gelangen kann, wenn man das Zauberwort ausspricht, vor dem sich das Felsenthor öffnet, — Sie haben dieß Wort, und Sie wissen, schon als Kind war ich nicht glücklicher, als wenn ich Ihnen zuhörte, wie Sie mir Ihre Gedanken erzählten, die mich so weit weg führten aus der täglichen Umgebung, — erzählen Sie mir auch jetzt ein wenig, was Sie mit den Wolken da oben gesprochen haben.«
»Sehen Sie,« sagte das junge Mädchen, indem ihr Blick sich aufwärts richtete und Bildern zu folgen schien, die vor ihrem innern Auge auftauchten, — »sehen Sie die schwarze Wolke dort, die so ruhig und still daliegt im freundlichen Licht des Mondes — ein Bild des Friedens, man sollte glauben, daß das ewig so gewesen ist und ewig bleibt — und doch in wie kurzer Zeit ist die Wolke weit, weit fortgezogen über das Land hin, — wird sie Segen und Fruchtbarkeit bringen oder wird sie in wildem Unwetter Verderben und Zerstörung über die Felder ergießen und die Hoffnung des Landmanns zerstören? Niemand weiß es — aber fortziehen wird sie aus dem stillen hellen Strahl des Mondes, der jetzt so friedlich auf ihr ruht — und der hier noch nach Jahren ebenso leuchten wird. — So ist das Leben, so ist das Schicksal der Menschen,« fuhr sie wehmüthig fort, »heute im freundlichen Licht — in kurzer Zeit fern im wilden Wetter.«
»Immer traurige Gedanken,« sagte der Lieutenant, indem er leicht lächelte, während ein Widerschein des schwärmerischen Ausdrucks, der von dem Gesicht des jungen Mädchens strahlte, über seine Züge flog, — »immer ernst — aber doch schön,« fuhr er nachdenklich fort, — »wenn ich nur wüßte, wo Sie immer so sonderbare Gedanken hernehmen!«
»Sollten sie mir heute nicht kommen,« erwiederte sie, wo so viel von Kriegsgefahr und von der drohenden Zukunft gesprochen ist, — wie bald vielleicht wird manches friedliche Licht verschwinden wie der Mond, wenn die schwarze Wolke höher steigt!«
Der junge Offizier war ernst geworden und blickte einen Augenblick schweigend vor sich hin.
»Wie sonderbar!« sagte er dann — »der Krieg das ist ja mein Handwerk und ich habe immer darauf