verschwand mein Käufer mit der Ziege, die er mir
stahl, denn er hatte das Geld noch nicht bezahlt;
meine Ziege war gerade so eine wie deine, nur war
meine weiß und deine ist bunt. Na wie, mein Sohn,
gehts nicht unter zehn Gulden?‹ »Nein, anders gehts
nicht, es ist eine sehr schöne Ziege und sie ist noch
jung.« ›Na was ist zu thun wenn es nicht anders ist,
was ist da zu thun?‹ Und er zahlte ihm das Geld.
»Aber den Kauftrunk trinken wir noch,« sagte der
Junge. Als sie tranken, gieng er hinaus, stahl dem
Alten die Ziege, führte sie in ein Kornfeld, schwärzte
die Ziege am ganzen Leibe und führte sie wieder auf
den Markt. Er begegnete abermals dem alten Manne,
dem er die Ziege gestohlen hatte. Der Alte sagte ›Hast
du die Ziege zu verkaufen?‹ »Ja,« sagte er. ›Na was
willst du dafür, mein Sohn?‹ Er verlangte wieder dasselbe
Geld und bekam abermals seine zehn Gulden.
Der Alte nahm seine Ziege und führte sie gerades
Weges nach Hause, damit man sie nicht aufs neue
stehle; aber der kleine Räuber folgte ihm in einiger
Entfernung bis zu dem Hause.
Als der Alte mit seiner Ziege nach Hause gekommen,
führte er sie in den Stall und ließ den Stall unverschloßen;
er gieng sogleich in die Stube und sagte
zu seiner Frau, er habe eine schwarze Ziege gekauft,
sie solle ihm aber vor allem etwas zu eßen geben,
dann wollten sie beide in den Stall gehen und die
Ziege in Augenschein nehmen. Als er gegeßen, gehen
beide in den Stall mit einer Schleiße (einem
Spahnlichte), weil es schon dunkel war, aber die
Ziege fanden sie bereits nicht mehr, denn der Bursche
hatte während ihres Abendeßens die Ziege gestohlen.
Da ließ die alte Frau ihre Wut an dem Manne aus und
begann ihn von oben mit den Fäusten zu schlagen und
sagte ›Den ganzen Tag hast du dich herum getrieben,
den ganzen Tag hast du gezecht, die Ziege verkauft
und das Geld vertrunken, und nun kommst du nach
Hause und belügst mich noch, daß du eine Ziege mit
gebracht.‹ Was sollte der Mann nun anfangen? Er
gieng um die Ziege zu suchen, ob sie wol irgend
wohin weg gelaufen sei. Der Bursche aber hatte die
Ziege neben seinem Keller und er kniff sie in den
Schwanz, daß sie meckern muste. Wie das der Alte
vernahm, warf er sich sogleich nieder, legte die Ohren
auf die Erde und horchte, wo das wol sein könnte,
dann stund er auf und gieng der Stimme nach. Zufällig
muste er über ein großes Moor gehen und ins
Waßer waten; er watete so weit hinein, als er es in
Kleidern vermochte, dann kehrte er um, zog sich aus
und watete abermals. Jetzt übergab der Dieb die
Ziege seinen Kameraden, lief um den Sumpf herum
und stahl dem Alten die Kleider, brachte sie heim und
sperrte die Ziege in der Räuber Keller ein. Der Alte,
der die Stimme der Ziege nicht mehr hörte, kehrte auf
den Ort zurück, wo er sich ausgezogen hatte, aber er
fand seine Kleider nicht mehr und muste in bloßem
Hemde nach Hause gehen.
Jetzt besprachen sich die Kameraden des jungen
Menschen und sagten ›Wir wollen ihn nun zu unser
einem machen, und er kann nun auf die Wanderschaft;
wir haben nun gesehen, daß er schlauer ist als wir.‹
Da nahm er Abschied von ihnen, dankte für ihre Unterweisung
und gieng zu seinem Ohm. Der gab ihm
tüchtig Geld und alles was man zur Reise braucht,
und entließ ihn in die Welt. Als er nun so wanderte,
trat er zufällig in eine Schenke, um ein Glas Bier zu
trinken. Die Wirtschaft führte eine Witwe mit ihrer
Tochter. Als er ausgetrunken, rief er die Tochter herbei,
damit sie die Bezahlung für das, was er verzehrt,
in Empfang nehme. Als die Tochter kam, zog er aus
seiner Tasche eine ganze Hand voll Geld und wühlte
darin, um zu finden was er brauchte. Als die Tochter
sah, daß der Wandersmann so viel Geld habe, gieng
sie sogleich wieder zu ihrer Mutter hin und sagte
›Mutter, was dir der fremde Mensch Geld hat, das ist
ganz fürchterlich. Du könntest ihn fragen, ob er nicht
bei uns als Wirtschafter bleiben wolle.‹ »Das wäre
gut (sagte die Mutter), wir brauchen ohnehin einen.«
Da gieng sie ins Zimmer und begann ihn von weitem
aus zu fragen, woher er sei, wohin er gehe und was er
für einer sei; auch fragte sie ihn, ob er die Feldarbeit
verstehe. ›O ja (sagte er), ich verstehe alles was man
in der Wirtschaft braucht.‹ »Könntet ihr nicht bei uns
bleiben als Wirtschafter? wenn ihr nicht etwa noch
weit weg und die Welt sehen wollt. Ich bedarf sehr
eines Wirtschafters: ich lebe nun schon lange Zeit allein,
und mit meiner Wirtschaft gieng es bisher immer
schlechter.« Indem sie so redeten, kam die Tochter
herein, da sagte die Mutter »Wenn dir meine Tochter
da gefällt, so könnten wir wol einig werden; auf viel
Hab und Gut sehe ich nicht, wenn ich nur einen guten
Wirtschafter bekomme. Komm mit in meine Wirtschaft,
ich will sie dir zeigen.« Da zeigte sie ihm alles
was sie nur hatte, und es dauerte nicht lange, so ließen
sie sich trauen, und er führte da die Wirtschaft.
Jetzt aber erfuhren die Räuber, daß jener schlaue
Bursche in der Schenke die Wirtschaft führe, und es
verabredeten sich zwei von ihnen und machten sich
auf, ihn zu besuchen. Als sie zu ihm kamen, richteten
sie es so ein, daß sie ihn nicht zu Hause fanden, und
als sie in die Stube getreten, fragten sie, wo der Herr
sei. Die Frau antwortete ›Der Herr ist aufs Feld gegangen
zu den Pflügern, aber er wird gleich wieder