Der Zarewitsch. Martin Woletz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Woletz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742791696
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kräftig gebaut und ein Kämpfer. Er sah mehr aus, wie ein Soldat und würde sicherlich nicht leicht zu knacken sein. Zumindest nicht mit bloßen Fragen.

      „Novotny, kommen Sie her!“ Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, stand der Beamte neben ihm.

      „Ja, Chefinspektor?“

      „Novotny, nehmen Sie Boris und fahren Sie mit ihm ins Präsidium. Stecken Sie ihn in die gleiche Zelle wie Schweiger und achten Sie darauf, was die beiden tun. Vielleicht ist das noch wichtig.“

      „Und soll ich Ihnen das dann sagen oder einen Bericht schreiben?“

      „Novotny, wissen Sie, was einen guten Polizisten ausmacht?“

      „Nein?“ antwortete der Beamte fragend, als wüsste nur ich die korrekte Antwort.

      „Das sehe ich auch so. Fahren Sie jetzt endlich los. Berger!“

      „Ja, Herr Chefinspektor?“

      „Sie bleiben noch einen Moment hier bei unserem erregten Freund.“

      „Und was soll ich tun, wenn er ausrastet?“

      „Berger, was sind Sie? Polizist oder Hausmeister? Bringen Sie ihn dazu, dass er sich benimmt. Ist das machbar für Sie?“

      Berger tippte wieder an die Mütze.

      „Natürlich, Herr Chefinspektor. Ich wollte nur sicher gehen.“

      Ich ging nochmals durch die Wohnung und suchte das Telefon, von dem aus der Anruf gekommen sein musste. Doch wie Schweiger gesagt hatte, war im ganzen Haus kein Handy zu finden. Entweder es war wirklich gut versteckt worden, oder der Anruf musste von außerhalb gekommen sein. Das würde allerdings dann bedeuten, dass das Ganze hier inszeniert und fast so etwas wie eine Falle war. Vielleicht dauerte die Aufklärung des Falles doch etwas länger. Mitten in meine Überlegungen hörte ich Lärm aus dem anderen Zimmer. Der Russe schien Ärger zu machen.

      „Berger, sorgen Sie für Ruhe!“ rief ich über meine Schulter hinweg. Der Gruppeninspektor, der offensichtlich jedes Handgemenge vermeiden wollte, hob beschwichtigend die Arme und deutete dem Mann ruhig zu sein. Doch diese Versuche scheiterten kläglich.

      „Berger, machen Sie schon!“ Ich ging in das Zimmer mit den beiden Männern zurück Als ich im Türrahmen stand, sah ich Berger zu, der immer noch versuchte den Mann zu beruhigen. Aber die Mittel hätten nicht einmal für ein fünfjähriges Kind ausgereicht.

      „Berger, in zehn Sekunden ist der Mann ruhig! Ist das klar!“

      „Ja, Chefinspektor! Kommen Sie schon, Mann. Beruhigen Sie sich. Es ist doch alles…“. Berger war auf den Gefesselten zugegangen, hatte aber nicht bedacht, dass nur die Hände gefesselt waren. Als er in Reichweite war, ließ sich der Mann auf den Rücken fallen, schwang gleichzeitig sein rechtes Bein in die Höhe und traf den Beamten genau zwischen die Beine. Berger knickte ein und fiel stöhnend zu Boden. Ich zog blitzschnell meine Waffe und sprang mit einem Satz auf den wild gewordenen Russen am Boden den zu. Der hatte keine Zeit, meinen Angriff abzuwehren. Ich landete mit meinem Knie genau auf seinem Brustkorb und schlug ihm einen harten rechten Schwinger an die Schläfe. Der Kopf des Mannes schlug heftig auf den Boden. Ich war sofort wieder auf den Beinen, packte meinen Gegner am rechten Fuß und drehte ihn mit einem Ruck zu Seite. Der Mann schrie auf und drehte sich auf den Bauch. Sonst hätte ich ihm den Knöchel gebrochen. Ich ließ mich mit dem Knie voran auf den Rücken des Mannes fallen. Wieder bäumte sich der Kerl vor Schmerz auf, aber ich fasste die Haare am Hinterkopf und knallte seinen Schädel fest auf den Boden. Das Krachen des Nasenbeins war die logische Folge. Nach einem erneuten Aufschrei drehte ich den Kopf zur Seite und beugte mich zum Ohr des blutenden und schnaufenden Mannes hinunter.

      „Wie heißen Sie?“ Nachdem der Mann nicht antwortete, drückte ich den Kopf nochmals fest gegen den Boden.

      „Ich hab Sie gefragt, wie Sie heißen und ich möchte eine Antwort! Jetzt!“

      „Dmitri“, röchelte er Mann.

      „Hören Sie jetzt ganz genau zu, Dmitri.“ Ich sprach leise und so ruhig, als hätte ich nicht gerade einen hundert Kilo Mann kampfunfähig getreten.

      „Typen wie Sie hebe ich mir immer gerne zum Schluss auf. Und wissen Sie warum?“ Ich machte eine kleine Pause und beobachtete das Blut, das dem Kerl aus der Nase rann.

      „Weil ich am Ende eines langen Tages gerne einen Schweinehund zur Strecke bringe. Und bei einem bin ich mir fast sicher. Dass Sie kein Flüchtling sind, sondern hier für die ganze Sauerei verantwortlich sind. Ein Schweinehund eben! Sie kommen mit ins Präsidium. Dort werde ich mich mit Ihnen noch ausführlich unterhalten. Sie haben tolle Chancen auf fünfzehn Jahre gesiebte Luft, mein Freund. Und wenn das der Fall ist, werde ich Sie täglich in Ihrer Zelle zum Plaudern besuchen. Ich freue mich schon auf alle ihre Geschichten.“

      Der Mann war am Ende seiner Kräfte.

      „Ab jetzt höre ich keinen Ton mehr von Ihnen oder ich werde sauer und fange an, grob zu werden. Ist das angekommen?“ Ich interpretierte das röchelnde Grunzen als Zustimmung. Dann stand ich langsam auf und wandte mich dem verletzten Polizisten zu, der sich immer noch am Boden wand und sein bestes Stücke hielt.

      „Stehen Sie auf Berger. Bewachen Sie jetzt den Mann. Er wird keine Schwierigkeiten mehr machen.“

      „Ich bin verletzt, Chefinspektor, ich muss ins Krankenhaus“, wimmerte Berger.

      „In erster Linie müssen Sie jetzt einmal ihren Job machen und nicht wie eine verweichlichte Primaballerina herum jammern. Ins Krankenhaus können Sie nachher auch noch, wenn alles erledigt ist. Ein Tritt in ihre Männlichkeit kann bei Ihnen nicht wirklich Schaden angerichtet haben, oder?“ Ich hasste die Beamten, die nach jeder Schlägerei Krankenstand beantragten.

      „Sie haben ja keine Ahnung, wie das weh tut. Da ist sicher was gerissen oder kaputt gegangen. Ich möchte zu einem Arzt. Jetzt.“

      „Sie bleiben hier, das ist ein Befehl!“ Ich wurde sauer. Ich wollte nochmals Boris befragen und mich nicht um Bergers Weichteile kümmern.

      „Das wird ein Nachspiel haben, Korelev. Ich werde Sie zur Verantwortung ziehen, wenn ich durch ihre Schuld einen Schaden davon trage!“

      „Machen Sie das, Berger. Und jetzt bewachen Sie den Mann, bevor ich sie wegen Befehlsverweigerung zur Verantwortung ziehe!“

      Ich ging aus dem Zimmer und rief im Präsidium an. Dort wurde mir gesagt, dass der Anruf von einem Wegwerfhandy außerhalb von Schweigers Bleibe gekommen war. Ich gab der Spurensicherung genaue Anweisungen, die nächste Umgebung des Haus auf den Kopf zu stellen und nach dem Handy abzusuchen.

      „Berger, kommen Sie her!“

      „Ich kann nicht, ich muss den Gefangenen bewachen“, stellte sich Berger stur.

      „Ich sag es nicht noch einmal, Berger!“ Meine Stimme klang bedrohlich und es dauerte nicht lange, bis der Polizist im Türrahmen erschien.

      „Wer und wann hat die Polizei informiert?“

      „Wir erhielten einen anonymen Anruf gegen sieben Uhr dreißig und waren zehn Minuten später hier.“ Von Bergers anfänglicher Sympathie für mich war nichts mehr übrig geblieben. Er ratterte die Information wie eine Maschine herunter und ging wieder. Hätte er geahnt, dass ich genau das von ihm erwartete - lediglich eine sachliche Information - Berger hätte die Antwort sicherlich in einen ausführlichen Gefühlszustand über seine Männlichkeit verpackt, nur um mich zu ärgern.

      „Berger, nehmen Sie den Mann und kommen Sie. Wir fahren ins Büro.“

      Ich lenkte den Wagen durch den Mittagsverkehr. Es war ein normaler Montagmittag. Der Himmel war wolkenverhangen, die Luft kühl und es roch nach Regen. Berger saß neben mir am Beifahrersitz und grollte still vor sich hin. Er hatte sich vorgenommen Major Kahl Meldung über meine unterlassene Hilfeleistung zu erstatten. Nicht einmal jetzt ließ ich ihn bei dem Krankenhaus, an dem wir gerade vorbeifuhren, aussteigen. Ich blickte in den Rückspiegel und sah darin das zerschundene Gesicht von