ich werde darnach greifen.« Als er so weit die Hand
hinein gesteckt, daß er den Schinken faßen wollte,
hieb jener auch ihm die Finger ab. ›Aber, Bruder, der
hat mir ja die Finger abgehauen!‹ Jener sagte »Das
geschieht dir recht, sonst hättest du dich darüber lustig
gemacht, daß ich um meine Finger gekommen
bin. Jetzt wollen wir heim, jetzt haben wir genug.«
Da giengen sie beide nach Hause und ließen jenen
künftig in Ruhe.
Fußnoten
1 So auch im Litauischen.
2 Ein ostpreußischer Gulden ist zehn Silbergroschen;
zehn Gulden sind also dre Thaler zehn Silbergroschen.
Von der Königstochter.
Es war einmal ein König, der hatte einen Bedienten,
der ein sehr guter Mann war. Als einst der König
nicht zu Hause war, war seine Tochter im Garten, und
der Bediente gieng auch in dem Garten umher; dem
Fräulein gefiel aber das nicht, daß er da immer herum
gieng, und sie ließ ihn umbringen. Nun aber ward ihr
angst, was sie bei des Königs Zurückkunft sagen
wolle, weil sie den Bedienten hatte tödten laßen, und
sie machte sich auf und entfloh aus dem Hause. Als
sie nun weit genug gelaufen war, kam sie an einen
großen Garten, in den gieng sie hinein, legte sich nieder
und schlief ein, denn sie war sehr müde geworden.
Bei dem Garten war aber eines Königs Hof, und früh
kam der Prinz in den Garten spazieren und fand jene
Prinzessin und weckte sie und fragte sie, woher sie
komme und wohin sie gehe. Da sagte sie ihm, daß sie
eine Königstochter sei. Und sie gefiel ihm so wol, daß
er sie in sein Haus führte. Er hatte aber eine sehr böse
Mutter und deshalb verbarg er das Mädchen vier Wochen
lang, damit sie sie nicht sehe. Eines Sonntags
aber war die Alte sehr gut, da sagte er zu ihr ›Aber
Mama, was ich für einen Vogel habe!‹ und zeigte ihr
das Mädchen. Und die Königstochter gefiel auch ihr
recht wol; aber als der Prinz sagte, er wolle sie als
Frau behalten, da konnte sie die Alte durchaus nicht
leiden, und sie wollte nicht zu geben, daß er sie
nehme. Als sie nun aber sah, daß keine Abhilfe sei, da
muste der Prinz seiner Mutter einen andern Hof draußen
im freien Felde bauen, denn die Alte wollte mit
der Schwiegertochter nicht zusammen leben. Der
Sohn that dieß und heiratete die Prinzessin.
Später muste der Prinz in den Krieg reiten, und da
ließ er seiner Frau ein rotes Petschaft und seiner Mutter
ein schwarzes. Nicht lange nachher kam einmal
die Alte zu Besuch zu ihrer Schwiegertochter und
stahl ihr ihr Petschaft. Wenn nun die Königin ihrem
Manne Briefe schrieb, so hatte sie kein Petschaft, um
sie zu versiegeln; und wenn sie schrieb, so muste
immer die Post mit dem Briefe durch den Hof der
Alten ihren Weg nehmen; und so oft die Post kam,
machte die Alte die Leute trunken, nahm, erbrach und
verbrannte den Brief der Königin und schrieb einen
andern Brief, den sie mit dem gestohlenen Petschafte
siegelte und dem Könige zusandte. Der König dachte
aber immer, daß seine Frau die Briefe geschrieben
habe. Einst schrieb die Königin, daß sie zweier Prinzen
genesen sei; aber als die Post zum Hause der
Alten kam, da machte sie wieder die Männer betrunken
und schrieb, sie habe zwei Hündchen geboren.
Der König aber antwortete, sie solle warten bis er
nach Hause komme; und wie die Post bei der Alten
vorbei kam, da nahm sie wieder den Brief und schrieb
ihr in einem andern, daß sie mit ihren beiden Kindern
sogleich umgebracht werden solle.
Man führte sie nun heraus in einen Wald, und sie
wollten zuerst ihre Kinder tödten, aber sie sagte
›Einen dreifachen Tod kann ich nicht sterben, tödtet
mich zuerst,‹ und bat sehr um ihr Leben: ›dieß Blut
(sagte sie), komme auf euch und eure Kindeskinder.‹
Da ward es den Dienern angst und sie tödteten sie
nicht. Den Leuten war aber befohlen, sie sollten
sämmtliche sechs Augen und die drei Zungen mit
nach Hause bringen. Es waren ihnen aber zufällig, als
sie in den Wald giengen, drei Hunde zugelaufen; dieser
drei Hunde Augen und Zungen nahmen sie mit
nach Hause. Die Königin aber versprach, nicht wieder
in die Stadt zurück zu kehren. Und wie sie sie gehen
ließen mit ihren Kindern, da legte sie sich unter einem
Baume schlafen; da kam ein Wolf und trug eins ihrer
Kinder weg, aber ein Bauer, der in dem Walde war,
sah den Wolf, wie er das Kind davon trug, lief herbei
und nahm ihm das Kind ab, und der Wolf kehrte um,
um das andre zu holen, aber der Bauer nahm ihm
auch das ab. Das Kind aber hatte eines erwachsenen
Menschen Hand über seine eine Schulter hangen, und
das war der Königin Hand, denn die Diener hatten sie
ihr ab gehauen. Die beiden Kinder nahm der Bauer
mit nach Hause, und als sie größer geworden, sagte er
zu ihnen ›Kinder, ich bin euer rechter Vater nicht;
wollt ihr, so könnt ihr da bleiben; wollt ihr aber nicht,
so könnt ihr gehen wohin ihr wollt.‹
Da verließen die beiden den Bauern; einer der Knaben
aber trug die Hand immer auf der Schulter. Da
kamen sie zufällig in eine Stadt und zu des Königs
Haus, und der König kam heraus, die zwei Knaben an
zu sehen, und wie er die Hand beschaute, da war an
einem Finger ein Ring, und den Ring erkannte der
König als den Ring seiner Frau. Nun fragte er die
Knaben, woher sie seien, und sie sagten ›Wir waren
bei einem Bauern, und der Bauer sagte uns, wir seien
nicht seine Söhne, und wenn wir wollten,