Sprachlos. Marlen Knauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marlen Knauf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737546249
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man in Ruhe treffen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“ Natürlich hat die Goldschmiedin Verständnis für meine Entscheidung und beteuert, uns jeder Zeit gerne zur Verfügung zu stehen. Für einen Moment blitzt in mir der Gedanke auf, warum gibt er mir nicht einfach mein Geld zurück und legt ein selbstgewähltes Dankeschön hinzu? Das wäre nach meinem Sinn. Außerdem hatten wir erst vor einigen Tagen unsere wunderschönen Ringe gekauft. Manchmal, zwar höchst selten, gab es halt doch keine Übereinstimmung. Wir verabschieden uns und schlendern weiter an den Auslagen vorbei.

      In einem Küchenstudio fällt uns eine extravagante Küche ins Auge. „Hase schau mal, das wäre was für unser neues zu Hause. Schade, dass wir die Pläne nicht dabeihaben und die Maße nicht wissen.“ Die Arbeitsfläche ist aus Granit. Das Rohmaterial kann man in einem Steinbruch in Lindlar aussuchen. Jede Gesteinsschicht besitzt eine andere Farbgebung. „Wenn wir zurück sind, fahren wir nach Lindlar, das liegt direkt vor den Türen Kölns,“ schlägt Peter vor. Wir vereinbaren mit der Verkäuferin einen Besichtigungstermin vor Ort. So haben wir die Möglichkeit, eine einzigartige Farbharmonie in unserer künftigen Küche herzustellen. Den Termin verlegt Peter in den März.

      (Es wird nie eine Besichtigung geben und das weiss er genau.)

      In Gedanken ist Peter längst weitergezogen und zwar auf die Insel Sylt. Dort befinden wir uns tatsächlich einige Tage später, wo er wieder einen der letzten Aufträge für Pauliano abzuwickeln hat. Der große Boss hat für uns in seiner unendlichen Großzügigkeit eine Suite in einem kuscheligen Strandhotel gebucht, natürlich auf meinen Namen, aus Sicherheitsgründen. Ich wäre viel lieber nach Hause gefahren. Außerdem wartet der Makler auf die Anzahlung. „Hasenherz versteh doch, ich bin noch nicht in der Position, mich Pauliano widersetzen zu können. Nicola hat mich davor gewarnt, ich soll mich noch für kurze Zeit gedulden.“ Die Unentschlossenheit des Paten nervt mich. Er muss doch endlich eine Entscheidung treffen. Egal wie sie ausfällt, sie bringt mir endlich Klarheit. Dann weiss ich, wie mein Leben weiter verlaufen wird.

      (Dabei habe ich schon längst die Verantwortung für mein Leben abgegeben, an einen Verbrecher.)

      Warum zögere ich nur? Ich fühle mich längst nicht mehr wohl in meiner Haut. Warum beende ich diesen Zustand der Ungewissheit nicht. Im Stillen gestehe ich mir die Angst ein, Peter zu verlieren, so lasse ich es zu, dass ich mich selbst verliere. Er hat eine für mich unbekannte Größe erschaffen, mit der er mich unter Druck setzen, mich in Angst und Panik versetzt kann. Die Mafia!

      Oft wache ich in den nächsten Nächten weinend auf. Von Albträume gequält bombardiere ich Peter mit Fragen, auf die ich nie eine befriedigende Antwort erhalte. Dieser Zustand gibt ihm die Möglichkeit, sich wieder von seiner zärtlichen, beschwichtigenden Seite zu zeigen. Das hat er raus, das beherrscht er perfekt.

      (Lug und Betrug, andere Ausnützen ist sein Lebensinhalt. Auf diesem Gebiet ist er eine Koryphäe.)

      In Hamburg haben wir uns wetterfeste Garderobe besorgt. Stiefel, Anorak, alles, um für jedes Inselwetter gewappnet zu sein. Am 27. Feb. verlassen wir die Stadt und begeben uns mit der Bahn nach Sylt. Jeden Morgen macht sich Peter für eine Stunde auf, um Paulianos Aufträge auszuführen. Tatsächlich erkundet er die Möglichkeiten, die ihm die Insel für seine Bedürfnisse bietet. Nach einigen Tagen bestehe ich auf Abreise. Der Wohnungskauf steht bevor. Auf mein Drängen ruft er endlich den Makler an. Kurz angebunden gibt dieser Peter zu verstehen, die Wohnung sei inzwischen verkauft. Peter tobt, schimpft wie ein Rohrspatz, droht mit seinem Anwalt. Nur schwer beruhigt er sich und zetert nach Beendigung des Telefonats weiter. Aufgeregt läuft er im Zimmer auf und ab.

      (Was für ein Schauspieler. Dabei ist er erleichtert, dass sich der Wohnungskauf erledigt hat. Er ist nicht in der Lage eine Tasse Kaffee zu bezahlen, geschweige eine Eigentumswohnung. Nichts, rein gar nichts besitzt er. Keinen festen Wohnsitz. Den Vater hatte er bestohlen, der ihn daraufhin vor die Tür setzte. Ohne Arbeitsstelle, ist er auch nicht auf der Suche nach einer, weil er befürchten muss, dass Dr. Marescou die Kollegen vor diesem Betrüger gewarnt hat. Mir spielt er den zutiefst Enttäuschten vor, schimpft auf Pauliano, der wieder unsere Pläne durchkreuzt hat.)

      Der Besuch im Steinbruch wird abgesagt. Für die Küche benötigen wir keine Arbeitsplatte mehr, schon gar keine aus Granit. „Engelchen, sei nicht traurig und schimpfe nicht mit mir, du wirst sehen, wir finden noch etwas viel Schöneres. Es soll eben nicht sein, dann ist diese Wohnung auch nicht die Richtige für uns.“

      Am 09. März hat mein Patenkind, das in der Nähe von Frankfurt wohnt, zum 30igsten Geburtstag eingeladen. Peter bucht für uns im Dorint-Hotel Drei-Eich, in dem er angeblich schon Seminare gehalten hat. „Was werden deine Verwandten Augen machen, wenn sie von unserer bevorstehenden Hochzeit hören und unsere wunderschönen Ringe sehen. Maus, dazu brauchst du unbedingt eine passende Uhr. Vor dem Besuch bei deinem Patenkind fahren wir in die Frankfurt City, dort werden wir bestimmt fündig.“ Meinen Protest wischt er mit einer Handbewegung weg, „du bist einfach zu bescheiden. Zur Feier sind wir pünktlich da, nun komm schon.“ Bei meinen Verwandten angekommen, es kennen ihn längst noch nicht alle,

      wird er kritisch beäugt. Meine Schwägerin zieht mich in einem unbeobachteten Moment in die Küche. „Er sieht ja toll aus und ist auch sympathisch, aber meinst du nicht, dass er ein wenig zu dick aufträgt? Ob das mal alles so stimmt mit Türkei usw.“ Sie hat ja recht, zweifle ich nicht selber manchmal an dem Wahrheitsgehalt seiner Erzählungen. Schon gesellt sich Peter zu uns. „Na ihr zwei, habt ihr Geheimnisse?“ „Wenn man sich so lange nicht gesehen hat“ antworte ich, „gibt es halt viel zu erzählen.“ Am späten Abend fahren wir ins Hotel zurück.

      Endlich, am 11. März sind wir wieder in Köln. Es ist so schön, zu Hause zu sein. Peter ruft bei Dr. Marescou an, ob Arbeit auf ihn wartet. Tatsächlich, so glaube ich, nimmt er seine Tätigkeit wieder auf.

      (Wie er immer wieder in den Besitz größere Geldbeträge kommt, entzieht sich meiner Kenntnis. Wahrscheinlich verdient er es durch Mitwirken an pornographischen Filmen. Irgendwann, viel viel später finde ich in seinen Unterlagen bestätigende Hinweise in diese Richtung.)

      Eines Abends erzählt mir Peter, dass seiner Agentur die Teilnehmerliste für das Seminar im Bayerischen Wald vorliegt. Nun ist es an ihm, vor Ort den Rest zu organisieren. In Frauenau bucht er in einem Hotel, das ihm nur aus meinen Erzählungen bekannt sein kann. Dort habe ich in der Vergangenheit mit meinen Kindern mehrfach Urlaub gemacht. Das ist doch nun endlich mal etwas, was nicht von Pauliano ausgeht und dieses Mal packe ich unsere Koffer mit gutem Gefühl. Vorher treffen wir uns noch mit einigen Leuten aus der Reisegruppe Bayerischen Wald, mit denen wir weiter losen Kontakt pflegen. Die Unterhaltung führt fast den ganzen Abend, wie kann es anders sein, Peter. Er erzählt langatmig von seinem bevorstehenden Seminar. Dass er eine neue Behandlungsmethode an einer Patientin demonstrieren soll. Insgesamt 27 Zahnärzte und Zahntechniker haben sich angemeldet, um sich in der neuen Technik unterweisen zu lassen. „Warum wohnt ihr nicht bei Hermann, sondern in Frauenau,“ will man wissen. Auch hier ist Peter um keine Antwort verlegen. „Wir wollen am Abend unsere Ruhe haben, ich muss mich hochkonzentriert vorbereiten. Ihr kennt doch Hermann, der würde kein Ende finden.“ Damit gibt man sich, ich auch, zufrieden.

      „Sagt mal ihr zwei,“ platzt einer mit der Frage heraus, „habt ihr etwa heimlich geheiratet“ und deutet auf unsere Ringe. „Noch nicht, kommt mir Peter zuvor, „sobald wir wieder zurück sind, wird das nachgeholt. Wir gehören zusammen, darum tragen wir jetzt schon unsere Ringe. Natürlich seid ihr alle herzlich eingeladen. Schriftliche Benachrichtigung kommt nach.“ Diese Neuigkeit muss begossen werden und so wird es noch ein feucht- fröhlicher Abend.

      Am 17. März 2002 machen wir uns auf den Weg nach Frauenau. Im Hotel werde ich als "Alter Gast" herzlich begrüßt und Peter, als mein zukünftiger Ehemann mit der gleichen Freundlichkeit aufgenommen, sodass er auf unbekanntem Terrain sofort wieder festen Boden unter den Füßen hat. An den ersten beiden Tagen spannen wir zunächst mal vom Ausspannen aus, machen Gebrauch vom Wellness- und Beautyangebot, unternehmen lange Spaziergänge, besuchen Glasbläserwerkstätten und lassen es uns gut gehen. „Hasenherz, könntest du dich mit dem Gedanken anfreunden, für immer hier in Bayern zu leben?“ Mit dieser Frage überraschte er mich eines Abends. „In Köln sollte es mit