Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. August Schleicher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: August Schleicher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742750884
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zu seinen Dienern

       ›Bedeckt sich denn der Himmel mit Wolken?‹

       »Ei, wo denn (antworteten diese), Herr und König, es

       ist ja voller Sonnenschein.« Nicht lange nachher, als

       es fünf Uhr war geworden, sagte der König wieder

       ›Ists denn schon Abend?‹ »Ei, wo denn (sagten die

       Diener), es ist ja erst fünf Uhr.« Nach einer kleinen

       Weile konnte der König schon nichts mehr sehen, da

       ließ er den Zigeuner rufen. ›Nun, Zigeuner, wenn du

       wustest, daß ich erblinden würde, so must du auch

       wißen, wo man solche Mittel findet, die mir mein Augenlicht

       wieder geben können.‹ »Ja wol, lieber König,

       das weiß ich auch, nur bin ich schon zu alt, um die

       Reise dahin zu machen, denn der Weg führt durch

       drei verwünschte Länder.« Der König sagte ›Ich habe

       drei Söhne, die werden doch hinreisen können?‹ »Ja

       wol, die könnten,« sagte der Zigeuner.

       Da machten sich die zwei ältesten auf die Reise.

       Nachdem sie zwei Tagereisen zurückgelegt, kamen

       sie zu einer sehr schönen Stadt mit Namen Schönheit,

       und am Thore der Stadt stund geschrieben ›Wer in die

       Stadt geht und nur drei Stunden sich aufhält, der

       braucht nichts zu bezahlen, aber wer länger bleibt, der

       muß für die Stunde einen Thaler geben.‹ Als beide in

       die Stadt gegangen, vergaßen sie des Vaters. Der

       Vater, der vergeblich ihrer Rückkehr harrte, sagte

       zum dritten ›Begib du dich auf die Reise, mein lieber

       Sohn: wer weiß, wo jene beiden hin geraten sind.‹

       Da machte er sich auf den Weg, und wie er an die-

       selbe Stadt kam und die Inschrift fand, da gieng er in

       die Stadt hinein, sah sich um und gieng wieder heraus.

       Nun setzte er sich in sein Schiff und setzte seine

       Reise fort. Als er mit dem günstigsten Winde eine

       Tagreise zurückgelegt, da sah er gegen Abend eine

       Insel in der Ferne. Er machte mit seinem Schiffe Halt,

       stieg in einen Kahn und ruderte ans Ufer; denn er

       wollte wißen, was auf der Insel sei. Als er hin kam,

       fand er einen kleinen Backofen; er gieng, ans Thürchen

       desselben und sah durch ein Löchlein hinein, da

       sah er drinn einen Wolf knien. Da erschrak er, aber er

       klopfte doch an die Thüre und lief schnell in seinen

       Kahn; der Wolf aber war aufgesprungen, setzte ihm

       nach und rief, er solle warten. Der Prinz, als er in seinem

       Kahne saß, dachte ›Sollst du gehen oder nicht?‹

       Aber er entschloß sich doch und kehrte zum Wolfe

       zurück. Der Wolf sagte zu ihm ›O Mensch, was hast

       du mir gethan! Ich kniete hier schon neun und neunzig

       Jahre, aber jetzt muß ich wieder neun und neunzig

       Jahre knien; wärest du nicht gekommen, so hätte ich

       nur noch ein Jahr zu knien gehabt und wäre dann erlöst

       gewesen.‹ Der Prinz erzählte ihm seine ganze Angelegenheit,

       wie er in das und das Land reise, um ein

       Mittel für die Augen zu holen. »Nun, lieber Prinz,

       was ist zu thun? Jetzt wirst du zunächst meinen Bruder

       treffen, der ist ein Bär; gib Acht, daß du vor

       Schreck nicht niederstürzest, wenn er anfängt zu brül-

       len. Ich will dir aber ein Zettelchen geben, und wenn

       du meinst, du könntest ihm nicht entfliehen, so wirf

       ihm den Zettel hin, in den wird er hinein sehen und so

       kannst du entfliehen.«

       So reiste denn der Prinz wieder weiter. Der Wind

       blies günstig und stark genug und so sah er denn wieder

       gegen Abend eine Insel in der Ferne schimmern.

       Er machte mit seinem Schiffe Halt, stieg in einen

       Kahn und ruderte ans Ufer. Als er hin kam, sah er

       abermals einen kleinen Backofen, und als er durch ein

       Löchlein hinein sah, sah er drinn einen Bären knien.

       Jetzt dachte er ›Sollst du klopfen oder nicht;‹ aber er

       meinte, mag draus werden was da will, ich werde

       klopfen. Er that einen Schlag an die Thüre und lief

       haftig auf seinen Kahn zu. Als aber der Bär aufsprang

       und zu brüllen anhub, da dachte der Prinz, er könne

       nicht mehr entfliehen und warf das Briefchen hin, das

       er vom Wolfe erhalten hatte. Der Bär sah in den Zettel

       und während dem sprang der Prinz in seinen Nachen.

       Der Bär rief »Prinz, komm einmal her! Es ist

       nicht gut, daß du hierher kamst; ich habe nun schon

       neun und neunzig Jahre gekniet und nun muß ich

       noch einmal so lange knien; aber was ist zu thun?

       Gott helfe dir! Aber jetzt wirst du noch zu meinem

       Bruder, dem Löwen kommen; nimm dich in Acht, daß

       er dich nicht zerreiße und daß du, wenn er anfängt zu

       brüllen, vor Schreck über seine Stimme nicht zur Erde

       stürzest. Ich will dir ein Briefchen geben, wenn du

       dann meinst, du könnest ihm nicht entfliehen, so wirfs

       ihm hin; er wird hineinsehen und du wirst entkommen.

       «

       Der Prinz reiste sodann weiter. Als er den ganzen

       Tag gefahren war, sah er gegen Abend wieder eine

       Insel in der Ferne schimmern. Er machte mit seinem

       Schiffe Halt, bestieg einen Nachen und ruderte ans

       Land. Hier sah er sich um und er sah wieder einen

       kleinen Ofen stehen, und als er durch ein Löchlein

       hinein sah, da erblickte er einen knieenden Löwen.

       Jetzt dachte er ›Sollst du klopfen oder nicht;‹ aber er

       klopfte dennoch an. Als aber der Löwe aufschrie, da

       lief der Prinz zurück und der Löwe hinter ihm her. Da

       erinnerte er sich des Briefchens und warf es hin; der

       Löwe griff rasch darnach und las es und rief, der

       Prinz solle umkehren. Da gieng der Prinz zurück zu

       dem Löwen, der sagte zu ihm »Na, Prinz, es ist nicht

       gut, daß du her gekommen bist; mit meinem Elende

       wärs nun bald ein Ende gewesen, und nun muß ich

       noch einmal so lang im Elende zubringen. Aber was

       ist