Dieses Mal wohnen wir im Hanse-Clipperhaus, einem anonymen Garni-Hotel. Hier wird unser Kommen und Gehen kaum registriert und da wir wie immer unter meinem Namen einchecken, besteht für Peter im Falle einer Fahndung, keine Gefahr. Er besteht darauf, dass wir sofort am nächsten Tag zu Niessing gehen, kann es kaum erwarten, mir die Ringe zu zeigen. „Sie sind etwas ganz besonderes, mein Hase, so wie unsere Liebe. Ich liebe dich mehr denn je und möchte, dass du endlich meine Frau wirst. Ich will dich nie mehr verlieren. Liegst du nachts nicht neben mir, kann ich nicht schlafen. Ohne dich könnte ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen.“
Und wirklich, wache ich nachts auf, so ist er oft über mich gebeugt, beobachtete mich im Schlaf. Mein Aufwachen am Morgen kann er kaum erwarten. Oft hält er mich stumm in den Armen. „Ich gebe dich nie wieder her.“ Es kommt vor, dass ihm dabei die Tränen laufen. Solche mir geltenden Gefühlsausbrüche kenne ich nicht. Bin ich nicht geradezu verpflichtet für diesen Mann alles zu tun? Na gut, anschauen kann ich mir die Ringe aber heiraten? Auch ohne Trauschein führen wir eine wunderschöne harmonische Beziehung. Es geht mir einfach alles zu schnell.
(Heute, nachdem ich nicht mehr träume, sondern mich einer bitter harten Wirklichkeit, geringem Sozialeinkommen, drückenden, von ihm verursachten Schulden stellen muss, frage ich mich, kann jemand so schauspielern? Dann hat er wirklich eine oscarreife Leistung hingelegt. Ein guter Freund sagte mir als ich an Selbstvorwürfen zu ersticken drohte: „Vergiss nicht, er hat das Betrügen zu seinem Beruf gemacht, und das perfekt. Mit Empathie, skrupelloser Gerissenheit war er dir immer nicht nur einen Schritt voraus, er kannte das Ziel und hatte es fest im Auge. Du dagegen tapptest ihm vertrauensvoll hinterher. Er hatte es so einfach. An deiner Seite brauchte er nur zu glänzen und musste sich nicht mal dabei anstrengen. Du bist eine gut aussehende Frau, mit sicherem Auftreten, weltgewandt. An dir, mit deiner offenen, herzlichen Art, den Menschen zugetan, kann man nicht vorbei schauen. Außerdem warst du vermögend. Du hattest alles, was solch ein Schmarotzer braucht. Jemand wie er, entwickelt dafür ein sicheres Gespür.“)
Einen guten Geschmack hat er, das muss man ihm lassen. Die Ringe sind von umwerfender Schönheit. Für mich hat er einen lupenreinen Halbkaräter mit unglaublichem Feuer, für sich einen schlichten, breiten Goldring gewählt.„Der Sonderpreis beläuft sich auf nur 15.000 €. Damit zeigt man uns ein nicht alltägliches Entgegenkommen. Müssen wir da nicht zugreifen?“ Da kann ich doch nicht nein sagen. „Hasenherz, du bist ja stumm, hat es dir die Sprache verschlagen oder gefallen dir die Ringe nicht? Ich habe für die Schönste und Beste den schönsten Ring ausgesucht und du freust dich nicht.“ Diese erschrockenen, enttäuschten Augen. Er hat sich so viel Mühe gegeben und nun soll ihm die Überraschung nicht gelingen. Das kann ich ihm nicht antun. Vor den Angestellten, sogar der Geschäftsführer ist extra wegen uns anwesend, nimmt er mich in die Arme, küsste mich und dann an die Umstehenden gewandt: „Habe ich nicht eine wundervolle Frau?“
(Kein Schutzengel steht hinter mir, der mich bei den Schultern nimmt und wach rüttelt. Meine innere Stimme, die versucht warnend in mein Bewusstsein vorzudringen, ignoriere ich. Keiner ist da, der mich rettete. Die Welle von der ich mich tragen lasse ist eine trügerische, die mich in die Tiefe zieht.)
„Komm mein Herz, jetzt gehen wir erst einmal lecker essen. Du musst dich nicht sofort entscheiden. Wir sind ja noch ein paar Tage hier und so lange hast du Bedenkzeit. Außerdem hat Pauliano seine Beziehungen spielen lassen, ich bekomme in den nächsten Tagen meinen Personalausweis zurück. Du weißt, den hat die Polizei bei meiner Entlassung aus der U-Haft einbehalten, um meine Rückkehr in die Türkei zu verhindern. Somit wäre das Problem auch bald vom Tisch und du musst auf die Rückzahlung der 15.000 € für unsere Eheringe und für das von dir so großzügig vorgestreckte Geld nicht mehr lange warten. Was glaubst du, wie sehr mich das bedrückt? Da liegt jede Menge Geld in der Schweiz, meine Konten in der Türkei wachsen und ich kann nicht darüber verfügen. Du willst doch auch nicht, dass ich zurück in den Knast muss? Es ist, solange ich meine Papier nicht habe, höchste Vorsicht geboten.“ „ Ach, das ist ja was ganz Neues, auch für die Ringe soll ich das Geld vor strecken?“ Nun bin ich richtig böse. „Nein, das geht wirklich zu weit. Du kannst dir ja dieses Mal das Geld von Pauliano leihen,“ sage ich heftig. Erschrocken, ganz entsetzt sieht er mich an. „Du weißt, das geht nicht. Er darf von unseren Heiratsplänen noch nichts erfahren. Er hat doch, was uns betrifft und mein Ausscheiden aus der Organisation, noch keine Entscheidung getroffen. Du liebst mich nicht mehr, sonst könntest du so etwas nie von mir verlangen. Du weißt genau, in welcher Gefahr ich schwebe. Ich will dir nur beweisen, wie ernst es mir mit uns ist.“ Er zeigt sich total zerknirscht und niedergeschlagen. „Wenn du mir so misstraust, werde ich eben das Wagnis auf mich nehmen und alleine in die Schweiz fahren. Ich hole mir den türk. Pass aus dem Schließfach, fliege weiter in die Türkei und werde alles erledigen.Wenn man mich an der Grenze allerdings ohne Papiere erwischt, darfst du nicht traurig sein und mir später Vorwürfe machen, Kleines. Du siehst, für dich tu ich eben alles.“
Er hat wieder zum Schlag ausgeholt und der sitzt. Im wahrsten Sinn des Wortes fühlte ich mich wie erschlagen. Wie kann ich ihm so misstrauen, ihn so verletzen? Wie kann ich nur so undankbar sein? Da ist der Mann der mich liebt, der Mann meines Lebens, der doch wirklich alles für mich tut und ich stoße ihn so vor den Kopf. Was habe ich mir nur dabei gedacht, wie kann ich das wieder gutmachen? Ich stammele einige unzusammenhängende Worte, von nicht so gemeint, von missverstanden. „Bitte nicht ohne Pass über die Grenze, alles, nur keine erneute Verhaftung. Ich will dich doch nicht in Gefahr bringen und dann wegen einer solch lächerlichen Summe. Bitte verzeih. Es sind nur dumme, nicht ernst gemeinte Gedanken. Morgen früh rufe ich Frau Fuchs bei der Sparkasse an, die kann mir das Geld nach hier überweisen. Eine Kleinigkeit. Du wirst sehen, in zwei Tagen haben wir unsere Ringe. „Ja,“ die Erleichterung ist ihm anzusehen „und lassen sofort unsere Namen eingravieren.“ Er erhebt sich von seinem Platz, kommt um den Tisch herum, das Essen ist eh unberührt und kalt, nimmt mich wie immer in solch einer Situation liebevoll in den Arm und küsst mich, trotz der neugierigen Blicke anderer Gäste. Was gehen mich die fremden Leute an und ob sie etwas von unseren Unstimmigkeiten mitbekommen haben. Mein Schatz ist nicht mehr böse, das ist die Hauptsache. Seine finstere Mine hellt sich auf, er ist guter Dinge.
(Alles läuft nach seinen Vorstellungen. Er hat sein Ziel erreicht. So soll es auch am nächsten Tag weiter gehen.)
Bei Niessing gratuliert man uns zu unserer Entscheidung und wünscht alles Glück der Welt, das ich meine, fest in meinen Händen zu halten. „Und morgen, mein Hasenherz, gehen wir ganz früh zum Fischmarkt, denn dort wartet eine weitere Überraschung auf dich.“ Beruhigt, glücklich und guter Dinge sehe ich dem nächsten Tag entgegen. Gutes Mädchen, braves Mädchen. Es ist so einfach, glücklich zu sein, den Mann, den man liebt, glücklich zu machen. Wenn es einer verdient, dann er.
Am nächsten Morgen, es ist bitter kalt, machen wir uns wie geplant auf den Weg zum Fischmarkt. Eng umschlungen schlendern wir von Stand zu Stand, trinken Tee mit Rum, der wohlig wärmt, essen allerlei Leckereien, sind guter Ding, es geht uns wirklich gut. In einer der Hallen gibt es Lifemusik, es herrscht ein fröhliches Treiben. Wir singen und tanzen ausgelassen mit. Nach einigen Gläsern Champagner bin ich nicht nur vom Alkohol berauscht. In einigen der roten Ziegelsteingebäude am Fischmarkt, die früher als Kornspeicher dienten, sind anspruchsvolle Geschäftsräume entstanden und beherbergen nun eine Vielzahl eleganter Ladenlokale. Peter nimmt mich bei der Hand und führt mich in eines der Gebäude. Mit dem Fahrstuhl gelangen wir in die oberste Etage. „Schau, was ich entdeckt habe.“ Wir stehen vor einem Goldschmiedeatelier und werden von der Inhaberin schon erwartet. Im Laufe des Gesprächs erfahre ich, dass Peter unseren Besuch angekündigt und darum gebeten hat, mir die schönsten Stücke der Schmuckkollektion vorzulegen. Beim Anblick dieser Kunstwerke bin ich überwältigt. „Bitte Liebling, such dir etwas aus, was dir ganz besonders gut gefällt. Schau mich nicht so an. Ich möchte dich für alles, was du bisher für mich getan hast belohnen, wieder gut machen kann ich es eh nicht. Egal auf was deine Wahl
fällt, es kann nie die Größe meiner Liebe zu dir ausdrücken.“ „Die ausgelassene Stimmung und diese edlen Stücke passen einfach nicht zusammen. Ich kann nicht so schnell umschalten“.
Er versteht mich sofort, er versteht