Der Casta-Zyklus: Initiation. Christina Maiia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Maiia
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844264579
Скачать книгу
und hoffen, dass ihr etwas Geniales einfällt. So weit, so gut.

      Die Sonne steht bereits hoch über dem Horizont, als Kisha ihren Kanister für den anstehenden Aufbruch bepackt. Neben dem Notrationen und dem vorhandenen Survival Pack landen noch einige Flaschen Flüssigkeit, Seil, Messer und Seife mit in der Ausbeute. Alte Astronauten-Regel: Im Notfall mitnehmen, was man gerade noch transportieren kann. Dann, als ihre Hand schon auf dem Türgriff liegt, blickt sie noch einmal zurück. Unter dem Licht der Morgensonne lächelt die Hütte sie so vertraut an als sei sie ihr Geliebter nach der ersten gemeinsamen Nacht. Kisha wird seltsam zumute. Vielleicht ist es verrückt, aber dieser baufällige Kasten war, wenn auch nur für ein paar Stunden, ihr erstes eigenes Refugium, was sich immerhin so gut angefühlt hat, dass es vielleicht Zeit wird, auch auf Casta 3 einen eigenen Weg einzuschlagen. Ein neuer Abschnitt liegt in der Luft, leicht wie ein Versprechen.

      Das Meer ist ruhig und glitzert unter einer noch nicht ganz im Zenit stehenden Sonne. Der unberührte Strand breitet sich kilometerweit aus, ohne dass auch nur eine einzige Seele darauf zu erkennen wäre. Der Wind streicht lau durch Kishas Haare hindurch. Sie schließt die Vordertür hinter sich ab und steckt nach ein wenig Nachdenken den Schlüssel in ihre Hosentasche ein. Dann dreht sie hinter der Hütte den Hahn für den Wasserzugang ab und steuert quer über den Strand auf das Ufer zu. Die viel zu weiten Hosen flattern an ihr wie Segel im Wind. Es wird ein schöner Tag, ermutigt sie sich, ein fantastischer und verdammt nochmal endlich erfolgreicher Tag.

      Beobachtung

      Das Licht ist gedimmt unter der weiten, transparenten Kuppel des Observatoriums. Von den wenigen, besetzten Tischen aus können die Gäste einen unbegrenzten Rundum-Blick auf den mit Trillionen Sternen besetzten Nachthimmel genießen. Die hektische 19-Uhr-Schicht ist mittlerweile abgefertigt und eine nahezu magische Ruhe legt sich jetzt auf den Abend im Speiseraum der Luna 5-Station.

      Es ist die richtige Zeit für das Ausklingenlassen eines arbeitsreichen Tages, für etwas Besinnung auf das Wunderbare, das da draußen, nur einen Hauch entfernt, existiert, für ein intimes Dinner zu zweit, oder für ein intensives Gespräch mit einem guten Freund, sagt sich Professor Todd, als er mit einem freundlichen Lächeln ein paar anwesende Kollegen an den benachbarten Tischen begrüßt. Dann zieht er sich in die Stille einer der kleinen Lounges zurück. Notiz an mich selbst: Unbedingt mit Teresa hierherkommen, am besten an unserem Jahrestag, gibt er in seine innere To Do Liste ein.

      Schon von weitem sieht er, wie Sal den Saal durchkämmt. Sein Freund ist schon immer eine imposante Erscheinung gewesen, ein Hüne, der selbst an den spektakulärsten Orten auffällt, und so drehen sich auch heute ein paar Köpfe um, ob nun aus Gründen des Erkennens oder seiner intensiven Präsenz.

      „Guten Abend, mein Freund. Schön, dass Sie es schaffen konnten“, begrüßt Todd Salomon mit einem warmen Händedruck und einer kurzen Umarmung.

      „Die Freude ist ganz meinerseits“, erwidert Sal. Er lässt sich erschöpft in den tiefen Lounge-Sessel fallen. „Ihre Einladung hat mich sprichwörtlich gerettet. Ich werde noch ganz verrückt bei dieser untätigen Warterei.“

      „Was darf ich Ihnen bestellen?“, fragt Todd und macht sich innerlich eine weitere Notiz, auf die er noch später zurückkommen wird. „Es gibt hier ganz ausgezeichnete Snacks und natürlich eine exzellente Weinkarte.“

      „Ich nehme, was Sie haben. Ein paar Snacks wären gut, ich habe nämlich seit heute Morgen nichts mehr in den Magen bekommen.“

      Todd signalisiert seine Bestellung wortlos zu einem der Studenten höheren Semesters, die heute als Servicekräfte eingeteilt sind. Seine Order wird mit einem freundlichen Kopfnicken quittiert.

      „Wie geht es Ihnen heute, mein Freund? Sie sehen etwas gedrückt aus, wenn ich das sagen darf“, eröffnet Todd das Gespräch mit ehrlicher Anteilnahme.

      Salomon atmet ein paar Mal tief durch, um den inneren Druck abzulassen. „Sie haben ganz recht. Es war ein anstrengender Tag, um ganz offen zu sein, und ich bin heilfroh, dass Sie mir eine so schöne Gelegenheit zur Abwechslung bieten. Danke sehr“, sagt Sal im doppelten Sinn, als der Student sein Getränk auf dem kleinen Lounge-Tisch abstellt.

      Todd wartet einen Augenblick ab, bis sie wieder unter sich sind. Dann fährt er mit seinem inneren Faden fort: „Sehen Sie, das habe ich gespürt. Ich freue mich, wenn ich Sie ein wenig aufmuntern kann. Möchten Sie mir von Ihrem Tag erzählen? Wie sind Sie inzwischen weitergekommen?“

      „Ach, das ganze Herumsitzen, auch noch drei weitere Tage lang, macht mich noch ganz mürbe. Mir sind die Hände gebunden, Todd, und das ist mir ein Gräuel. Sie kennen mich, ich bin ein Mann der Tat, ein Macher, ein Aktivist und kein solcher Stubenhocker und Büro-Diplomat. Ich hoffe, Sie verstehen das bitte nicht falsch, lieber Freund, ich meine das explizit nicht in Bezug auf die Elite der Akademie“, fügt Sal schnell hinzu, als er über seine ungefilterten Worte nachdenkt.

      „Keine Sorge, ich verstehe Sie nur zu gut. Aber Sie müssen ein wenig Geduld haben. Ich habe heute übrigens mit X gesprochen und er ist wirklich sehr, sehr zuversichtlich. Vertrauen Sie doch ein wenig auf die guten Kräfte, die hier am Werk sind. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, für Kisha.“

      „Ich weiß, ich weiß. Und doch juckt es mich wie ein Bär auf einem Ameisenhaufen. Ich halte es einfach nicht aus, Todd. Außerdem habe ich kein gutes Gefühl, was diesen Avner betrifft“, fügt er etwas leiser hinzu. Er schaut sich kurz um.

      „Den lassen Sie mal ganz meine Sorge sein“, meint Todd. „Ich bin in dieser Sache schon auf der Hut. Aber ich halte es auch für wichtig, dass ich Sie für den Moment in dieser Hinsicht außen vor lasse. Wenigstens einer von uns sollte eine weiße Weste vor dem Rat behalten, Sal. Sie sind der Macher und ich der Strippenzieher im Hintergrund. Konzentrieren wir uns doch auf unsere Stärken, wenn wir Erfolg haben wollen. Und das wollen wir doch, nicht wahr?“ Todds Gesicht nimmt einen provokativen Ausdruck an, so wie es einem wirklich guten Freund, und nur einem solchen, zusteht.

      Sein Gegenüber registriert es mit einem selbstironischen Kommentar. „Sie haben ja recht. Ich bin momentan gerade einmal wieder Sklave meiner rastlosen Ungeduld, und ich weiß, dass in der Regel nichts Gutes daraus entsteht. Ich verstehe ja auch nicht genau, was momentan mit mir los ist. Ich bin so aufgewühlt und unruhig wie ein junger Akademie-Frischling vor der ersten Mission.“

      „Vor dem ersten Ball, das kommt der Wahrheit eventuell ein Stückchen näher. Darf ich Ihnen etwas sagen, Sal? Verzeihen Sie mir bitte, falls ich Ihnen zu nahe treten sollte, aber ich möchte Ihnen wirklich gerne weiterhelfen.“

      „Sie sind ein besserer Freund als ich es nach meiner langen Sendepause verdiene. Also bitte, legen Sie ruhig los“, erwidert Sal.

      Todd lehnt sich nach vorne und stützt seine Ellenbogen auf den Lehnen ab. Seine Hände falten sich fast automatisch zusammen. „Mein lieber Freund, meine ganz persönliche Meinung ist es ja, dass es das Wiedersehen mit Eve ist, und nicht etwa Kishas Mission, das Sie so aus Ihrem Gleichgewicht bringt. Ich spüre bei Ihnen einen starken Widerspruch, was Eve betrifft, etwas, das sich aus meiner Sicht nicht alleine aus ihren alten Gefühlen füreinander erklären lässt. Ich möchte sicher nicht in Ihre Geheimnisse eindringen, aber da ist etwas an dieser ganzen Geschichte, das Sie mir bislang nicht erzählt haben, das Sie aber ganz offensichtlich belastet. Ich respektiere Sie und Sie sollen wissen, dass es an meiner Freundschaft zu Ihnen nichts ändern wird, wenn Sie nicht darüber sprechen wollen. Aber falls doch, dann seien Sie sich bitte gewiss, dass ich keiner anderen Seele gegenüber je etwas davon erwähnen werde.“ Todd schaut fragend zu Sal hinüber, der seinen Worten mit sichtbarer Rührung gefolgt ist. Noch nie hat Todd ihn so aufgewühlt gesehen.

      „Ich möchte es Ihnen ja anvertrauen“, erwidert Sal mit ungewohnter Brüchigkeit in seiner Stimme, „und ich brauche Sie als Freund, das haben Sie zum Glück genau gespürt. Aber wo soll ich denn nur anfangen?“, fragt er verwirrt und zuckt ratlos mit seinen Schultern.

      „Warum nicht einfach ganz am Anfang?“, meint Todd verständnisvoll, „ich habe alle Zeit der Welt.“

      Sal lächelt dankbar und beginnt zögerlich,