I. Zweck der Vorschrift
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§ 28 ist eine prozessuale Vorschrift und regelt den Übergang der Passivlegitimation von dem übertragenden Rechtsträger auf den übernehmenden Rechtsträger nachdem die Verschmelzung mit der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers wirksam geworden ist (§ 20). Die Regelung des § 28 ist erforderlich, da der übertragende Rechtsträger mit Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers gem § 20 Abs 1 Nr 2 erlischt.
II. Klagen iSd § 28
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§ 28 erfasst nach seinem Wortlaut alle Klagen gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses eines übertragenden Rechtsträgers, dh Anfechtungs- sowie Nichtigkeitsklagen. Darüber hinaus erfasst § 28 auch einige prozessuale Sonderfälle.
a) Nach Eintragung der Verschmelzung
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Der nach dem Gesetzeswortlaut vorausgesetzte Fall, dass nach Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses erhoben wird, dürfte in der Praxis nur höchst selten vorkommen, da Klagen gegen die Wirksamkeit eines Verschmelzungsbeschlusses gem § 14 Abs 1 innerhalb eines Monats seit Beschlussfassung zu erheben sind. IdR dauert es länger, bis eine Verschmelzung eingetragen ist. Marsch-Barner (in Kallmeyer, § 28 Rn 5) nennt als Beispiel die Eintragung der Verschmelzung aufgrund einer falschen Negativerklärung iSd § 16 Abs 2 S 1. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist daher gering geblieben.
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Problematisch ist, ob das Rechtsschutzbedürfnis bei Klagen gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses des übertragenden Rechtsträgers nach Eintragung der Verschmelzung noch gegeben ist, da die Eintragung Mängel der Verschmelzung gem § 20 Abs 1 Nr 4 oder Abs 2 heilt (vgl Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 28 Rn 2). Ob das Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist, bedarf einer Einzelfallprüfung. Anerkannt ist, dass das Rechtsschutzbedürfnis bei der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs bestehen kann (OLG Stuttgart NZG 2004, 463 f; Kübler in Semler/Stengel, § 28 Rn 4; Vossius in Widmann/Mayer, § 28 Rn 6).
b) Vor Eintragung der Verschmelzung
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Vor der Eintragung der Verschmelzung in das Register des übernehmenden Rechtsträgers ist eine Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses des übertragenden Rechtsträgers gegen den – noch nicht gem § 20 Abs 1 Nr 2 erloschenen – übertragenden Rechtsträger zu richten. Eine solche Klage verhindert idR die Eintragung der Verschmelzung (§ 16 Abs 2 S 2). Wird die Verschmelzung aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gem § 16 Abs 3 S 1 oder aufgrund einer unzutreffenden Negativerklärung iSd § 16 Abs 2 S 1 oder aufgrund eines Fehlers beim Register eingetragen, so ist die Klage gegen den übernehmenden Rechtsträger fortzuführen, da der übertragende Rechtsträger gem § 20 Abs 1 Nr 2 erloschen ist. Hierfür muss jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen (vgl Rn 4).
2. Sonstige Klagen gegen den übertragenden Rechtsträger
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Der Sinn und Zweck des § 28, die Überleitung der Passivlegitimation vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger, gebietet es, die Vorschrift des § 28 entspr auf sonstige Klagen gegen den übertragenden Rechtsträger anzuwenden. Hierunter fallen insbes Klagen gegen sonstige Beschl der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, zB Kapitalmaßnahmen, die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verschmelzung bereits anhängig sind, oder danach anhängig gemacht werden (Grunewald in Lutter, § 28 Rn 4; Henssler/Strohn/Müller UmwG, § 28 Rn 5, Vossius in Widmann/Mayer, § 28 Rn 16). Entspr gilt auch für ein anhängiges Auskunftserzwingungsverfahren gem § 132 AktG, wenn der übertragende Rechtsträger AG ist (Grunewald in Lutter, § 28 Rn 5).
3. Klagen gegen den übernehmenden Rechtsträger
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§ 28 gilt nicht für Klagen gegen den übernehmenden Rechtsträger, auch nicht für Klagen der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses. Da der übernehmende Rechtsträger infolge der Verschmelzung nicht erlischt, bleibt er passiv legitimiert. Solche Anfechtungsklagen vor Wirksamwerden der Verschmelzung hindern idR die Eintragung. Erfolgt die Eintragung – gleich aus welchen Gründen – trotzdem, so kann ein Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise in der Vorbereitung von Schadensersatzklagen gegeben sein (Grunewald in Lutter, § 28 Rn 8; Kübler in Semler/Stengel, § 28 Rn 9).
Vorbemerkung zu §§ 29–34
I. Regelungsgegenstand
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Regelungsgegenstand der §§ 29–34 ist, den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers, gegen deren Willen eine Verschmelzung erfolgt, unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu eröffnen, gegen eine angemessene Barabfindung aus dem übernehmenden Rechtsträger auszuscheiden. Das Gesetz trägt so dem verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutz Rechnung. Die angemessene Barabfindung rechtfertigt, als gesetzlich garantierte Entschädigung die vom UmwG eröffnete Möglichkeit, dass die überstimmten Anteilsinhaber gegen ihren Willen eigene Rechts- bzw. Vermögenspositionen verlieren.
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Rechtstechnisch legt §