Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. August Schleicher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: August Schleicher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742750884
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getragen worden ist, wird er noch heiß sein! Geh fort,

       ich werde darnach greifen.« Als er so weit die Hand

       hinein gesteckt, daß er den Schinken faßen wollte,

       hieb jener auch ihm die Finger ab. ›Aber, Bruder, der

       hat mir ja die Finger abgehauen!‹ Jener sagte »Das

       geschieht dir recht, sonst hättest du dich darüber lustig

       gemacht, daß ich um meine Finger gekommen

       bin. Jetzt wollen wir heim, jetzt haben wir genug.«

       Da giengen sie beide nach Hause und ließen jenen

       künftig in Ruhe.

       Fußnoten

       1 So auch im Litauischen.

       2 Ein ostpreußischer Gulden ist zehn Silbergroschen;

       zehn Gulden sind also dre Thaler zehn Silbergroschen.

       Von der Königstochter.

       Es war einmal ein König, der hatte einen Bedienten,

       der ein sehr guter Mann war. Als einst der König

       nicht zu Hause war, war seine Tochter im Garten, und

       der Bediente gieng auch in dem Garten umher; dem

       Fräulein gefiel aber das nicht, daß er da immer herum

       gieng, und sie ließ ihn umbringen. Nun aber ward ihr

       angst, was sie bei des Königs Zurückkunft sagen

       wolle, weil sie den Bedienten hatte tödten laßen, und

       sie machte sich auf und entfloh aus dem Hause. Als

       sie nun weit genug gelaufen war, kam sie an einen

       großen Garten, in den gieng sie hinein, legte sich nieder

       und schlief ein, denn sie war sehr müde geworden.

       Bei dem Garten war aber eines Königs Hof, und früh

       kam der Prinz in den Garten spazieren und fand jene

       Prinzessin und weckte sie und fragte sie, woher sie

       komme und wohin sie gehe. Da sagte sie ihm, daß sie

       eine Königstochter sei. Und sie gefiel ihm so wol, daß

       er sie in sein Haus führte. Er hatte aber eine sehr böse

       Mutter und deshalb verbarg er das Mädchen vier Wochen

       lang, damit sie sie nicht sehe. Eines Sonntags

       aber war die Alte sehr gut, da sagte er zu ihr ›Aber

       Mama, was ich für einen Vogel habe!‹ und zeigte ihr

       das Mädchen. Und die Königstochter gefiel auch ihr

       recht wol; aber als der Prinz sagte, er wolle sie als

       Frau behalten, da konnte sie die Alte durchaus nicht

       leiden, und sie wollte nicht zu geben, daß er sie

       nehme. Als sie nun aber sah, daß keine Abhilfe sei, da

       muste der Prinz seiner Mutter einen andern Hof draußen

       im freien Felde bauen, denn die Alte wollte mit

       der Schwiegertochter nicht zusammen leben. Der

       Sohn that dieß und heiratete die Prinzessin.

       Später muste der Prinz in den Krieg reiten, und da

       ließ er seiner Frau ein rotes Petschaft und seiner Mutter

       ein schwarzes. Nicht lange nachher kam einmal

       die Alte zu Besuch zu ihrer Schwiegertochter und

       stahl ihr ihr Petschaft. Wenn nun die Königin ihrem

       Manne Briefe schrieb, so hatte sie kein Petschaft, um

       sie zu versiegeln; und wenn sie schrieb, so muste

       immer die Post mit dem Briefe durch den Hof der

       Alten ihren Weg nehmen; und so oft die Post kam,

       machte die Alte die Leute trunken, nahm, erbrach und

       verbrannte den Brief der Königin und schrieb einen

       andern Brief, den sie mit dem gestohlenen Petschafte

       siegelte und dem Könige zusandte. Der König dachte

       aber immer, daß seine Frau die Briefe geschrieben

       habe. Einst schrieb die Königin, daß sie zweier Prinzen

       genesen sei; aber als die Post zum Hause der

       Alten kam, da machte sie wieder die Männer betrunken

       und schrieb, sie habe zwei Hündchen geboren.

       Der König aber antwortete, sie solle warten bis er

       nach Hause komme; und wie die Post bei der Alten

       vorbei kam, da nahm sie wieder den Brief und schrieb

       ihr in einem andern, daß sie mit ihren beiden Kindern

       sogleich umgebracht werden solle.

       Man führte sie nun heraus in einen Wald, und sie

       wollten zuerst ihre Kinder tödten, aber sie sagte

       ›Einen dreifachen Tod kann ich nicht sterben, tödtet

       mich zuerst,‹ und bat sehr um ihr Leben: ›dieß Blut

       (sagte sie), komme auf euch und eure Kindeskinder.‹

       Da ward es den Dienern angst und sie tödteten sie

       nicht. Den Leuten war aber befohlen, sie sollten

       sämmtliche sechs Augen und die drei Zungen mit

       nach Hause bringen. Es waren ihnen aber zufällig, als

       sie in den Wald giengen, drei Hunde zugelaufen; dieser

       drei Hunde Augen und Zungen nahmen sie mit

       nach Hause. Die Königin aber versprach, nicht wieder

       in die Stadt zurück zu kehren. Und wie sie sie gehen

       ließen mit ihren Kindern, da legte sie sich unter einem

       Baume schlafen; da kam ein Wolf und trug eins ihrer

       Kinder weg, aber ein Bauer, der in dem Walde war,

       sah den Wolf, wie er das Kind davon trug, lief herbei

       und nahm ihm das Kind ab, und der Wolf kehrte um,

       um das andre zu holen, aber der Bauer nahm ihm

       auch das ab. Das Kind aber hatte eines erwachsenen

       Menschen Hand über seine eine Schulter hangen, und

       das war der Königin Hand, denn die Diener hatten sie

       ihr ab gehauen. Die beiden Kinder nahm der Bauer

       mit nach Hause, und als sie größer geworden, sagte er

       zu ihnen ›Kinder, ich bin euer rechter Vater nicht;

       wollt ihr, so könnt ihr da bleiben; wollt ihr aber nicht,

       so könnt ihr gehen wohin ihr wollt.‹

       Da verließen die beiden den Bauern; einer der Knaben

       aber trug die Hand immer auf der Schulter. Da

       kamen sie zufällig in eine Stadt und zu des Königs

       Haus, und der König kam heraus, die zwei Knaben an

       zu sehen, und wie er die Hand beschaute, da war an

       einem Finger ein Ring, und den Ring erkannte der

       König als den Ring seiner Frau. Nun fragte er die

       Knaben, woher sie seien, und sie sagten ›Wir waren

       bei einem Bauern, und der Bauer sagte uns, wir seien

       nicht seine Söhne, und wenn wir wollten,