Sturmernte. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847623489
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in den Raum geworfen gewesen, vielleicht eine witzig gemeinte Bemerkung. Dass sie tatsächlich eine Antwort erwartete und möglicherweise sogar mehr dahinter vermutete, überraschte ihn, zumal ja tatsächlich sein bisheriger Werdegang ursächlich für sein Wissen auf diesem Gebiet war. Das war zwar kein Geheimnis, aber er war sich sicher, dass keiner seiner Kollegen außer Pfefferle darüber Bescheid wusste, und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Sarah mit Gröber über ihn geplaudert hatte. Einen Moment überlegte er, ob es der richtige Zeitpunkt war, ihr etwas von sich und seiner bewegten Vergangenheit zu erzählen, entschied sich aber dagegen. Er wusste, wenn er sich kurz fasste, würde eine Frage die nächste ergeben. Als sich die Fahrstuhltüren öffneten und er hinter Sarah in die Kabine trat, sagte er deswegen nur:

      Das ist in der Tat eine etwas längere Geschichte.

      Doch gleich darauf biss er sich wegen dieser Formulierung auf die Lippe, denn ihm war augenblicklich klar geworden, dass es für Sarah ja geradezu eine Herausforderung war, jetzt mehr zu erfahren. Doch sie reagierte sehr defensiv.

      Vielleicht haben wir ja mal Zeit, dass du sie mir erzählen kannst, sagte sie nur knapp und beließ es auch während der Fahrt dabei.

      Doch Thomas nahm den offensichtlich ausgelegten Köder nicht an. Als sich drei Stockwerke tiefer die Türen des Aufzuges öffneten, hörten sie schon in ihrem Büro schräg gegenüber ein Telefon klingeln. Thomas beeilte sich, zu seinem Schreibtisch zu kommen und versuchte, seine Unterlagen irgendwo auf den vorhandenen Stapeln zu platzieren, um das Gespräch, das auf seinem Apparat ankam, entgegenzunehmen, bevor es der Anrufer aufgab oder die Umleitung zur Zentrale einsprang. Da er keine ausreichend große, ebene Fläche vorfand, legte er seinen Stapel auf Sarahs Schreibtisch ab, die das Ganze stirnrunzelnd verfolgte. Während Thomas den Hörer abnahm und Bierman ins Telefon bellte, legte sie ihre eigenen Unterlagen ab und drohte Thomas mit erhobenem Zeigefinger. Dieser hob entschuldigend die Arme und schaltete den Lautsprecher des Telefons an. Am anderen Ende war Schwarz.

      ... was hat denn da gerade so furchtbar gekracht?, war das Erste, was Sarah von dem Rechtsmediziner hörte.

      Ich habe Sie nur eben auf laut gestellt, damit Frau Hansen mithören kann, antwortete Thomas.

      Ah, das ist gut! Hallo Frau Hansen, haben Sie den Besuch bei mir heute Morgen gut verkraftet?

      Ganz der Charmeur ließ er es sich natürlich nicht nehmen, Sarah persönlich zu begrüßen.

      Hallo Dr. Schwarz, gab sie zurück, na ja, schön war es wirklich nicht, um ehrlich zu sein. Ich frage mich, wie Sie wohl Ihr Mittagessen heute genossen haben. Ich jedenfalls hab es ausfallen lassen. Aber was haben Sie denn für uns?

      Im Hintergrund hörte man das Rascheln von Papier.

      Ich bin selber etwas erstaunt, wie schnell die nun folgenden Informationen ihren Weg zu mir gefunden haben... Wieder war das Blättern in Unterlagen zu hören, was darauf hindeutete, dass sich Schwarz selbst noch keinen Überblick verschafft hatte, bevor er zum Telefon griff. Es sind, wie ich gerade sehe, auch nur die Ergebnisse der Wundabstriche, die ich gestern noch ins Labor gegeben hatte... ohne die DNA-Analyse... verflucht warum haben die mir das denn überhaupt schon geschickt?

      Thomas und Sarah grinsten sich schweigend an, während Schwarz weiter mit seinen Papieren kämpfte.

      Ah, da haben wir es ja. Hmmm.... Ok. Also das Labor hat mich vorab über etwas informiert, das bei der Chromatographie der Wundabstriche auffällig erschien.

      Wieder eine längere Pause, in der Schwarz den Bericht eingehender studierte.

      Ja, das ist wirklich bemerkenswert, ließ er zwischendurch verlauten.

      Jetzt spannen Sie uns nicht weiter auf die Folter, konnte Thomas seine Neugier nicht mehr zügeln, woraufhin sich Schwarz räusperte und dann begann, die neuen Erkenntnisse vorzutragen.

      Wir haben sowohl in der Stichwunde als auch an den Wundrändern der Finger eine nicht unbeträchtliche Menge einer Mischung an n- und Iso-Paraffinen nachweisen können... hier folgen Einzelheiten zur Zusammensetzung... das Ganze wird bei diesem Mischungsverhältnis eine cremige Paste gewesen sein. In der Stichwunde, genauer, direkt beim Einstich war die höchste Konzentration. Der Verletzung Richtung rechten Rand folgend nahm die Konzentration ab. Und auch an den Fingern konnte das Labor von Schnitt zu Schnitt eine geringer werdende Menge dieser Substanz finden. Außer in den Wunden war sie am ganzen Körper nicht vorhanden. Zumindest was die Abstriche, die ich gemacht habe, angeht. Lassen Sie mich eines noch hinzufügen: An dieser Stelle wage ich zu behaupten, dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat nackt war oder zumindest aber am Oberkörper keine Kleidung trug. Sonst hätte sich die Substanz höchstwahrscheinlich an dem Stoff abgerieben und wäre nicht, oder zumindest nicht in dieser Konzentration, nachzuweisen gewesen.

      Während Schwarz sich wieder in die Papiere zu vertiefen schien, sah Sarah zu Thomas, der angestrengt nachdachte.

      Daraus lassen sich auf alle Fälle schon mal zwei Fakten ableiten, fasste er seine Gedanken nach einer Weile zusammen.

      Erstens, da sich diese Paraffine außer in den Wunden nirgendwo sonst auf der Leiche befinden, können wir davon ausgehen, dass sie mit der Tatwaffe dorthin gelangt sind. Das bedeutet, dass die Tatwaffe mit der betreffenden Substanz kontaminiert war. Und zweitens zeigt uns die abnehmende Konzentration des Stoffes die zeitliche Abfolge, in der die Wunden verursacht wurden, da mit jedem Schnitt diese Creme, was auch immer es ist, zunehmend von dem Werkzeug, wir hatten uns auf ein Messer geeinigt, abgerieben wurde.

      Genau!, ergänzte Sarah, zuerst der Stich, da war die Waffe noch voll von dem Zeug, deswegen ist hier auch am meisten davon zurückgeblieben. Bei der Wunderweiterung wurde es schon weniger, dann ging es an die Finger.

      Jeweils vom Daumen Richtung kleiner Finger, mit der linken Hand angefangen, vervollständigte Schwarz, am Ring- und kleinen Finger der rechten Hand war es kaum noch nachzuweisen. Das Ganze bestätigt uns auch in der Annahme, dass unser Opfer nicht gefoltert wurde. Schließlich hatte er die tödliche Verletzung zu dem Zeitpunkt ja schon erhalten.

      Irgendwie empfand Sarah an dieser Nachricht etwas Tröstliches.

      Und selbst wenn er zu dem Zeitpunkt noch gelebt haben sollte, mitbekommen hat er es nicht. Da hatte er schließlich ganz andere Probleme, ruinierte Thomas mit nur einer Bemerkung Sarahs vorangegangene Gedanken.

      Aber nun die spannende Frage: Was sollen wir uns unter einer, wie nannten Sie es, Mischung aus n- und Iso-Paraffinen vorstellen, und wo kommt so etwas vor?

      Das Ganze, antwortete Schwarz, der seine Unterlagen jetzt sicher unter Kontrolle zu haben schien, ist ein Abfallprodukt aus der Erdölgewinnung, eine weißlich-transparente, salbenartige Mischung aus verschiedenkettigen Kohlenwasserstoffen. Die Art der Zusammensetzung ist sehr spezifisch. In der Technik ist die Substanz sehr beliebt, weil sie universell als Gleitmittel eingesetzt werden kann. So wird sie vielfach in Rollen-, Walz- und Gleitlagern benutzt. Des Weiteren werden auch unbewegte Werkstoffe mit der Substanz behandelt, weil sie einen hervorragenden Korrosionsschutz bietet. Darüber hinaus wirkt sie auf kein bekanntes Material aggressiv.

      Das scheint ja ein wundersames Zeug zu sein, sagte Sarah, sagen Sie nur, man kann damit auch die Zähne putzen?

      Schwarz lächelte am anderen Ende der Leitung.

      Nein, Zähne putzen kann man damit nicht, zumindest nicht ohne Zugabe bestimmter Stoffe. Aber sie wirkt beim Menschen wundheilungsfördernd und wird auch in der Kosmetik vielfach eingesetzt. Und jetzt, Ohren auf: Sie kennen die Substanz unter der Bezeichnung Vaseline.

      Vaseline, stöhnte Sarah, hätten Sie uns das nicht auch in kürzerer Form mitteilen können?

      Das hätte ich, sagte Schwarz und das Schmunzeln hätte man fast greifen können, so eindrücklich gab der Lautsprecher seine kindliche Freude wieder, aber auf diese Weise macht es mir einfach viel mehr Spaß! Und Sie wissen ja, wenn man keinen Spaß mehr an seiner Arbeit hat...

      Thomas überhörte die freundschaftlichen Kabbeleien zwischen seiner Partnerin und Schwarz. Er setzte sich auf seinen Bürostuhl, stellte die Ellenbogen auf die Tischkante und rieb sich seufzend mit beiden Handflächen durch das Gesicht. Dann legte