Lowlife. Julian Wendel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julian Wendel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750211179
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Vielleicht sogar den Tötungswunsch, den ich gegen es hegte.

      »Können wir vielleicht welche besorgen?«

      »Ach stell dich nit an! Bist doch noch jung!«, kläffte es und zog von dannen.

      Nachdem ich beinahe neun Stunden so verbracht hatte, war zum Feierabend alles steril. Ich humpelte heimwärts.

      Am nächsten Tag die selbe elende Prozedur. Diesmal sollte ich die Fliesen mit Versiegelung bestreichen. Man gab mir eine Lackrolle und ich legte los. Zwischendurch wurde, um die Trocknung zu beschleunigen, ein Heizgebläse angestellt. Nach fünfminütiger Pause ließ man mich wieder von vorn anfangen. Drinnen herrschte eine Luft wie in der Gaskammer… Das ging über zwei weitere Tage… Raum für Raum, Fliese für Fliese… Freitagabend schleppte ich mich mit pochenden Kniegelenken und schwindelig im Schädel Heim.

      …

      Noch am selben Freitagabend, nachdem ich gegessen und mir den Dreck von den Knochen gewaschen hatte, sollte ich den Tribut für meinen Untertanengeist und die Plackerei auf dem Boden zahlen.

      Wir versammelten uns wieder einmal in der Kellerbar meines Freundes, um dort die Schrecken der vergangenen Woche zu ersäufen… Warum sonst soff sich beinah Jedermann den ich kannte am Wochenende mindestens einmal die Hucke voll? Natürlich wollte man auch ein bisschen Spaß haben. So ließ sich einfach leichter abschalten… Die Flasche war ein treuer Begleiter von unverdautem Stress und Ausbeutung. Diese drei sauren Brüder… Wechselten sich nur kurz ab, doch verrichteten sie alle ein ähnlich zerstörerisches Werk. Manche Leute behaupteten, wir würden ohne das Saufen einfach wahnsinnig werden… Ich stellte mir das als den Grund dafür vor, warum mein Chef so ein cholerischer Hundesohn war… Zumindest behauptete er immer, er würde nie etwas trinken. Gerne prahlte er damit. Das kam mir sehr verdächtig vor… Traue keinem Mann, der keinen Alkohol trinkt, fiel mir ein.

      Die Schwächungen der vergangenen Tage vom Suff überdeckt, wankte ich die Treppe zu dem im Erdgeschoss befindlichen Klo wieder hinab. Ein Tritt verfehlte eine Stufe, die Muskeln schafften es nicht, den unerwarteten Satz nach unten zu dämpfen, das Bein verdrehte sich, ich spürte wie meine Kniescheibe sich ausklinkte und landete mit dem Gesicht auf den Stufen… Nun war ich geschädigt… Wieder einmal… Meine Gute Laune war mit einem Vorschlaghammer zertrümmert worden und ich sah mich schon wieder beim Arzt sitzen. Noch dazu würden diese undankbaren Arschficker in der Firma mich mit Tritten und freudigem Geifer im Maul rauswerfen. Sie würden sich am Montag auf mich werfen und das was noch von mir übrig war zerfleischen.

      In einem bedauernswerten Zustand nahm man mich mit zur Bushaltestelle und brachte mich Heim… Den Rest des Wochenendes verbrachte ich frustriert in meinem Zimmer und malte mir aus, was ich am Montag tun würde… Irgendwie hatten diese selbstsüchtigen Affen, da in ihrer Bruchbude von Werkstatt, ja selbst schuld an meinem Zustand. Sie sollten mir vor Freude den Arsch lecken, wenn ich wiederkam, um mir ihren Scheiß gefallen zu lassen. Hätte dieser Geizhals nicht einfach ein paar Knieschoner besorgen können, und alles wäre ganz anders gekommen… Nun sollten sie doch darauf verzichten, mich auszubeuten… Von Bettwanzen sollte der aufgefressen werden… An seinem Geiz ersticken und vom Blitz getroffen werden dabei!… Ich versuchte mir Hoffnung zu machen.

      Das Wiesel warf mich natürlich nicht raus. Die Sorgen des Wochenendes waren für die Katz. Im Büro fletschten sie die Zähne… Da musste ich durch.

      »Du bist ja mehr krank, als dass du an der Arbeit bist!…« Und… »Das war das letzte Mal, dass du hier krank machst!…« Eine halbe Stunde Drohungen und wütendes Gezeter ließ ich über mich ergehen, bevor ich endlich draußen war.

      Vier Wochen dauerte es und ich konnte wieder ohne Probleme laufen. In dieser Zeit humpelte ich von Bus zu Bus, von Bahn zu Bahn, zu den Ärzten, setzte mich über Stunden in ihre stickigen, hoffnungslos überfüllten Praxen und wartete, bis ich schwarz wurde… Sie steckten mich gut festgezurrt in die Röhre… Kernspintomografie… Das ratterte und krachte, dass ich mir vorstellte, wie das Gebäude über dem Apparat zusammenstürzte… Sie fanden nichts Außergewöhnliches. Der Orthopäde meinte es läge an Überanstrengung und verordnete mir eine Kniestütze, riet mir Ruhe zu halten und einmal wöchentlich wiederzukommen… Dieses französische Gefühl jagte mich… Und das war eine Ausgeburt jenes scheußlichen Prinzips, das mir damals in diffuser Ausführung seiner Gestalt geläufig wurde… Jener ewigen Wiederkunft… Déjà-vu, so nannte ich es der Einfachheit halber… Schon gesehen… Aber nicht bloß als Bekanntheitstäuschung, denn es stimmte ja… Schon gesehen hatte ich ähnliches… Schon erlebt, besser… Hätte dann Déjà-vécu heißen müssen… Ja… Schon erlebt. Mehrfach erlebt!… Bei jedem meiner Besuche, saßen mehr Menschen im Wartezimmer. Unter dem kalten Licht der Leuchtröhren, beklagten sie sich, fingen an, einander zu fragen, wie lange man denn schon warte und die Luft stank förmlich nach dem Pesthauch ihrer Ausdünstungen und der Unmut… Es war ansteckend… Wütend verließ ich den schlauchartigen Raum, nachdem man mich fast drei Stunden in diesem Pferch für die Siechenden hatte warten lassen, und pfiff auf das Gutachten des Doktors.

      Sobald ich kuriert war, ging die Plackerei weiter. Ein einziges, gleichförmiges Vorbeirauschen grauer Schemen… Fünf-Tage-Wochen… Lähmender Stillstand, treibender Aufruhr… Vergessen an den Wochenenden… Ungewiss war der Zeitpunkt des Feierabends… Tag für Tag… Jeden Morgen erwachte ich müde und am Abend fiel ich erschlafft zu Bett… Das große Ziel lag noch trübe, kaum erkennbar am fernen, blassen Horizont… Menschen wurden in Zwangswesten gesteckt und in einen vernebelten Abgrund geworfen… Man war ein Fremder in einer Welt von Fremden… Darauf wartend, dass die Rot glühenden Wolken des Stadthimmels ihr nachtträchtiges Licht in den Abgrund sinken lassen würden.

      …

      Dies ist eine lausige Stadt… Überhaupt, die ganze Welt ein lausiger, abgekehrter Schemen und ich stehe irgendwo dazwischen, zwischen mir und der abgerückten Welt, in einem schmerzempfindlichen und verspannten Vakuum… Es ist mal wieder soweit… Kontaktlos, so deutlich… Wo sind meine Botenstoffe?… Die polternden zellophanummantelten Hauptstraßen umgehend, findet man selten mehr, als Todesäcker, adrette Behausungen und Baustellen, abseits des erkalteten Neon- und Diodenlichtspuks. Da vor mir erstreckt sich so ein kläglicher Versuch, etwas Neues aus altbekannten Materialien zu erheben. Schotter und steife Erde, Betonelemente, ruhendes Gerät wie eiserne Zweifel und abweisendes Zaungeflecht… Sie ist unbelebt an diesem Sonntagvormittag, die Baustelle. Und da steht auch einer dieser hellblauen Plastiksärge für Menschen und deren Exkremente… Wobei die Unterscheidung… Der Ausscheidende, die Ausscheidungen… Gar nicht so weit voneinander weg. Haha… Zum Lachen ists… Ich öffne bereits die Tür, mit nur dem einen Ziel, die restlichen Substanzen loszuwerden, die mir übriggeblieben sind… Loswerden ist das falsche Wort… Ich schließe die Tür, rieche kaum etwas hier drinnen, krame den Flyer aus meiner Gesäßtasche und das Beutelchen mit dem Pulver aus meinem Portemonnaie. Eine Art teuflischer Schalksnarr, eine blau breit grinsende Fratze, mitsamt verstrickter Narrenkappe und mit halb gesenkten verkniffenen Lidern ist darauf aufgedruckt, das Siegel und Maskottchen eines Headshops… Da ist auch noch ein kleines Bömbchen, in Hanfpapier gewickelt. Ich habe nichts zu trinken, um es ordnungsgemäß runterzuspülen, wickele das Papier vorsichtig auf und vermische die gelblichen Kristalle wahllos mit dem Amphetamin… Kann mir ja einreden, dies würde die Energiereserven wachkitzeln, die es mir abverlangt, den bevorstehenden Weg hinter mich zu bringen… Schein gerollt, also rein damit… Es brennt kaum noch… Nase betäubt… Wie weit bin ich überhaupt gekommen?… Andere Frage als zu Beginn meiner Tour… Wie bin ich überhaupt so weit gekommen, war die doch?… War sie… Ist sie… Das Schloss entriegelt. Der Türgriff in meiner Hand. Ich trete hinaus aus dem unwahrnehmbaren, aber vermutlich doch vorhandenen Plastik-, Chlor- und Pissegeruch des Baustellenklos und lasse die Türe los, die von selbst in ihr Schloss fällt… Weg von hier und raus aus der lausigen Stadt… Hoffentlich fällt mir bald ein wie es mit mir weitergegangen ist… Schmutz… Wie ich… Dieser Ort… Alle Orte sind so schmutzig… So unglaublich verdreckt.

      …

      Im Sommer reichte einem der Dreck bis hoch in die Achselhöhlen und die Hände waren, trotz Handschuhen,