Der Casta-Zyklus: Initiation. Christina Maiia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christina Maiia
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844264579
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die finale Tür zum großen Hangar sich öffnet und den Blick auf eine riesige, hell erleuchtete Halle freigibt. Das gleißende Licht, das aus Millionen von Energiequellen stammt, brennt zunächst in seinen Augen, doch wie immer gewöhnt er sich schnell daran und betritt diesen Ort hektischer, rund um die Uhr ununterbrochener Aktivität mit der ihm üblichen Faszination. Fast so wie früher, denkt er sich und fühlt sich auf eine Weise zuhause, die nur er selbst begreifen kann.

      „Hallo Avner“, schallt es ihm respektvoll entgegen, als er zu dem Koordinator des Ingenieurteams aufschließt, welcher gerade von einer Montage-Gruppe zu der nächsten den Hangar durchkämmt.

      „Guten Abend, Chris, wo stehen wir?“, will Avner ohne Umschweife wissen.

      „Alles soweit in Ordnung, wir kommen gut voran. Die neu strukturierten Teams sind sehr engagiert bei der Sache.“

      „Das freut mich sehr zu hören. Haben Sie einen Moment Zeit für mich, Chris? Ich würde Sie gerne unter vier Augen in meinem Büro sprechen“, meint Avner in höflichstem Ton, der jedoch keinen Widerspruch duldet.

      „Ich komme gleich zu Ihnen, Avner. Ich muss nur noch schnell ein paar dringende Ergebnisse des letzten Tests an die Teams weitergeben. Zwei Minuten“, bestätigt Chris. Auf sein Verständnis für Prioritäten ist immer Verlass.

      Ein guter Mann, denkt sich Avner zum wiederholten Mal, korrekt, präzise, engagiert, professionell. Und sehr loyal, fügt er mit innerer Befriedigung hinzu. Er öffnet die ausschließlich auf ihn codierte Tür seines Büros und nimmt auf seinem spartanischen Lieblingsstuhl Platz. Mit einer Drehung um seine Achse blickt er durch die nur einseitig transparente Bürofront hinaus in den Hangar. Es ist schon erstaunlich, was wir in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben, reflektiert er mit reichlich Stolz, der Rat kann äußerst zufrieden sein. Wenn wir jetzt noch die Lösung für dieses eine, hartnäckige Problem finden, dann bin auch ich zufrieden.

      In diesem Moment klopft Chris bereits an die Tür. Avner öffnet ihm mit einem konzentrierten Gedanken. „Nehmen Sie doch Platz, Chris. Ein Glas Wasser oder einen Tee für Sie? Bedienen Sie sich doch, bitte.“

      „Nein, danke. Was kann ich für Sie tun, Avner? Mein Bericht dürfte sich bereits auf Ihrem Display befinden, ich habe ihn pünktlich heute Morgen gesendet“, beginnt Chris dienstbeflissen das Gespräch. Er lässt sich etwas steif in den zweiten Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches sinken.

      „Nein, vielen Dank, ich habe ihn bereits gelesen und er ist wie immer sehr präzise und sehr zufriedenstellend. Ich möchte heute gerne ein anderes Thema mit Ihnen besprechen. Wie geht es mit meinem speziellen Auftrag voran, Sie wissen schon?“

      „Natürlich. Nun, wir haben das physikalische Problem mit der Energiebarriere leider immer noch nicht knacken können. Es gibt zwar einige Testergebnisse, die durchaus vielversprechend sind, aber in größerem Rahmen angewandt, stellen sie uns noch immer vor unüberwindbare Hürden. Ich gebe es nur sehr ungern zu, Avner, denn ich möchte Sie wirklich nicht enttäuschen, aber ich habe ernsthafte Zweifel, ob wir dieses doch sehr elementare Problem gelöst bekommen, zumal in dieser kurzen Zeit, die uns noch bleibt“, führt Chris aus.

      Avner hat einige Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Er räuspert sich hinter seiner geballten Faust, fasst sich aber umgehend wieder. Dann schlägt er einen Ton an, der für ihn einer Schmeichelei am nächsten kommt: „Ich verstehe, Chris. Ich weiß, Sie tun Ihr Bestes und ich zähle auf Sie. Es hängt wirklich sehr viel von dem Gelingen dieses Auftrags ab, müssen Sie wissen, für mich persönlich, wie auch für Casta 3. Und falls es Ihnen doch noch gelingen sollte, dann können Sie und Ihre gesamte Familie sich meiner dauerhaften Dankbarkeit und Unterstützung sicher sein. Es gibt doch bestimmt unter Ihnen noch mehr solch talentierte und fähige Köpfe wie Sie, die sich in herausfordernden Projekten beweisen möchten, nicht wahr?“

      „Das ist sehr freundlich von Ihnen“, freut sich Chris über das Lob. Dann wird er ernst. „Ich verspreche Ihnen, ich werde mich weiterhin mit vollen Kräften in diese Aufgabe hinein knien. Sie sollten nur wissen, dass sie nur sehr schwierig und eventuell sogar unmöglich zu lösen sein wird.“

      Avner lächelt. „Aber sicher doch, Chris, keiner erwartet von Ihnen das Unmögliche. Ich möchte Sie lediglich dazu ermutigen, Ihr wahres Potenzial zum Nutzen unserer Sache zu entfalten.“

      „Das werde ich, ganz sicher. Wären wir dann soweit durch? Nicht, dass ich Sie unterbrechen möchte, Avner, aber ich muss dringend die Teams der nächsten Schicht anweisen, damit wir nicht in Verzug kommen.“

      Wie immer eifrig und pflichtbewusst, denkt sich der Älteste zufrieden, eine gute Wahl, die ich da getroffen habe. „Aber natürlich, Chris, bitte gehen Sie Ihren Aufgaben nach und lassen Sie sich durch mich nicht stören. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihre ehrliche Einschätzung.“

      Als sich die Schwebetür hinter Chris geschlossen hat, gibt Avner sich ungebremst seinen Gedanken hin. Seine Mundwinkel sacken automatisch nach unten und seine Augen entledigen sich des vagen Eindrucks von Freundlichkeit. Verdammt, warum gibt es nur so viel Widerstand in diesem Projekt! Erst die Sache mit Kisha Moon, statt wie geplant Kevin zu entsenden, den ich schon genauestens instruiert habe. Alles nur wegen Professor Todd, diesem hirnrissigen, sentimentalen Idioten. Und dann auch noch diese vermaledeite, physikalische Barriere! Wie kann ich das jetzt noch hinbiegen? Die Zeit wird langsam knapp und mein Kontaktmann wartet dringend auf mein Signal, sagt er sich angespannt. Hoffentlich löst sich wenigstens die Moon-Sache in Wohlgefallen auf.

      Sein Stuhl dreht sich 180 Grad vom Hangar weg und die Sicht durch die Frontverglasung verschwindet. In Avners Büro wird es dunkel.

      Das Versteck

      Die Strahlen einer frühen Sonne fallen durch das kleine, quadratische Holzfenster hindurch. Ihr Kegel bewegt sich gemächlich durch den dunklen Raum, hebt die Schwere der Schatten von ihm auf und fällt schließlich auf einen Bettpfosten, hinter dem ein Fuß unter einer groben Decke hervor lugt. Sekunden später erlöst ein gähnender Ton die Atmosphäre von ihrer Stille. Zwei Arme und ein dunkler Haarschopf werden sichtbar. „Schon lange nicht mehr so gut geschlafen“, hallt Kishas Stimme entspannt durch den Raum, „das war der genialste Einfall, den du je gehabt hast, Kisha Moon.“

      Ihre Kopfschmerzen und das Summen haben sich dankenswerter Weise inzwischen auf ein Minimum verflüchtigt. Den gestrigen Tag hat sie mit Essen, Meditieren und Schlafen verbracht, in wiederholender, kaum variierender Reihenfolge, und schließlich ist es ihr sogar gelungen, den Wasserzulauf zu aktivieren, um sich von dem Dreck der Wüste zu befreien, der sich in jedem Winkel ihres Körpers eingenistet hatte. Auch die braune Brühe aus dem Kanister erwies sich als geschmacklich einigermaßen akzeptabel. Die Dosen fielen dagegen eher unter die Marke gewöhnungsbedürftig. Das Merkwürdigste ist ihr aber während einer ihrer Meditationen widerfahren: Einen Moment lang kam es ihr so vor, als hätte sie eine seltsame, tiefe Stimme vernommen, eine Stimme, die ihr gleichzeitig vertraut und dann wieder sehr fremd und sphärisch vorgekommen ist.

      Ihre gute Laune hat jedoch beschlossen, heute auf Hoffnung zu setzen, gleichgültig auf welchem Kanal sie sich auch offenbaren mag. Es ist Zeit. Sie fühlt sich aufgeladen, bereit ihre Mission anzutreten und der unwirtlichen Welt da draußen ein für alle Mal den Kampf anzusagen. Mit anderen Worten: Sie fühlt sich endlich wieder wie Kisha Moon. Punkt 1 des Schlachtplans also: Anpassung und Aufbruch.

      Gestern ist ihr etwas entgegengefallen, das man wohl hierzulande als Kleidung bezeichnen mag. Der Junge von dem Foto hat offenbar ein Art Versteck unter dem Dach angelegt, das sie beim Klettern in der Abstellkammer über dem Regal entdeckt hat. Auf einem flachen Boden lagen ein paar Sachen verstreut, darunter eine weite Hose mit einer Schnur am Bund, ein einfaches Shirt mit halbem Arm, ein rotes, weiches Oberteil mit einer Kapuze daran, sowie ausgetretene Schuhe in knalligem Grün. Natürlich ist alles viel zu groß. Nonna würde sich wegwerfen vor Lachen, so viel steht für Kisha fest, doch zum Glück wird keine lebende Seele von Casta 3 sie je damit sehen können. Auch die Problematik, wo sie den verräterischen Raumanzug und die Schutzstiefel verstecken soll, ist damit vorerst gelöst. Dort oben dürfte ihre Ausrüstung für den Moment sicher sein, und selbst gesetzt