Nun zum Stammhaus, mit seinem in den Fels gehauenen naturtemperierten Weinkeller und eigener Quelle, mit Hand betriebener Pumpe, Bauernküche, offener Schlaftenne und vielen, vielen Extras. Hier schwankt Peter, ob er das Stammhaus als Labor mit Schulungsräumen oder als exklusives Lokal für Gourmet-Freunde nutzen soll. Natürlich würde er gerne bundesweit, wenn nicht weltweit, Patienten sein einzigartig dental-medizinisches Können beweisen. Auf dem Gebiet, so immer wieder seine Beteuerungen, ist er eine Koryphäe. Genau so gerne jedoch würde er am Herd stehen, um die Gäste mit raffinierten Kreationen zu verwöhnen. Seine Pläne übertreffen noch bei Weitem die, die er für ́s Deep in Köln geschmiedet hatte.
Die Besitzer des Anwesens, ein älteres Ehepaar zeigen sich zufrieden darüber, dass sie endlich Kaufinteressenten gefunden hatten, die die Besonderheiten ihres Noch-zu-Hauses erkennen und honorieren. Die Herren entdecken im Verlauf weiterer Gespräche ihre Leidenschaft zur Natur insbesondere für die Jägerei. Ringsum an den Wänden der Eingangshalle hängt der präparierte Abschuss aus Afrika. Der Hausherr bietet an, beim zuständigen Revierförster ein gutes Wort zwecks Erteilung eines Jagdbegehungsrechts für Peter einzulegen. Das Gespräch mit dem Förster verläuft erfolgreich. Peter erhält für die nächste Jagdperiode eine Zusage, natürlich gegen einen entsprechenden Obolus. Bei den folgenden Begegnungen lässt Peter sich ausgiebig über seinen Besitz in der Türkei, auch die Schweiz erwähnt er ganz beiläufig, aus. So entsteht der Eindruck, dass Geld keine Rolle spielt. Er überzeugt das Ehepaar Steinfurt von seiner Bonität. Man einigt sich auf einen offiziellen, notariellen Preis von € 900.000,00, wobei eine zusätzliche Summe von € 200.000,00 unter der Hand den Besitzer wechseln soll. Wieder mal der Fiskus, Kosten und Steuern sparen. Um uns das Vorkaufsrecht zu sichern, sagen wir eine Anzahlung von € 20.000,00 zu. Diese Summe rufe ich von einem meiner Kölner Konten ab. „Liebling, nun wird es höchste Zeit, dass wir unsere Reise in die Türkei antreten. Du weißt gar nicht, wie sehr es mir widerstrebt, dass du für alles in Vorlage trittst. Bisher ist es uns gelungen unsere Umzugspläne vor Pauliano geheim zu halten. Irgendwie werde ich es schaffen, unbemerkt von ihm in die Türkei und auch in die Schweiz zu gelangen. Wenn ich meinen türkischen Diplomatenausweis, der auf den Namen Machmut Gyüven lautet, unbemerkt aus dem Schließfach holen kann, gibt es überhaupt keine Probleme. „Noch besser wäre es natürlich,“ so überlegt Peter laut, „wenn Akif das Geld mitbringen könnte, wobei hier das erhebliche Risiko einer Gepäckkontrolle am Flughafen besteht. Da ist sie wieder, meine Angst.
„Maus, ich habe dir doch erzählt, dass Akif und Pauliano geschäftlich in Verbindung stehen.“ Hat er mir wirklich davon erzählt? Ich kann mich nicht an ein solches Gespräch erinnern. Zur Not muss in solchen Fällen von Vergesslichkeit mein Schlaganfall als Erklärung herhalten. Außerdem, hat er mir nicht schon so viel erzählt? Da kann schon mal was untergehen.
„Pauliano weiß nichts von meiner engen freundschaftlichen Beziehung zu Akif und meinen Konten in der Türkei. Er versucht in der letzten Zeit in den Münchener Geschäftsbereich Akif ́s einzudringen, sodass gewisse Spannungen zwischen den beiden Herren bestehen. Du verstehst sicher, dass wir ganz vorsichtig agieren müssen.“
Für was zeige ich kein Verständnis. Wird nur im Entferntesten das Thema Mafia gestreift, mache ich dicht. Bei aller Freude auf unser neues zu Hause, sitzt mir bei dem Gedanken an diese gefährliche Organisation die Angst im Nacken. Es gelingt Peter durch scheinbar unbeabsichtigte Bemerkungen dieses Gefühl des Unbehagens zu schüren und wach zu halten.
Mit Familie Steinfurt verabreden wir uns zu einem gemeinsamen Abendessen. Schließlich muss auf das erfolgreiche Ergebnis angestoßen werden. Im Verlauf des Gesprächs erfahren wir, dass sie die Küche ausbauen und mitnehmen möchten. Sie kennen vor Ort einen sehr guten Schreiner, der bereit ist, uns alles neu anzufertigen. Peter greift das Thema sofort auf, weitet es aus auf neue Fenster, etliche Einbauschränke, mit einem Augenzwinkern zu mir, „evtl. ein neues Schlafzimmer.“ Am Stammhaus plant er ohnehin einige bauliche Veränderungen, die der Schreiner dann in einem Zuge mit erledigen kann.
Der Abend verläuft harmonisch. An Gesprächsstoff fehlt es verständlicher Weise nicht, wobei Peter wieder mal federführend ist. Ich bilde mir ein, seine ganze Vergangenheit zu kennen, jedoch überrascht er auch mich immer wieder mit neuen kleinen Anekdoten.
(Ich werde wohl nie erfahren, wo bei ihm das Lügen aufhört und die Wahrheit anfängt, ob es überhaupt einen Funken Wahrheit an seinen Erzählungen gibt?)
Am nächsten Morgen fahren wir zur Schreinerei Brause. Dort hat Herr Steinfurt unseren Besuch schon avisiert. Der Meister hat Zeit, begleitet uns, um an Ort und Stelle abzuklären, inwieweit unsere Wünsche zu verwirklichen sind. Er zeigt sich erstaunt von unseren Ideen und lässt sich von der Begeisterung anstecken. Wir ergänzen uns mit Vorschlägen, wobei er zum Ausdruck bringt, selten mit soviel Freude einen Auftrag angenommen zu haben. Auf meine Frage, ob nicht alles schriftlich besiegelt werden soll, meint Herr Brause, „bei uns genügt der Handschlag!“
(Seine Meinung soll sich sehr schnell ändern.)
Nun besuchen wir fast täglich Dekorations- und Einrichtungshäuser, lassen uns inspirieren und holen uns Anregungen. An eigenen Ideen mangelte es nicht. Warum soll ich misstrauisch sein?
Am 15. Mai kommt Peter vom Einkaufen zurück und berichtet, dass er bei der Sparkasse Achslach einen Termin hat, um sich über den bevorstehenden Geldtransfer und die weitere finanzielle Abwicklung beraten zu lassen. Wir planen einen Abstecher ins Münchener Auktionshaus. Hier hätten wir sofort zuschlagen können, wenn ja wenn der Geldtransfer erst mal über die Bühne wäre. Ein renommiertes Teppichhaus macht Totalausverkauf, natürlich finden wir ein paar edle Stücke. Aus verständlichen Gründen muss der Kauf auf die kommende Woche verlegt werden. „Dann,“ so Peter, „schwimmen wir im Geld.“
Für den Nachhauseweg wählt er nicht die bekannte Route. Auf meinen fragenden Blick sagt er verschmitzt lachend, „lass dich überraschen.“ Wenig später hält er an, fordert mich zum Aussteigen auf, holt aus dem Kofferraum eine Fl. Champagner und zwei Gläsern. Dann bedeutet er mir, auf einer nahe stehenden Bank Platz zu nehmen. Er öffnet die Flasche und weist meinen Blick in eine bestimmte Richtung. Was da in seiner ganzen Pracht und Schönheit in einiger Entfernung vor mir liegt, „unser Refugium“. Ich bin überwältigt und zu Tränen gerührt. „Lass uns auf unser Glück, unsere gemeinsame Zukunft im neuen zu Hause anstoßen Liebling.“ Eng umschlungen stehen wir, stumm, aus Angst den feierlichen Moment zu entweihen. Ich meine, die glücklichste Frau der Welt zu sein.
Das Pfingstfest steht vor der Tür. Gemeinsam mit unseren Vermietern bereiten wir eine gemütliche Kaffeetafel vor. Am Abend wollen wir grillen. Die Kinder sind ganz aus dem Häuschen.Gemeinsam besuchen wir den Gottesdienst. Im Hinblick auf unsere bevorstehende Nachbarschaft, unser Refugium liegt ganz in der Nähe, und weil ganz einfach die Chemie zwischen uns stimmt, hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt.
Am 21. Mai 2002, Dienstag Morgen nach Pfingsten, fährt Peter zum Bäcker, um frische Brötchen zu holen. Beim anschließenden Frühstück sagte er ganz nebenbei: „Maus, ich habe dir für heute Nachmittag einen Frisörtermin gemacht, es ist dir doch recht?“ An solche Überraschungen habe ich mich mittlerweile gewöhnt.
(Mit diesen Terminen verschafft er sich zeitliche Freiräume. Bei Terminabsprache klärt er ab, wie lange meine Sitzung im Nagelstudio, Kosmetiksalon oder wie heute beim Frisör dauert. Das gibt ihm die Möglichkeit, die Zeitspanne seiner