will dir sagen, wie du sie bekommen wirst. Wenn du
zur Stadt kommen wirst, dann must du zwischen eilf
und zwölf Uhr hinein gehen, denn da schläft alles was
nur Leben hat; gib also ja recht Acht drauf, daß du
weder zu früh noch zu spät hinein gehest. Und in der
Stunde must du in das und das Haus hinein gehen, da
wirst du die Kräuter auf dem Fenster finden; nimm sie
weg und mach daß du wieder zurück kehrst.« So belehrt
reiste der Prinz weiter.
Als er zur Stadt kam, machte er Halt, sah nach seiner
Uhr, es war zehn; so wartete er denn bis um eilf.
So wie es eilf Uhr schlug, gieng er in die Stadt und in
das ihm bezeichnete Haus. Auf dem Fenster fand er
eine Flasche mit den Augenmitteln und eine andere
Flasche ganz reinen Waßers, die Flasche aber konnte
man nicht ausleeren, sie war immer voll, und auf dem
Tische lag ein Leib Brot. Sodann gieng er in eine andere
Stube und sieh! da fand er eine schlafende Prinzessin;
zu der legte er sich hin, weckte sie aber nicht
auf. Sodann stund er auf und schriebs auf die untere
Seite eines Tisches, daß ein Prinz aus dem und dem
Lande bei ihr zu der und der Zeit gelegen. Er nahm
nun den Brotleib und die Flasche mit dem Waßer, so
wie die Flasche mit den Heilmitteln, gieng in seinen
Nachen und machte, daß er so schnell als möglich den
Rückweg antrat. Als aber der Drache, der Herr der
Stadt, angeflogen kam und fand, daß ein Fremder da
gewesen, zerbarst er vor Wut, und nun war alles seinen
Krallen entgangen. Die Länder, die vorher verwünscht
waren, der Löwe, der Wolf, der Bär, alle
wurden erlöst, und der Prinz reiste nun nicht zu Schif-
fe, sondern zu Wagen zurück. Er ließ sich deshalb einige
Wagen machen und fuhr nach Hause; er führte
aber seinen ganzen Reisebedarf an Speise mit sich.
Als er nicht weit mehr von der Stadt war, deren
König vordem ein Löwe gewesen war, da kam der
König mit seinen Soldaten und mit großer Musik ihm
zu Ehren entgegen. Als man sich zu Tische gesetzt,
kam beim Eßen und Trinken die Rede auf dieß und
das, und der Prinz sagte ›Bei uns ists Sitte, daß wir,
wenn wir irgend eine Speise genießen, grobes Brot
dazu beißen.‹ Der König sagte »Aber bei uns gibt es
gar kein solches Brot.« Der Prinz sagte ›Geht in meinen
Wagen, bringt den Brotleib und bestellt einen
starken Mann!‹ Da lachten alle die vornehmen Herren
über ihn, weil er nur einen Leib Brot habe und noch
dazu einen starken Mann zu bestellen angeordnet.
Jetzt befahl er Brot abzuschneiden; als man aber bis
zur Hälfte geschnitten, da war der Leib wieder ganz.
Der König sagte »Würdest du mir den Leib wol verkaufen?
« ›Nein (sagte der Prinz), verkaufen kann ich
ihn nicht, aber versetzen so lange du willst.‹ Darauf
gieng der König ein und gab ihm drei Fäßer voll
Gold. Das packte er sich ein und reiste von dem Könige
zu dem andern, der vorher in einen Bären verwandelt
war. Als er nicht mehr weit von der Stadt
war, empfieng ihn auch dieser König mit großen
Ehren, mit Soldaten und großer Musik, und ladete ihn
zum Mittagseßen ein. Als man gespeist hatte, sagte
der Prinz ›Bei uns hat man die Gewohnheit, nach dem
Eßen reines klares Waßer zu trinken.‹ Der König
sagte »Wir haben aber kein solches Waßer.« Da
schickte der Prinz seinen Diener nach der Flasche und
einem großen Zuber; die Herren aber lachten über ihn,
daß er aus einer kleinen Flasche einen großen Zuber
zu füllen gedenke. Aber als er die Flasche auszuschütten
begann, da goß er den ganzen Zuber voll, und die
Flasche ward doch nicht leer. Da sagte der König
»Würdest du wol die Flasche verkaufen?« ›Nein
(sagte der Prinz), verkaufen kann ich sie nicht, aber
für drei Faß Gold will ich sie dir leihen.‹ So ließ er
denn die Flasche da, lud sein Gold auf und reiste weiter.
Das dritte Land, dessen König in einen Wolf verwandelt
war, besuchte er gar nicht, sondern reiste gerades
Weges in die Stadt Schönheit, wo er in einer
schönen Schenke, in einem Gasthofe abstieg. Nach
Tische sah er, daß sehr viel Menschen in der Straße
giengen; da fragte er den Wirt, warum so viele Leute
die Straße entlang giengen, ob etwa etwas zu sehen
sei. »O ja (antwortete der), es werden zwei gehängt.«
›Könnte ich das wol auch mit ansehen?‹ »Na, warum
denn nicht!« So gieng er denn auch auf den Platz hin.
Als er die zwei Verurteilten erblickte, erkannte er in
ihnen sogleich seine Brüder; er meldete sich deshalb
bei der Obrigkeit, ob er sie nicht befreien könne. ›Ei
ja, aber es kostet viel Geld; wenn einer vier Faß Gold
gibt, dann werden sie frei gegeben.‹ Da ließ der Prinz
vier Faß Gold bringen und nahm die zwei armen Sünder
mit nach Hause in seinen Gasthof, ließ ihnen
Eßen und Trinken bereiten, kleidete sie gut und gab
sich ihnen als ihr Bruder zu erkennen.
Sie verweilten nicht lange mehr und begaben sich
auf die Reise. Als sie ein gutes Ende Wegs zurück gelegt,
da dachten die zwei Brüder ›Was wird nun geschehen,
wenn wir zum Vater kommen? Der Dumme
hat die Arzneikräuter und hat uns noch dazu vom Galgen
erlöst; wir werden beim Vater nur mit großen
Schanden bestehen.‹ So faßten sie denn folgenden Beschluß
›Nicht weit von hier ist eine Hexe, gehen wir
zu ihr und laßen wir uns von ihr solche Kräuter
geben, von denen der Mensch, wenn er sie auf die
Augen streicht, erblindet, und die hinterlegen wir dem
Bruder, dann hat er die nichtsehenden Kräuter und wir