„Helfen Sie mir!“, keuchte der Mann und ich fuhr herum.
„Verschwinden Sie hier!“ fauchte ich die Beamtin an.
„Ich…äh…wir haben Krach gehört und ich …“, stotterte die Polizistin.
„Was!!“ herrschte ich sie an. „Verschwinden Sie.“
„Sie wissen, dass das gegen die Vorschrift ist?“, versuchte ihm die Polizistin Paroli zu bieten. Ich drehte mich zu ihr um und ging langsam auf sie zu.
„Macht es Ihnen Spaß, mich bei meiner Arbeit zu behindern? Wenn es Ihnen nämlich Spaß macht, dann können Sie sich bereits als Klofrau im Prater bewerben.“ Meine Stimme war leise, fast flüsternd, aber schneidend und bedrohlich.
„Und Ihre Vorschriften liegen dort, wo sie hingehören. In der Schublade im Schreibtisch. Wenn Sie auf Kriminelle treffen, dann gebe ich Ihnen den Tipp, vergessen Sie die Vorschriften und machen Sie ihre Arbeit. Und jetzt suchen Sie sich eine Aufgabe, die uns hilft, diese Mistkerle festzunageln und lassen Sie mich in Ruhe. Wenn ich mit dem Gespräch mit Herrn Schweiger fertig bin, möchte ich Sie auf meinem Tatort nicht mehr sehen. Ist das klar?“ Dann bugsierte ich die Beamtin auf den Flur und schloss die Türe wieder.
Während ich mich wieder zu Schweiger umdrehte, der immer noch jammernd in der Badewanne steckte, versuchte ich die nervige Kollegin aus meinen Gedanken zu verdrängen und mich wieder auf mein Ziel zu konzentrieren. Ich war mir sicher, dass ich wegen dieses Zwischenfalls wieder bei diesem Schreibtisch-Napoleon von der Internen Abteilung antreten musste. Seit der die Leitung der Abteilung übernommen und damit die Chance bekommen hatte, den ganzen Tag hinter dem Schreibtisch zu hocken, hatte er das auch getan. Der Major kannte natürlich alle Vorschriften auswendig und zitierte mit Freude die einzelnen Paragraphen, gegen die ich bei meinen Ermittlungen verstoßen hatte. Meistens handelte es sich dabei um die Art und Weise, wie ich meine Informationen erhielt. Natürlich war es entscheidend, ob die Beweise und Aussagen vor Gericht halten würden, doch ich hatte ein sehr feines Gespür für den notwendigen Grad an Überzeugungskraft. Legalität war für mich extrem wichtig, sonst wäre ich nicht Polizist geworden. Aber für mich war es entscheidend, Kriminelle aus dem Verkehr zu ziehen. Und wenn dafür die Vorschriften und Gesetze nicht ausreichten, dann erweiterte ich spontan meinen Spielraum. Ein schlechtes Gewissen hatte ich deswegen nicht. Auch nicht, wenn eine Befragung einmal rauer wurde. Kriminelle hielten sich auch nicht an Vorschriften und Gesetze. In erster Linie war mir das Ergebnis wichtig und erst in zweiter Linie der Weg bis dahin. Zwischen dem Major und mir herrschten klare Verhältnisse. Der Major konnte mich nicht leiden und umgekehrt war es genauso. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden bestand darin, dass ich mit dieser Situation kein Problem hatte. Im Gegensatz dazu hatte es sich der Major zur Aufgabe gemacht, mich so rasch als möglich loszuwerden. Und wenn ich dabei noch in den tiefsten Keller verschwinden würde, dann wäre das aus seiner Sicht das Beste. Doch die Erfolge gaben bisher immer mir Recht. Und die Rüffel, die ich mir wegen meiner Ermittlungsmethoden einfing, betrachtete ich als Teil meiner Arbeit.
Ich drehte mich wieder zu Schweiger um. Der ruderte wild mit den Armen in der Badewanne und versuchte hinter meinem Rücken wieder auf die Beine zu kommen.
„Lassen Sie das, Schweiger. Und machen Sie den Mund auf. Was sind das für Leute? Was wollen die hier? Und warum sind keine Mädchen dabei?“
„Chef, ich weiß es wirklich nicht. Das sind keine normalen Jungs. Das sehe ich auch. Aber ich weiß wirklich nicht, was die wollen!“ Er machte eine kurze Pause.
„Mir wird das Ganze zu heiß. Können Sie mich nicht mitnehmen. In Schutzhaft oder sowas. Mann, Sie müssen mich schützen!“
Schweiger hatte seine Taktik geändert, aber ich fiel auf den Trick nicht herein.
„Ich hab Angst vor diesen Typen. Die machen keine Gefangenen. Wenn die mitkriegen, dass die Polizei da war, dann bin ich Geschichte. Ich flehe Sie an. Nehmen Sie mich mit, bitte!“
Wenn er nicht so ein hässliches, stinkendes Schwein wäre, hätte er einem fast leidtun können.
„Ich werde Sie mitnehmen, Schweiger. Aber freuen Sie sich nicht zu früh. Wir beide sind noch nicht fertig. Sie werden sich noch an Dinge erinnern, von denen Sie gar nicht wussten, dass sie sie jemals vergessen haben. Das verspreche ich Ihnen. Und Gnade Ihnen Gott, wenn ich dahinter komme, dass Sie mich belogen haben!“
Ich öffnete die Badezimmertür und trat auf den Flur hinaus. Ich blieb einen Augenblick stehen und zog dann langsam meinen Mantel aus.
„Jetzt legt er erst richtig los“, raunte der ältere Polizist seinem jüngeren Kollegen ins Ohr. In seiner Stimme schwang ein Unterton irgendwo zwischen Achtung und Sorge mit.
„Ich hab den Chefinspektor einmal beobachtet, wie er einen knallharten Burschen, der mit uns nur gespielt hat, innerhalb von fünfzehn Minuten zum Singen gebracht hat. Ein Gespräch unter Männern, verstehst Du?“ Der junge Kollege nickte und wäre beinahe in Versuchung gekommen, mich zu seinem Vorbild zu machen.
„Allerdings konnte Korelev das Geständnis nicht verwenden, weil ihn der Typ beim Staatsanwalt angezeigt hat. Tja, übertreiben darf man’s natürlich nicht. Da hat er dann zum Rapport müssen und hat einen gewaltigen Anschiss bekommen.“
Sein jüngerer Kollege verwarf die Idee mit dem Vorbild wieder.
„Und hat er den Typen dann doch festnageln können?“
„Ja. Er hat einen Mann in die Zelle eingeschleust und dem hat der Trottel alles brühwarm erzählt.“ Nun war ich doch noch zum Vorbild geworden.
„Kommen Sie her!“ rief ich dem Erzähler zu. Der Beamte setzte sich sofort in Bewegung.
„Bringen Sie Herrn Schweiger zur Dienststelle und lassen Sie ihn wegen Menschenhandels in eine Zelle stecken. Um den Papierkram kümmern Sie sich auch.“ Mit dieser Anweisung ließ ich den Kollegen alleine und ging wieder zu dem Zimmer, in dem die unbekannten Männer warteten.
„Wir fangen nochmals von vorne an.“ Diesmal sprach ich russisch. Ich sprach laut und sah mir die Männer genau an.
„Ich werde Sie jetzt nochmals fragen, wer Sie sind und woher sie kommen. Ich werde Sie einzeln fragen. Derjenige von Ihnen, der mir als erster brauchbare Informationen gibt, darf vielleicht in Österreich bleiben. Den anderen lasse ich noch heute zur Grenze bringen.“ Ich machte eine kurze Pause und las in den Gesichtern, wer am deutlichsten reagierte. Mittlerweile war ich sicher, dass mich die Männer verstanden. Beide versuchten betont uninteressiert zu wirken. Der ruhige, ausgezehrte Mann blickte mich die ganze Zeit mit müden Augen an, während der andere abwechselnd lässig auf mich und den anderen Mann blickte.
„Wer von Ihnen möchte beginnen?“ Ich setzte mein Spiel fort. Noch bevor einer der Männer reagieren konnte, sprach ich weiter.
„Ok, wenn Sie wollen, fangen wir also mit Ihnen an.“ Er trat wieder auf den kleineren Mann zu, der mittlerweile wieder am Boden saß. Ich tat, als hätte er sich gemeldet und bekam die erwartete Reaktion des anderen Kerls. Der blickte wütend auf den hageren Kerl, der erschrocken zur Seite rutschte. Damit hatte ich den ersten Stachel in das Fleisch getrieben. Wenn sich die beiden nicht mehr sicher sein konnten, dass der andere schwieg, war sicher bald eine Information zu bekommen.
„Berger, Sie und Ihr Kollege haben weiterhin ein Auge auf den anderen. Sie melden mir umgehend alle Auffälligkeiten, ist das klar?“ Ich blickte den älteren Beamten prüfend