Sturmernte. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623489
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Südkalifornien. Dort wird er allerdings sowohl von der San Diego State Police als auch von der Navy immer noch um Rat gefragt, wenn es um mysteriöse Todesfälle geht, speziell was Ertrinken und Ähnliches betrifft. Genaugenommen wird er zu jedem komplizierten Fall in ganz Südkalifornien hinzugezogen.

      Schwarz ließ das kurz auf die Ermittler wirken, dann fuhr er fort.

      Als Sie, Herr Bierman gestern mit Ihrer Frage bezüglich der Gassättigung kamen, habe ich mich erinnert, dass Dr. Lang bei seinem Vortrag andeutete, an einem Verfahren zu arbeiten, um eben genau unserer Fragestellung Rechnung zu tragen. Es geht genaugenommen darum, auch bei vor längerer Zeit Verstorbenen Nachweise für gelöste Gase im Blut beziehungsweise im Gewebe zu erbringen und so Rückschlüsse auf Atemgemische und Gaskontamination vor dem Zeitpunkt des Ablebens zu ziehen. Ihn habe ich gestern Abend angerufen und er war freundlicherweise sofort bereit, mir zur Seite zu stehen. Wissen Sie, ich hatte ihn am Abend nach dem Vortrag in das Brüsseler Nachtleben eingeführt... aber das führt zu weit.

      Diesmal atmete selbst Thomas erleichtert durch, verschonte Schwarz sie doch mit den sicherlich amüsanten Details des besagten Abends.

      Um es kurz zu machen, er hat in den letzten Jahren auch in Zusammenarbeit mit dem FBI empirisch unter Berücksichtigung aller externen und internen Faktoren Kriterien aufgestellt und eine Tabelle erarbeitet, mit der man, so behauptet er, in der Lage ist, entsprechende Rückschlüsse zu ziehen.

      Karen Polocek meldete sich zu Wort.

      Und dieses Verfahren hat noch nicht Einzug in die weltweite Forensik gehalten?

      Aus verschiedenen Gründen: nein!, antwortete Schwarz.

      Zum einen ist seine Arbeit noch nicht abgeschlossen und auch noch nicht soweit wissenschaftlich unterlegt, als dass man das als Standardverfahren aufnehmen könnte. Zum anderen sind Fälle, bei denen unsere Fragestellung relevant ist, ja weiß Gott sehr selten! Insofern kann man sagen, er ist derzeit möglicherweise der Einzige weltweit, der sich mit dieser Problematik wissenschaftlich auseinandersetzt.

      Karen nickte und Thomas, der sich erst mit Blicken in die Runde versichert hatte, dass niemand mehr eine Frage hatte, forderte Schwarz auf, weiterzumachen.

      Dr. Lang hat mich um eine ganze Reihe sehr spezifischer Werte gebeten, für die meisten habe ich letzte Nacht im Labor noch einmal jede Menge Untersuchungen machen müssen. Ich will nicht ins Detail gehen, aber das sind Dinge, die normalerweise bei einer Obduktion komplett unter den Tisch fallen.

      Ein deutlich vernehmbares Gähnen unterstrich die Tatsache, dass Schwarz wohl sein Bett in der vorausgegangenen Nacht, wenn überhaupt, nur sehr kurz gesehen hatte.

      Diese ganzen Werte habe ich Dr. Lang auf elektronischem Wege übermittelt und er hat sie umgehend in sein Modell eingegeben.

      Schwarz machte eine kurze Pause.

      Der Zeitverschiebung sei Dank, vor 20 Minuten rief er zurück: Er betonte nochmals, dass seine Methode lediglich ein Abgleich mit empirischen Daten ist, wenngleich auch ein sehr komplexer und gut durchdachter. Seiner Meinung nach bestätigten die Werte unsere Vermutung, dass unser Opfer in den Tagen, möglicherweise Wochen, vor seinem Tod viel Zeit mit einem DTG unter Wasser verbracht hat.

      DTG?, flüsterte Sarah fragend zu Thomas

      Drucklufttauchgerät, raunte er leise, aber für alle verständlich, zurück.

      Also das, was der Normalbürger gemeinhin, aber fälschlicherweise als Sauerstoffflasche bezeichnet.

      Wieso fälschlicherweise?, fragte Gröber nach.

      Bevor Bierman antworten konnte, fuhr Schwarz mit seinem Bericht fort.

      ... aber damit noch nicht genug! Dr. Lang hat aufgrund der... Moment... 47 Werte, die ich ihm durchgegeben habe, ein weiteres, möglicherweise für die Ermittlungen wichtiges Detail geäußert: Er ist sich sicher, dass unser Opfer mit einem erhöhten Sauerstoffanteil im Atemgas getaucht ist.

      Er ist ein Nitroxgemisch getaucht?, hakte Thomas ein.

      Konnte Dr. Lang eingrenzen, welchen O2-Anteil das Atemgas hatte?

      Er wollte sich nicht mit Sicherheit festlegen, aber nachdem ich ihn um eine Schätzung gebeten hatte, nannte er 35% bis 40?%. Allerdings unter Vorbehalt, wir sollten das wirklich nur als Anhaltspunkt nehmen.

      Sarah konnte erkennen, wie sich auf Thomas’ Gesicht ein klein wenig Zuversicht breitmachte. Auch an seiner Körperhaltung konnte sie ablesen, dass er sich ein wenig entspannte. Mit leicht geschürzten Lippen und funkelnden Augen blickte er in die Runde.

      Na also, wir haben die erste wirklich heiße Spur, sagte er und musste lächeln.

      An was für Zufällen wir uns doch manchmal durch so einen Fall hangeln müssen!

      Gespannt sah er alle an und schien nach Zustimmung zu suchen. Ihm war offensichtlich nicht bewusst, dass keiner der Anwesenden außer ihm in der Lage war zu beurteilen, wie wichtig die Rückschlüsse aus den von Schwarz mitgeteilten Fakten zu bewerten waren. Nach kurzer Stille war es Pfefferle, der sich erbarmte nachzufragen.

      Thomas!, er räusperte sich.

      Da wir nicht alle über dein Hintergrundwissen verfügen, sei doch bitte so freundlich und erkläre uns, wieso diese Ergebnisse deiner Meinung nach einen so großen Fortschritt bedeuten.

      Die allgemeine Zustimmung der Runde quittierte Thomas mit einem einsichtigen Nicken. Er hatte erkannt, dass er, wie so oft, seine weitreichenden Kenntnisse auf den unterschiedlichsten Gebieten immer auch bei anderen voraussetzte. Mit Äußerungen wie „das ist ja klar“ oder „logisch“ war er dem ein oder anderen Kollegen schon kräftig auf die Füße getreten. Er wandte sich zu Gröber:

      Wie ausführlich soll es denn sein? Ich könnte auch nur die Rückschlüsse...

      Nein! Auch die Hintergründe.

      Gröber sah auf die Uhr.

      Ich möchte, dass es jeder versteht.

      Thomas schloss für wenige Augenblicke die Augen und schien in diesen Sekunden das recht komplexe Thema in seinem Kopf auf ein verständliches, aber mit einem Höchstmaß an Informationen gefülltes Minimum zu reduzieren. Er nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse geräuschvoll wieder auf den Tisch und ging zu dem Whiteboard am Kopfende des Konferenztisches.

      Also gut, dann ein paar Grundlagen zum Tauchen. Normalerweise befindet sich in den Flaschen, die einen Taucher unter Wasser mit Luft versorgen, einfach Pressluft, das heißt, ganz normale Luft, wie wir sie mit jedem Atemzug einatmen. Nur hochkomprimiert. In der Regel auf 200 Bar, es gibt aber auch 300 Bar-Systeme.

      Wow, entfuhr es Pfefferle, wenn dir so ein Ding mal um die Ohren fliegt!

      Er hatte wie alle anderen eine möglichst entspannte Sitzposition eingenommen, um dem kurzen Vortrag konzentriert folgen zu können. Auch Gröber, der normalerweise, wenn er nichts zu sagen hatte, demonstrativ an seinem Blackberry herumnestelte, hatte sich zurückgelehnt und sah Bierman interessiert an.

      Unsere Atemluft besteht im Wesentlichen aus zwei Gasen, nämlich zu 78?% aus Stickstoff, der dem Menschen unter Oberflächenbedingungen nicht weiter schadet, und zu 21?% aus Sauerstoff, den wir ja zum Atmen zwingend benötigen.

      Er schrieb die beiden Zahlen mit einem Boardmarker an die weiße Fläche. Der Rest sind unbedeutende Beimengungen. Unter Druck reagiert unser Körper aber auf die Atemgase anders als an der Oberfläche. In Bezug auf den Stickstoff hat das zwei nennenswerte Effekte. Zum einen haben wir den Tiefenrausch, auch Stickstoffnarkose genannt, der je nach Verfassung und Situation ab etwa 30 Meter Wassertiefe auftreten kann und zu Benebelung, Konzentrationsschwäche, Angstzuständen oder auch Euphorien führen kann. Vergleichbar mit der Wirkung einer Droge, ein Rausch eben.

      Er vergewisserte sich mit einem prüfenden Blick, ob das Gesagte bei allen angekommen war. Dann fuhr er fort.

      Der zweite Effekt ist, was gemeinhin als Taucherkrankheit bezeichnet wird. Der Stickstoff löst sich unter Druck zu einem weit größeren Teil in unserem Blut als an der Oberfläche, und zwar