„Mann, Isa, Du machst ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter, lass Deinen Vater doch labern und feiere stattdessen mit uns Deinen Erfolg!“, bestimmte Anabel einfach mal so. Und noch bevor Isabel irgendetwas dazu sagen konnte, zog Anabel sie auch schon mit auf die Tanzfläche. Natürlich gesellten sich Prinzessin Jane und ihre zwei Freundinnen alsbald dazu. Sie tanzten zu fünft zu der Musik und langsam löste sich auch Isabels Unwohlsein in Luft auf.
Noch völlig von der Musik benommen tanzte sie zurück zu der Sitzgruppe, wo sie unerwartet auf Harry traf. Als sie sah, dass er ebenfalls in Weiß gekleidet war, errötete sie. Doch Harry lächelte sie nur vertraut an und reichte ihr ein neues Champagnerglas. Sie sah atemberaubend schön in ihrem weißen, aber schlichten Kleid aus. „Hallo. Schön, dass Du doch noch kommen konntest. Wie ich sehe, hast Du schon mit meiner Familie und dem restlichen bunten Haufen, der sich meine Freunde nennt, Bekanntschaft gemacht“, begann Harry unverfänglich das Gespräch. Isabel nickte, fühlte sich jedoch sogleich wieder unwohl.
„Magst Du Dich setzen?“, fragte Harry, als er sah, dass Isabel unruhig wurde.
„Nein, danke. Ich steh ganz gerne einmal.“
„Okay. Dann noch einmal von mir: Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Sieg über die Juroren und alle anderen Tanzschulen!“, sagte Harry und stieß mit seinem Glas an Isabels an. Isabel erschrak und wurde prompt erneut knallrot im Gesicht. Harry seufzte, denn er wusste nicht, wie er die Angespanntheit, die sich wieder einmal zwischen ihnen aufzubauen schien, lösen konnte, ohne Isabel zu nahe zu treten. Hilfesuchend blickte er zu Jane herüber.
Jane schmunzelte. „Ich will ja nicht gemein sein, aber ich würde schon ganz gerne noch einmal alle drei Tänze sehen wollen …“
„Au ja!“, kam es sogleich von Jim und Steve, die leider heute beim Wettkampf nicht mit dabei sein konnten, da sie arbeiten mussten.
Harry schluckte nervös und sah unsicher zu Isabel herüber. Isabel schien ebenfalls noch mit sich zu ringen. Doch noch ehe Harry eine Reaktion von Isabel abwarten konnte, wurde er auch schon selbst von Kathy und Cindy auf die leer gewordene Tanzfläche gezogen. Wo er sich gerade noch so fix seines Jacketts entledigten konnte, während Toni, der DJ, ein paar einleitende Worte zu der nun folgenden Vorführung zum Besten gab. Denn kaum hatte dieser das Mikro aus der Hand gelegt, ertönten auch schon die ersten Takte und schnell waren die fünf wieder in ihrem Element. Das Lied war noch gar nicht richtig zu Ende, als auch schon Cindy, Michael, Kathy und Ralph die Tanzfläche verließen und stattdessen Isabel zu Harry herüberschubsten. Isabel blickte völlig durch den Wind zu ihrer Freundin. Doch auch sie feuerte Isabel und Harry bereits an, als auch schon das nächste Lied anlief. Gezwungenermaßen ergab sich Isabel ihrem Schicksal und tanzte mit Harry im Freestyle-Duo. Wie schon so oft war die Disco wieder einmal nur noch ein reiner Hexenkessel. Doch umso näher das Ende des zweiten Liedes kam, umso nervöser wurde Isabel. Sie hatte das Gefühl, dass jeden Moment ihr Herz aus ihrem Brustkorb springen müsste, so sehr schlug es ihr gegen die Rippen. Es war schon regelrecht schmerzhaft!
Harry sah Isabel an, dass sie heftig mit sich selbst kämpfte. Und kaum war das Lied vorbei, sah es so aus, als wollte Isabel schleunigst die Tanzfläche wieder verlassen. Doch Harry war schneller, er stellte sich hinter sie und berührte genauso zärtlich wie am Nachmittag Isabels Hals, so dass ihr Kopf an seiner Schulter zum Liegen kam. Er konnte unter seinen Fingern ihren unruhigen Puls fühlen. Seiner schlug genauso heftig. Der Flamenco setzte mit einem kleinen Vorspiel ein und Harry nutzte dies, um ganz langsam von Isabels Kinn über ihren Hals hinüber zu ihrem rechten Arm zu wandern, um dann weiter zu ihrer Hand zu gelangen, die er in seine nahm und Isabel mit einem heftigen Ruck zu sich herumdrehte, um dann, als nun die Melodie anschwoll, mit ihr den erotischen Tanz vom Nachmittag zu wiederholen. Wie in Trance folgte Isabel abermals Harrys Schritten und ließ sich von ihm überallhin führen. Als der Flamenco im Tango endete und Isabel gerade vom Boden wieder heraufkam und ihre Hand erneut über Harrys Bein gleiten ließ, riss Harry Isabel, nachdem er sie in einem letzten Halbkreis von sich gestoßen hatte, an sich heran und sogleich landeten seine Lippen sehnsüchtig auf ihren.
Isabel war völlig perplex und brauchte einige Sekunden, bis sie begriff, was Harry da gerade tat. Prompt landete ihre Hand in seinem Gesicht. Genauso verschreckt wie Harry war, rannte Isabel von der Tanzfläche. Doch sie kam nicht weit, denn bereits einige Meter später hatte ein anderer Prinz ihren Arm gegriffen und zog Isabel zur Seite. Apathisch starrte Isabel in das Gesicht von Prinz William. „War das eben wirklich nötig? Ich glaube, die Ohrfeige hat mein Bruder nicht verdient! Okay, es war nicht ganz korrekt von ihm, Sie so zu überfallen. Aber wissen Sie eigentlich, wie sehr mein Bruder wegen Ihnen leidet?!“ Isabel senkte betrübt den Kopf, sie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Unweigerlich traten ihr die Tränen in die Augen, die sie auch nicht in der Lage war zurückzuhalten. William reichte ihr ein Taschentuch. „Beruhigen Sie sich wieder, es ist doch gar nichts passiert. Ich wollte Ihnen nur einmal meine eigene Meinung dazu sagen und finde, dass es an der Zeit ist, dass Sie und mein Bruder endlich ein klärendes Gespräch führen sollten; wenn Sie nichts dagegen haben, wäre jetzt genau der richtige Zeitpunkt!“ Entsetzt blickte Isabel wieder auf. Sie spürte jedoch instinktiv, dass Prinz William keine Widerrede duldete. Er zeigte auf eine Tür hinter Isabel. „Darf ich bitten? Nach Ihnen!“
Wie ein Häufchen Elend betrat Isabel den angrenzenden Raum. Es war das Büro des Inhabers des Clubs. „Setzen Sie sich, mein Bruder kommt sicherlich gleich.“
Völlig eingeschüchtert setzte sich Isabel auf den Sessel neben dem kleinen Beistelltischen. Währenddessen hatte sich Prinz William den Stuhl vor dem Schreibtisch gegriffen und setzte sich rittlings darauf. Er hatte seine Arme auf die Lehne gelegt und sah – eigentlich recht einfühlsam – zu Isabel herüber. „Warum sind Sie eigentlich so schlecht auf meinen Bruder zu sprechen; was hat er Ihnen getan?“, begann William ein einleitendes Gespräch. Doch bevor er darauf eine Antwort erhielt, polterte Harry aufgebracht ins Zimmer.
„Isabel?!“ Abrupt sahen Isabel und William zu Harry herüber. „Wills?“, fragte Harry leicht irritiert.
„Ich denke, es wird Zeit, dass ihr zwei Euch einmal aussprecht“, sagte William, ehe er sich erhob und den Stuhl wieder zurück an seinen Platz vor dem Schreibtisch stellte.
„Was, jetzt; und hier?!“, kam es ungläubig von Harry. Er sah unweigerlich zu Isabel herüber und konnte ihr an der Nasenspitze ansehen, dass sie geweint hatte und sich hundeelend fühlte.
„Ja, jetzt und hier. Sonst wird das in diesem Jahrhundert nichts mehr!“
Harry schluckte schwer an seiner aufkeimenden Wut. „Dir ist doch klar, dass Du mit dieser Aktion alles kaputt machst, oder?“ William schwieg beharrlich. „Na wunderbar, danke!“, kam es kalt von Harry.
„Brüderchen, man hat mich damals zu meinem Glück zwingen müssen, und so wie es scheint, muss man dies auch bei Euch nun tun“, war alles, was William noch sagte, ehe er ging und die Tür hinter sich schloss. Harry seufzte und fuhr sich aufgebracht mit den Händen durch die Haare. Vergeblich nach den richtigen Worten suchend lehnte er sich an die Tür, steckte die Hände in die Hosentaschen und schloss die Augen.
„Isabel, bitte entschuldige das Benehmen meines Bruders. Er hatte kein Recht sich hier einzumischen! Und bitte verzeih auch die Aktion eben auf der Tanzfläche. Ich weiß selbst nicht, was da grad in mich gefahren ist, Dich vor allen Leuten zu küssen! Es tut mir leid.“
Als daraufhin weiterhin Stille herrschte, sah Harry traurig zu Isabel herüber. Sie saß noch immer völlig eingeschüchtert in dem Sessel und schaute auf ihre verschränkten Hände in ihrem Schoß. „Isabel, Du musst mir glauben: Als ich Dich heute Abend hierher eingeladen habe, wollte ich nichts anderes, als mit Dir auf den gewonnenen Wettkampf anstoßen. Ich wollte Dir einfach ganz relaxt zeigen, dass ich auch ganz nett sein kann. Des Weiteren hatte ich natürlich im Hinterkopf, Dich so weit zu kriegen, dass Du zu einem völlig lockeren Gespräch mit mir bereit wärst. Doch das kann ich mir jetzt sicherlich abschminken … Ich bin ja auch selbst schuld daran! Ich kann verstehen, wenn