Lowlife. Julian Wendel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julian Wendel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750211179
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den Gastgeber auf einer Hausparty spielen zu wollen… Bald darauf, auf das bevorstehende Gelage, würde ich mir darüber im Klaren sein.

      Kaum dass der Aschenbecher bereitstand, hörte ich Stimmen aus einiger Entfernung und bewegte mich darauf zu. Ein paar Typen und ein einziges Mädel kamen eng aneinander gedrängt aus dem Dunkel und traten in den Schein der Laternen ein… Begrüßungen… Hinterher öffnete ich die Tür und sah zu, wie alles herein trottete… Das Mädchen ganz zuletzt.

      »Hier feiern wir?«, fragte sie, mein Zimmer mit ihren Schritten abmessend und die zusammengewürfelte Einrichtung betrachtend, während alle anderen ihre angetrauten Plätze einnahmen.

      »Dieser Raum ist so gut wie schalldicht… Und sowieso sind meine Alten nicht zu Haus… Wir können so lange machen wie wir wollen«, gab ich großspurig zurück und setzte mich auf meinen ausgebeulten Fernsehsessel.

      Die ersten Biere wurden aus den Kästen geholt, der Fernseher flimmerte im Hintergrund… Seichte Unterhaltung vor dem großen Spektakel. Darauf beflissen sich einen anzutrinken, saßen mit mir nunmehr sechs Leute im Raum. Marie hatte sich neben Sascha, Marcel und Dennis auf das Sofa hinter den kniehohen Tisch mit seiner verkratzten Glasplatte gequetscht, ein weiterer Gast auf einem der dem Esszimmer meiner Alten entwendeten Stühle, die zu beiden Enden des Tisches standen.

      Nach etwa einer Stunde des Biertrinkens, gab man sich ein einen Ruck und fing an die Longdrinkgläser zu befüllen. Die Party war definitiv am Laufen… Die Abstände, in denen man zum Rauchen vor die Tür ging, verkürzten sich… Man trank und lachte, unterhielt sich und wurde zusehends betrunkener.

      Das Konzept, innerhalb der geschlossenen Gruppe vor die Tür zu gehen, hatte bald an Bedeutung verloren. Ich war Sascha gefolgt, der sich zwischendurch immer wieder zwecks Telefonats ausklinkte und verweilte mit ihm unter dem Schein der Lampe vor der Garage… Drinnen blieb der Rest sich selbst überlassen… »Hey sag mal… Wann kommt eigentlich der Macker?«

      »Ist doch sein Geburtstag heute«, erinnerte mich Sascha… »Der ist noch mit Mama und Papa und seinen Schwestern unterwegs… Lässt es locker angehen.«

      »Wir haben schon bald zwölf… Wann kommt er denn? Hast du mit ihm telefoniert?«, fragte ich, ihm damit den Hintergrund seiner mysteriösen Telefonate zu entlocken suchend.

      »Ja auch…« Er nahm einen letzten Zug von der Zigarette und wollte sie schon von sich werfen, worauf ich ihn mit einem Kopfzeig auf den Aschenbecher aufmerksam machte. Er drückte sie an mir vorbeigehend, hastig stochernd darin aus und verschwand nach drinnen… Was wollte er mir verschweigen? Sollte es nur ihn betreffen? Meine Gedanken kreisten orientierungslos um die Situation herum. Ich versuchte mich an sein Verhalten bisher zu erinnern. Er hatte schnell viel getrunken… Quatsch… Hatte nichts zu bedeuten, das… Unser aller Vorhaben beschränkte sich schließlich auf ein Besäufnis.

      Später, nachdem wir unsere paar Raketen, von der kalt glänzenden Straße aus, in den diffusen Nachthimmel geschossen hatten, das kurzweilige Lichterspektakel billig, bunt und diffus in der Schwärze aufgeglänzt hatte und im Rauch vergangen war, saßen wir sehr bald wieder um den Tisch herum und ein Würfelbecher und ein Set Karten wechselte die immer fahriger zugreifenden Hände. Sascha goss sich nach… Verschwand auf Toilette… Kam wieder… Sein Telefon klingelte… Er türmte und nahm den Drink mit nach draußen… Stürzte wenig später wieder herein… Goss sich wieder nach und fing an unartikulierte Halbsätze in die Gesichter seiner Nachbarn zu gröhlen. Derweil versuchte ich mich selbst mit immer größeren Schwierigkeiten, in die zerstreuten Gespräche zu integrieren… Marie sah amüsiert in die Runde, und schien ihren Spaß an dem Aufruhr zu haben, den sie mit hellem Klang in der Stimme kommentierte… Hin und wieder auch ironisch mahnend, wenn jemand gröberen Blödsinn veranstaltete… Jemand anderes riss das Fenster auf und bat darum, eine Zigarette davor rauchen zu dürfen… Ich ließ gewähren und suchte nach der Flasche Schnaps, die ich vor einiger Zeit beiseitegestellt hatte, annehmend, man würde sich noch daran erinnern, dass sie für meinem persönlichen Bedarf bestimmt sein sollte… Ich fand sie leer unter dem Tisch liegend vor… Mit rapidem Schwung öffnete sich die Zimmertür, schlug von der Wand ein Stück zurück, und wurde nur aufgehalten von einer gleichzeitig zum Selbstschutz und zur Begrüßung vorgehaltenen Hand… Somit alle Aufmerksamkeit auf seine Ankunft lenkend, betrat endlich Macker, leicht schwankend und der Versammlung feierliche Blicke zuwerfend, den Raum und ließ sich beglückwünschen… Ihm folgte ein vom Suff bereits so eingenommenes Mädchen, dass es nicht einmal die Anwesenden bemerkte, als es wie etwas wirbelloses erschlaffend an ihm vorbei stolperte und in unmittelbarer Nähe des Fernsehers zu Boden ging… Hilflos angesichts des allgemeinen Getümmels, stand ich als letzter auf und sprach meine Glückwünsche aus… In der Hand, die ich nicht drückte, hielt er eine Literflasche Rum… Es würde wohl noch eine Weile so weitergehen… Ich nahm dem Geburtstagskind den Rum ab… »Ist ja schön, dass du auch an deinen Gastgeber gedacht hast…« Und beugte mich damit zum Tisch herüber… »Hast sicher nichts dagegen, wenn ich den mal probiere…« Drehte den Verschluss herunter und schenkte mir ein.

      »Wer isn die Schnapsleiche die du da mitangeschleppt hast?«

      »Die?… Die is in Ordnung… Lass die sich mal erholen.«

      Mit zunehmendem Rausch und wachsendem Chaos erfuhr auch der Ärger eine Steigerung… Ein paar Gläser waren umgefallen, zwei dabei zu Bruch gegangen und Marcel war ungeschickt in die Kabel der Musikanlage gestiegen und hatte sie dabei herausgerissen… Vor dem Fenster sammelten sich die Zigaretten… Die Kellertür donnerte in einem fort, von Saschas anhaltenden Ausflügen ins Freie… Irgendwann war ich so weit… Was sollte es?… War ja auf meinem eigenen Mist gewachsen… Aber… Alles war so surreal, wie ein Traum der schön begonnen hatte und in einem unkontrollierbaren Desaster, gleich einem zügellosen Albtraum, enden würde… Wie war es mir anfangs nur gelungen, mich auf den Gedanken einzulassen, man könnte auch als Gastgeber auf einer Hausparty Spaß haben?… Man müsste einfach loslassen… Scheiß doch drauf.

      Sascha, gerade hatte er sich noch lautstark mit Marie unterhalten, sauste von seinem Platz in die Höhe und machte mit voller Schlagseite einen Satz auf mich zu. Er ging neben mir in die Hocke, legte einen Arm um meine Schulter, stützte sich mit der Faust des anderen auf den Boden und seine Lippen näherten sich verschwörerisch gespitzt meinem Ohr.

      »Ich hätt schon Bock jezz einn surauchn… Du?…« Warum jetzt?… Er musste unsere letzte Eskapade schon verdrängt haben… Oder er hatte, ähnlich wie ich einen devianten Spaß daran empfunden… »Awer ichchch habmein Zeuch suhause jelassn…«

      Zu der Zeit verbargen wir geradezu paranoid, dass wir gelegentlich gern mal einen durchzogen… Ein paar der Jungs wussten Bescheid… Aber die Mädels… Wir hielten das für eine sensible Angelegenheit.

      »Und jetzt? Ich hab meins im Zimmer versteckt… Das kann ich unmöglich jetzt herbeiholen…«

      »Hassrecht… Nichjezz… Wo Marie da is…«

      Im nächsten Augenblick klingelte sein Telefon, er stand auf, spuckte ein angenervt fragendes »Hallo?!« in den Hörer und machte sich daran, das Zimmer zu verlassen.

      Es überkam mich mit gebieterischer Gewalt, den Spekulationen über den Grund seiner Gespräche zu entrinnen, die schon in aller Munde waren und um die Frage kreisten, ob er denn ein Mädchen hätte, von dem man nichts wisse… Was eine nicht zu unterschätzende Bedrohung darstellen konnte… Ich erhob mich… Die Garagentür wurde derart aufgerissen, dass ich dachte sie würde aus den Angeln fliegen… Ich würde es für mich selbst herausfinden… Und setzte ihm hinterher.

      Die Tür war weit geöfffnet aber man sah niemanden davorstehen. Gellende Laute schlugen sich von der mittlerweile beruhigten Straße kommend ums Haus. Die Entfernung und ungefähre Richtung bedeuteten, dass er gerannt sein musste. Nach einigen Schritten sah ich ihn weiter die Straße herunter, auf dem Bürgersteig vor dem Garten eines Nachbarhauses. Vermutlich hatte er von etwas unerfreulichem Wind bekommen… Warum sonst würde er so herumschreien?… Aber was?… Im Herannähern beobachtete ich, wie er auf und ab ging, dabei das Handy ans Ohr gepresst und mit der Zigarette in der freien Hand