„Das ist richtig. Ich fühle mich geehrt, dass Sie sich noch daran erinnern, und ich...“
„Und damals haben wir Sie meines Wissen auf eine vorbereitende Mission für unsere große Aufgabe entsendet, korrekt?“, fällt ihm Avner ins Wort.
„Richtig. Genau aus diesem Grund bin ich heute hier. Ich möchte mit Ihnen den Stand dieser Aufgabe, die für uns alle zentral ist, näher diskutieren“, entgegnet Sal selbstbewusst. Nicht, dass er Avners Auffassungsgabe und seinen scharfen Intellekt nicht schätzen würde, doch es kann auch gefährlich sein, ihm die Führung der Diskussion ganz zu überlassen. Die anderen Ältesten müssen langsamer auf den eigentlichen Punkt vorbereitet werden, beschließt Sal. Doch er hat die Rechnung heute ohne Avner gemacht.
„Grundsätzlich immer gerne, Salomon. Nur entnehme ich doch der Dringlichkeit Ihrer Anfrage und Ihrem persönlichen Vorsprechen hier, dass es sich vorwiegend um eine private Angelegenheit handelt. Oder liege ich da etwa falsch?“
„Sie täuschen sich nicht ganz. Dennoch hat die Sache auch eine weitaus größere Dimension, die uns alle betrifft.“
An diesem Punkt übernimmt Richard, wie üblich ein Fels der Diplomatie. Er wirft einen vielsagenden Blick zu Avner hin. „Warum nehmen wir nicht alle eine Tasse Tee, wo wir doch schon hier versammelt sind, und Sie, Salomon, erzählen uns in Ruhe, wie es zu der Thematik gekommen ist, die Ihnen am Herzen liegt. Mina? Würden Sie uns bitte den Tee hereinbringen? Danke.“
Mina, die gute Seele des Zentralforums, hat auf Richards Geheiß bereits einige Köstlichkeiten vorbereitet und stellt jedem nun eine Porzellantasse auf den Konferenztisch. „Sie bedienen sich“, meint sie und verlässt schnell den Raum, wobei sie die großen Flügeltüren hinter sich verschließt.
„Nun, Salomon, wie können wir Ihnen helfen?“, eröffnet Richard den Kern der Sitzung.
Sal atmet tief durch. Er rezitiert seinen sorgfältig einstudierten Text, der die Ältesten von Casta 3 zu der Aktivität seiner Wahl animieren soll. Die für einen Akademie-Absolventen typischen, präzisen Sätze strapazieren die Geduld der Sieben kaum. Am Ende von Sals Monolog wirken sie aufmerksam und engagiert. So wie ich es wollte, stellt er erleichtert fest, als er die Gesichter der Anwesenden studiert.
Älteste Sara ergreift zuerst das Wort. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Salomon, dann möchten Sie, dass wir Sie auf eine Rettungsmission entsenden, um Ihre Enkelin zu finden und sicher nach Hause zu bringen, ist das so richtig?“
„Ja, Sara, das ist richtig. Es ist zwar durchaus wichtig und geplant gewesen, dass Kisha an diesem Ort notlandet und zunächst auf sich allein gestellt sein wird. Schließlich ist dies der zentrale Punkt ihrer Rolle und dieses Tests, dem sie sich, und dem wir uns durch sie, unterziehen müssen. Aber aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass wir dabei so weit gehen, die überaus wichtige Kontaktaufnahme zum Gesandten X zu gefährden. Das ist meines Erachtens zu viel an Risiko für eine unerfahrene Astronautin auf ihrer Initiations-Mission, auch wenn sicher niemand vorhersehen konnte, dass die Kommunikationseinheit bei der Landung komplett ausfallen würde.“
„Ich fühle mit Ihnen, Salomon“, erwidert Sara sensibel, „es geht schließlich um Ihre Enkelin, und wir wollen alle nicht, dass ihr etwas Schlimmes geschieht. Sie haben mein größtmögliches Verständnis für Ihr Anliegen. Aber ich muss Sie dennoch fragen: Wäre eine Rettungsaktion zu diesem Zeitpunkt nicht etwas vorschnell? Schließlich hat sie noch für einige Tage Reserven, und Gesandter X ist nach Aussage von Professor Todd sehr zuversichtlich, sie noch rechtzeitig finden zu können.“
„Ihr Vertrauen in allen Ehren, verehrte Sara“, antwortet Sal etwas zu erregt als ihm lieb ist, „aber ich kenne X persönlich nicht, und der Planet ist doch einigermaßen groß, um von Kisha zu erwarten, dass sie den Kontakt im sprichwörtlichen Blindflug findet.“
„Wenn ich an dieser Stelle einhaken dürfte“, äußert sich Avner, noch bevor Richard die nötige Ruhe wiederherstellen konnte.
Der Vorsitzende nimmt seinen unausgesprochenen Kommentar zurück. „Sicher, Avner, bitte sprechen Sie.“
„So wie ich die Situation einschätze, könnten wir uns doch auf einen Kompromiss einigen. Kisha hat, wie Sie sagen, noch für sechs Tage Verpflegung? Warum geben wir ihr also nicht, sagen wir, noch weitere vier Tage auf ihrer Mission, und leiten erst dann - sofern X uns nach wie vor keinen Kontakt zu ihr bestätigen kann - die von Ihnen, Salomon, gewünschte Rettungsaktion ein. Auf diese Weise erlauben wir Kisha, sich der Aufgabe als würdig zu erweisen, um ihre Initiation abzuschließen, und uns, sehr geehrte Ältesten-Rätinnen und -Räte, den Raum, den zentralen Beweis erbracht zu bekommen, dass der Planet den Status hat, den wir hier vermuten. Was halten Sie von diesem Vorschlag?“
Sal begreift, dass es wenig nützen wird, Avners wie immer versierten Argumenten entgegenwirken zu wollen. Er erspürt bereits die Zustimmung der anderen Ratsmitglieder, was aus deren Perspektive und der Bedeutung der Mission heraus auch verständlich ist, und entschließt sich, es mit diesem Kompromiss vorerst gut sein zu lassen. „Ich danke Ihnen sehr, Avner, für den wie immer präzise durchdachten und sinnvollen Vorschlag, den ich sehr gerne annehme. Darf ich davon ausgehen, dass Sie, verehrte weitere Ratsmitglieder, den Vorschlag mittragen werden?“
Richard fasst mit treffsicherem Gespür zusammen. „Ich denke, ich spreche für alle hier, wenn ich zustimme und Ihnen, lieber Salomon, unsere besten Wünsche für das Gelingen der Mission ausspreche. Wir haben sehr viel Gutes über Ihre Enkelin von Professor Todd gehört und sind überzeugt davon, dass es ihr angesichts ihres außerordentlichen Talents gelingen wird, die Mission trotz der unerwarteten Probleme doch noch zum Erfolg zu führen.“ Dann setzt er etwas leiser hinterher: „Sie können sich weiterhin auf unserer Diskretion in Bezug auf Ihre familiären Beziehungen verlassen. Wir haben, wie von Ihnen gewünscht, die Akademie und Professor Todd darüber nicht in Kenntnis gesetzt.“
„Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihre Unterstützung. Ich weiß das sehr zu schätzen“, erwidert Sal.
„Schön“, beschließt Richard die Sitzung gutgelaunt, „dann sind wir hier fertig. Darf ich Sie, lieber Salomon, und die weiteren geschätzten Ratsmitglieder nun zu einem Glas Wein in mein Haus einladen? Es wäre mir eine Freude, Salomon, wir haben uns zu lange nicht gesehen.“
„Sehr gerne, ich freue mich“, erwidert Sal. Die innere Anspannung fällt endlich von ihm ab. Ein Teil-Sieg, immerhin, mehr konnte ich nicht erwarten. Jetzt muss ich es nur noch Eve beibringen.
Schicksal
Es ist gegen Mittag, als Yoav seine Augen vorsichtig zum Fenster aufklappt und aus seiner Bettposition die Lage außerhalb eruiert. Der gestrige Gig dauerte ungewöhnlich lange und hat ihm zusätzlich zu einer ungeplanten, dritten Session noch einen interessanten Kontakt beschert. Es ist am Ende der zweiten Session gewesen, als Quincy ihn zu sich herüber gerufen hat an die Bar, wo er sich schon eine Weile lang mit einem dieser Schlipsträger unterhalten hatte, der sich für Yoav unerwartet als Chef eines kleinen Jazz-Labels entpuppte.
Na prima, grunzt er verschlafen, während er den Fuß ungelenk aus dem Klappsofa heraus hievt, gerade jetzt, wo ich mich schon mit dem Schicksal einer Ameise abgefunden habe. Such is life. Erst der Alte und jetzt das noch. Es ist fast so, als wolle das Leben ihm einen Strich durch seinen schnöden, aber vernünftigen, da finanzierbaren Lebensplan machen und ihn auf das Ziel all seiner Sehnsüchte zurück werfen.
Verknittert stapft er durch den Gang zur Küche, nicht ohne ein paar Klamotten von Boyle zu streifen, der sich sicher nicht vor dem späten Nachmittag wieder außerhalb seiner Höhle rematerialisieren wird, um sich ein Stück kalte Pizza reinzuziehen. Mit romantischer Verklärung öffnet Yoav den Kühlschrank, als erwarte er tatsächlich etwas Trink- oder Essbares darin. „Muss wohl mal wieder