Sturmernte. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623489
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und zu zivilen Hilfseinsätzen, wie zum Beispiel bei den Hochwasserkatastrophen, nicht eingesetzt werden.

      Das heißt, eure Übungen waren derart gefährlich..., begann Sarah verständnislos zu fragen, dann glaubte sie, verstanden zu haben und hielt inne.

      Thomas, der ihr Stocken richtig interpretierte, huschte ein Lächeln über das Gesicht.

      Ja, genau. Wir haben gezielte Operationen in Kriegs- und Krisengebieten durchgeführt. Immer mit einem brisanten Auftrag und fast immer auch mit Feindberührung.

      Das bedeutet, ihr wart wirklich auf Kampfeinsätzen!, sagte Sarah leise und ein wenig ungläubig.

      Ich dachte, das wäre rein rechtlich gar nicht möglich...

      Nun musste Thomas wirklich lachen.

      Was glaubst du?, fragte er etwas spöttisch.

      Meinst du, dass, als dieser US General sich neulich verplappert hat und vor laufenden Kameras die exzellente Arbeit des KSK in Afghanistan lobte, deutsche Soldaten zum ersten Mal im Kampfeinsatz waren? Also ich spreche nicht von humanitärer Hilfe mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Ich spreche davon, zum Beispiel eine Anzahl von Torpedobooten im Hafen mit Haftminen zu versenken. Oder aus getarnter Stellung heraus mit Lasern Panzer, Radarstationen oder Ähnliches zu markieren, die dann von den Amis mit ein paar F16 in einem Luftschlag dem Erdboden gleichgemacht werden.

      Thomas atmete durch.

      Seien wir ehrlich, eine Spezialeinheit steht und fällt nicht zuletzt mit ihrer Erfahrung. Und glaube mir, davon haben wir eine ganze Menge! Und verfalle nicht dem Irrglauben, dass die Politik das nicht wüsste. Solche Einsätze gab und gibt es schon seit Langem!

      Ohne Bundestagsmandat!, hauchte Sarah leise, und es war ihr anzumerken, dass ihr Glaube in das System gerade einen ziemlichen Knacks zu erleiden drohte.

      Ich dachte, so was machen immer nur „die Anderen“.

      Solche Einsätze sind durch spezielle Klauseln rein rechtlich von der Pflicht der Beauftragung durch den Bundestag ausgenommen. Hier kommen sehr raffiniert ausgearbeitete, multilaterale NATO-Verträge zum Zuge. Rein verfassungstechnisch ist das wasserdicht. Nur von der Öffentlichkeit will man das natürlich fernhalten. In Deutschland herrscht einfach ein anderes Bewusstsein als zum Beispiel in den USA oder in England. Deswegen wird darüber das Mäntelchen des Schweigens gelegt.

      Sarah atmete tief durch.

      Ja, wenn man mal nüchtern darüber nachdenkt... irgendwie überrascht das ja nicht. Schließlich spielen wir seit Jahrzehnten wieder auf internationalem Parkett. Aber richtig wahrhaben will man es halt doch nicht. Hast du... musstest du...

      Ob ich schon jemanden getötet habe, möchtest du wissen?, half Thomas Sarah bei der Vollendung ihrer Frage.

      Würde es etwas an deiner Meinung über mich ändern?

      Sarah überlegte keine Sekunde

      Nein! Natürlich nicht!, sagte sie schnell.

      Ich meine, ich bin bei der Polizei, ich trage eine Waffe. Auch ich kann in die Situation kommen, einen Menschen sehr schwer zu verletzen oder sogar zu töten. Es hat mich einfach interessiert... falls... wie... wie es ist!

      Thomas sah sie mit weichem Blick schweigend an.

      Es ist nicht schön, sagte er leise.

      Das heißt, du warst schon in dieser Situation!

      Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, aber Thomas antwortete trotzdem.

      Mehr als nur einmal!

      Sein Blick hatte etwas Nachdenkliches. Dann lächelte er aber wieder.

      Komm, sagte er, lass uns von etwas anderem reden. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Nachtisch?

      Sarah schüttelte sich kurz, ihr war der Wechsel von diesem Thema zu abrupt gekommen. Aber sie respektierte, dass Thomas diesen Abschnitt seines Lebens hier und jetzt nicht vertiefen wollte und versuchte, für einen Nachtisch Begeisterung aufzubringen. Als sie die Karte studierte, welche die Bedienung ihnen auf Nachfrage ausgehändigt hatte, fiel ihr das auch schon um Einiges leichter.

      Wow, sagte sie, das klingt ja alles ganz köstlich. Was ist denn besonders gut?

      Thomas schüttelte den Kopf.

      Ich habe hier noch nie ein Dessert bestellt, sagte er und wandte sich an die junge Frau.

      Kannst du uns was empfehlen? Er hatte sich mit der Anrede der Studentin angepasst.

      Sie lachte.

      Hier ist alles gut! Aber wir haben heute ein geeistes Zimtparfait mit Kakaostaub und exotischen Früchten, das steht nicht auf der Karte. Das würde ich an eurer Stelle mal probieren.

      Thomas sah Sarah an, sie nickte. Er gab die beiden Karten der Bedienung zurück.

      Zweimal das Zimtparfait dann!

      Kaffee, Cappuccino, Espresso, Grappa?

      Zu einem Espresso würde ich mich überreden lassen, ließ Sarah vernehmen, also setzte Thomas noch: „Und zwei Espresso, bitte!“ hinzu.

       Und? Was ist bei Ihren Untersuchungen herausgekommen?

      Die sechs an dem Fall beteiligten Ermittler und Henning Gröber saßen im Sitzungsraum. Den vorigen Nachmittag und den größten Teil des Tages hatten sie mit den Vermisstendatenbanken der meisten europäischen Länder zugebracht, ohne einen wirklich vielversprechenden Hinweis zu bekommen.

      Die wenigen Fälle, in denen eine vermisste Person theoretisch das Opfer hätte sein können, wurden akribisch untersucht, aber alle konnten letzten Endes aufgrund irgendeines Details ausgeschossen werden. Eine Liste von Tauchcentern und -schulen in Baden-Württemberg, die Thomas vorsorglich schon einmal recherchiert hatte, wies an die 270 Positionen aus. Selbst im südbadischen Raum waren es noch gut 80 Unternehmen, die in irgendeiner Form mit Tauchausrüstung, Ausbildung, Reparatur oder Schulung zu tun hatten. Gerade als man Gröber über den bisherigen Stand informiert hatte, klingelte das Telefon im Konferenzraum, auf das Thomas seinen Apparat umgeleitet hatte. Es war Schwarz.

      Herr Dr. Schwarz!, begrüßte ihn Gröber.

      Sie haben neue Erkenntnisse für uns?

      Die habe ich, antwortete dieser und fuhr ohne Zögern fort.

      Ich bin der Idee nachgegangen, die Herr Bierman in Bezug auf die löslichen Gase bei einer Leiche im fortgeschrittenen Verwesungsstadium hatte.

      Bei den meisten Anwesenden machte sich eine deutliche Neugier auf den Gesichtern breit. Thomas und Sarah hatten dem Team noch nichts von Schwarz’ Aktivitäten bezüglich des Leichnams gesagt. Thomas setzte die Ermittler mit zwei Sätzen ins Bild, dann griff Schwarz den Faden wieder auf.

      Zunächst möchte ich Folgendes zu Ihrer aller Information vorausschicken: Ich war vor ein paar Jahren auf einem Kongress für medizinische Forensik in Brüssel, mit hochkarätigen internationalen Referenten. Ein wirklich interessantes Symposium, wenn man den perfekten Mord plant...

      Kommen Sie zur Sache, sagte Gröber scharf.

      Allen außer ihm war klar, dass solch ein Verhalten Schwarz bestenfalls dazu verleiten würde, genüsslich seine Recherchen weiter vor ihnen auszubreiten – zumal Gröber ja nicht sein Vorgesetzter war.

      Lieber Herr Dr. Gröber, Sie verlangen doch immer fest untermauerte Fakten. Wenn Sie mir also erlauben, Ihnen darzulegen, dass die Analysemethoden und Rückschlüsse, die ich Ihnen gleich mitteilen werde, von dem anerkannten Spezialisten auf diesem Gebiet stammen?

      Er wartete nicht auf Gröbers Antwort, sondern fuhr einfach fort:

      Damals in Brüssel hatten wir einen Referenten, der ursprünglich Tauchmediziner bei den U.S. Navy Seals war und sich später als Rechtsmediziner beim Naval Criminal Investigative Service in Norfolk, Virginia, auf die wissenschaftliche Untersuchung von Todesopfern im Zusammenhang mit Wasser spezialisiert hat. Er galt und gilt auf diesem Gebiet als die