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Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass von der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts letztlich die Strafgerichtsbarkeit, d.h. die Befugnis abhängt, die Rechtsprechung in Strafsachen auszuüben.[2] Ist der räumliche Geltungsbereich des deutschen Strafrechts für eine Tat nicht eröffnet, liegt demzufolge ein Verfahrenshindernis vor.[3] Wegen dieses Zusammenhangs ist auch die Rede von einer materiellrechtlich-prozessualen Doppelnatur der §§ 3 bis 7, 9 StGB.[4]
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Keine völlige Einigkeit besteht über die vorzugswürdige Terminologie für die Regelungen des räumlichen Geltungsbereichs. Am gebräuchlichsten dürfte die zwar nur wenig schillernde, aber simple Bezeichnung der §§ 3 bis 7, 9 StGB als Strafanwendungsrecht sein. Zwar bleibt zwischen dem Geltungsbereich einer Rechtsordnung im Sinne der Reichweite der eigenen Strafgewalt und dem Anwendungsbereich des eigenen (oder ggf. fremden) Strafrechts zu unterscheiden.[5] So steht es dem Gesetzgeber frei, seine Strafgewalt auch dadurch auszuüben, die Anwendbarkeit ausländischen Rechts zu bestimmen. Solche Regelungen existieren in Deutschland indessen nicht (und sind auch in ausländischen Rechtsordnungen selten), so dass zumindest im Ergebnis der Begriff „Strafanwendungsrecht“ treffend ist.[6]
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Irreführend ist jedenfalls die früher noch verbreitete Bezeichnung der §§ 3 bis 7, 9 StGB als „Internationales Strafrecht“.[7] Damit würde zum einen eine Zugehörigkeit dieser Vorschriften zum internationalen oder supranationalen Recht impliziert. Zum anderen würde der Begriff aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem Internationalen Privatrecht nahe legen, dass es sich bei den §§ 3 ff. StGB um Kollisionsrecht handele. Beides ist nicht der Fall. Vielmehr sind die §§ 3 ff. StGB rein nationales Recht, das einseitig die Reichweite der deutschen Strafgewalt bestimmt, ohne Kollisionen mit anderen Strafrechtsordnungen aufzulösen.[8] Auch dass diese Vorschriften vornehmlich bei grenzüberschreitend begangenen, gewissermaßen „internationalen“ Straftaten diskutiert werden müssen, vermag ihnen nicht das Etikett eines „internationalen Strafrechts“ zu verleihen, ist schließlich dadurch allenfalls die zu beurteilende Tat „international“, nicht hingegen das hierauf anzuwendende Recht.[9] Um diesen grenzüberschreitenden Charakter des Strafanwendungsrechts zu betonen, wird mitunter die Bezeichnung „transnationales Strafrecht“ vorgeschlagen.[10]
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Abzugrenzen ist das Strafanwendungsrecht vom sog. interlokalen Strafrecht.[11] Das interlokale Strafrecht bestimmt die maßgebliche Vorschrift bei konkurrierenden partikulären Strafrechtsordnungen innerhalb einer gesamtstaatlichen Rechtsordnung.[12] Anders als beim Strafanwendungsrecht handelt es sich hierbei somit um echtes Kollisionsrecht.[13] Nach dessen Regeln bleibt bei innerstaatlichen Kollisionen jedenfalls in erster Linie das Recht des Tatorts (lex loci) anzuwenden, und zwar von jedem Gericht innerhalb des Gesamtstaates.[14] Bei mehreren Tatorten in verschiedenen partikulären Strafrechtsordnungen soll das nach konkreter Betrachtung strengste Gesetz heranzuziehen sein.[15]
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Fragen nach dem interlokalen Strafrecht stellen sich in jedem Staat, in dem nicht allein der Gesamtstaat Strafvorschriften erlassen darf, sondern auch den einzelnen Bundes- oder Teilstaaten eine entsprechende Kompetenz zusteht. Solche sich überlagernde Kompetenzen existieren etwa in den USA, in Mexiko und in Australien.[16] In Deutschland ergibt sich die Notwendigkeit für ein interlokales Strafrecht im Hinblick auf die Verfolgung von vor dem Beitritt der DDR auf deren Gebiet begangenen, aber noch nicht abgeurteilten Straftaten.[17] Hier gilt nach Art. 315 Abs. 1 EGStGB i.V.m. § 2 StGB das Recht des Tatorts (lex loci), also der damaligen DDR, es sei denn, dass das Strafrecht der Bundesrepublik milder ist. Die Neubürgerklausel des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB ist nicht anwendbar, auch wenn die ehemaligen Bürger der DDR mit dem Beitritt Bundesbürger geworden sind.[18]
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Unabhängig von der Suche nach einer möglichst treffenden Bezeichnung der §§ 3 ff. StGB bleibt der Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs einer nationalen Strafrechtsordnung eine wachsende Bedeutung zu bescheinigen. Diese Entwicklung ist mehreren Umständen geschuldet. Zum einen ist auf die gestiegene Mobilität der Menschen hinzuweisen, die häufig mit einer größeren Kenntnis an Fremdsprachen und einem wachsenden Interesse an anderen Staaten und Kulturen einhergeht. War früher der Urlaub außerhalb des eigenen Staates noch eine Besonderheit, gehören heutzutage beruflich wie privat bedingte Aufenthalte im Ausland mehr und mehr zum Alltag. Zum anderen ermöglichen und erleichtern es die gewaltigen Fortschritte der Informations- und Kommunikationstechnologie, Kontakte rund um den Globus zu knüpfen und zu vertiefen. Kostete einst der Telefonanruf bei den Verwandten im Ausland ein kleines Vermögen und dauerte die Beförderung eines Briefs ins Ausland häufig mehrere Wochen, werden inzwischen in Sekundenschnelle E-Mails an das andere Ende der Welt übermittelt und sind via Internet Webseiten aus sämtlichen Staaten abrufbar.
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Solche Aufenthalte im und Kontakte ins Ausland werden freilich nicht stets zu rechtmäßigen Handlungen genutzt, sondern können auch Anlass oder Gelegenheit zu kriminellen Verhaltensweisen sein. Bei solchen Taten mit Auslandsbezug stellt sich zunehmend die Frage nach dem räumlichen Geltungsbereich nationaler Strafrechtsordnungen. Dies gilt zum einen für die Konstellation, dass die Begehungsorte einer Tat in verschiedenen Staaten liegen. Insoweit lässt sich auf die genannten gestiegenen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten verweisen, die sowohl eine grenzüberschreitende Beteiligung an einer Straftat ermöglichen oder erleichtern als auch bei einem allein agierenden Täter eine Multiplikation der Begehungsorte nach sich ziehen können (z.B. bei dem grundsätzlich weltweit möglichen Abruf der Inhalte einer Webseite). Zum anderen kann ebenso die gewonnene Mobilität genutzt werden, um sich bewusst dem Anwendungsbereich einer Strafrechtsordnung zu entziehen. Beispielsweise ist es denkbar, einen im Inland unter Strafe gestellten Schwangerschaftsabbruch in einem Nachbarstaat mit (insoweit) liberaleren Regelungen durchführen zu lassen. Auch bei solchen modernen Formen des „Straftatentourismus“ bleibt – und zwar für sämtliche Beteiligte an der Tat – zu erörtern, ob sie einen Rückgriff auf das umgangene nationale Strafrecht ausschließen oder ob ggf. andere Anknüpfungspunkte für dessen Anwendung verbleiben.
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Wie bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität vorgegangen werden soll, ist nicht zuletzt eine kriminalpolitische Frage. Ob als Antwort auf die hiermit verbundenen Herausforderungen ein konsentiertes Vorgehen mehrerer Staaten erstrebt oder ein nationaler Alleingang bevorzugt wird, hängt nicht zuletzt von der Effektivität und der Beschwerlichkeit der einzelnen Wege ab. Eine internationale Zusammenarbeit dürfte sich häufig als schwierig erweisen, bestehen doch nicht selten erhebliche Unterschiede in der rechtlichen Bewertung einzelner Verhaltensweisen. Dies betrifft vor allem ethisch umstrittene Gebiete wie z.B. die medizinische Forschung oder wegen der unterschiedlichen Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit auch die Sanktionierung von (z.B. extremistischen, pornographischen, gewaltverherrlichenden) Äußerungen. Sofern aus diesen oder anderen Gründen ein nationaler Alleingang als kriminalpolitisch vorzugswürdiger Weg angesehen wird, kann der jeweilige Gesetzgeber indessen auch nicht völlig nach Belieben verfahren. Vielmehr bleiben völkerrechtliche Grundsätze zu beachten, soweit andere Staaten als selbstständige und zu respektierende Souveränitäten betroffen sind.