Handbuch des Strafrechts. Jan C. Joerden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan C. Joerden
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783811449442
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entscheiden, stellen diese Vorschriften materielles Recht dar. Um einer Handlung einen Unrechtsgehalt (nach einer bestimmten Rechtsordnung) zu bescheinigen, müssen schließlich nicht nur die Voraussetzungen einer Strafvorschrift erfüllt, sondern muss diese überhaupt anwendbar, ihr räumlicher Geltungsbereich somit eröffnet sein (zur dogmatischen Einordnung der Voraussetzungen der §§ 3 ff. StGB Rn. 84). Da die §§ 3 bis 7, 9 StGB demzufolge als materiell-strafrechtliche Regelungen einzuordnen sind, unterliegen sie dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG.[1]

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      Unabhängig von der Suche nach einer möglichst treffenden Bezeichnung der §§ 3 ff. StGB bleibt der Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs einer nationalen Strafrechtsordnung eine wachsende Bedeutung zu bescheinigen. Diese Entwicklung ist mehreren Umständen geschuldet. Zum einen ist auf die gestiegene Mobilität der Menschen hinzuweisen, die häufig mit einer größeren Kenntnis an Fremdsprachen und einem wachsenden Interesse an anderen Staaten und Kulturen einhergeht. War früher der Urlaub außerhalb des eigenen Staates noch eine Besonderheit, gehören heutzutage beruflich wie privat bedingte Aufenthalte im Ausland mehr und mehr zum Alltag. Zum anderen ermöglichen und erleichtern es die gewaltigen Fortschritte der Informations- und Kommunikationstechnologie, Kontakte rund um den Globus zu knüpfen und zu vertiefen. Kostete einst der Telefonanruf bei den Verwandten im Ausland ein kleines Vermögen und dauerte die Beförderung eines Briefs ins Ausland häufig mehrere Wochen, werden inzwischen in Sekundenschnelle E-Mails an das andere Ende der Welt übermittelt und sind via Internet Webseiten aus sämtlichen Staaten abrufbar.

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      Solche Aufenthalte im und Kontakte ins Ausland werden freilich nicht stets zu rechtmäßigen Handlungen genutzt, sondern können auch Anlass oder Gelegenheit zu kriminellen Verhaltensweisen sein. Bei solchen Taten mit Auslandsbezug stellt sich zunehmend die Frage nach dem räumlichen Geltungsbereich nationaler Strafrechtsordnungen. Dies gilt zum einen für die Konstellation, dass die Begehungsorte einer Tat in verschiedenen Staaten liegen. Insoweit lässt sich auf die genannten gestiegenen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten verweisen, die sowohl eine grenzüberschreitende Beteiligung an einer Straftat ermöglichen oder erleichtern als auch bei einem allein agierenden Täter eine Multiplikation der Begehungsorte nach sich ziehen können (z.B. bei dem grundsätzlich weltweit möglichen Abruf der Inhalte einer Webseite). Zum anderen kann ebenso die gewonnene Mobilität genutzt werden, um sich bewusst dem Anwendungsbereich einer Strafrechtsordnung zu entziehen. Beispielsweise ist es denkbar, einen im Inland unter Strafe gestellten Schwangerschaftsabbruch in einem Nachbarstaat mit (insoweit) liberaleren Regelungen durchführen zu lassen. Auch bei solchen modernen Formen des „Straftatentourismus“ bleibt – und zwar für sämtliche Beteiligte an der Tat – zu erörtern, ob sie einen Rückgriff auf das umgangene nationale Strafrecht ausschließen oder ob ggf. andere Anknüpfungspunkte für dessen Anwendung verbleiben.

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      Wie bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität vorgegangen werden soll, ist nicht zuletzt eine kriminalpolitische Frage. Ob als Antwort auf die hiermit verbundenen Herausforderungen ein konsentiertes Vorgehen mehrerer Staaten erstrebt oder ein nationaler Alleingang bevorzugt wird, hängt nicht zuletzt von der Effektivität und der Beschwerlichkeit der einzelnen Wege ab. Eine internationale Zusammenarbeit dürfte sich häufig als schwierig erweisen, bestehen doch nicht selten erhebliche Unterschiede in der rechtlichen Bewertung einzelner Verhaltensweisen. Dies betrifft vor allem ethisch umstrittene Gebiete wie z.B. die medizinische Forschung oder wegen der unterschiedlichen Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit auch die Sanktionierung von (z.B. extremistischen, pornographischen, gewaltverherrlichenden) Äußerungen. Sofern aus diesen oder anderen Gründen ein nationaler Alleingang als kriminalpolitisch vorzugswürdiger Weg angesehen wird, kann der jeweilige Gesetzgeber indessen auch nicht völlig nach Belieben verfahren. Vielmehr bleiben völkerrechtliche Grundsätze zu beachten, soweit andere Staaten als selbstständige und zu respektierende Souveränitäten betroffen sind.

      7. Abschnitt: Geltungsbereich des Strafrechts§